An den geehrten VorstandDie genaue personelle Zusammensetzung des Vorstands des Akademisch-Dramatischen Vereins war für den hier maßgeblichen Zeitraum nicht zu ermitteln. des A.D.V.wohl übliche Abkürzung; „der ‚A.D.V.‘“ [Otto Ploecker-Eckart: Aus dem Gründungsjahr (1892) der Münchner Freien Bühne. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 65, Nr. 376, 26.7.1912, Vorabendblatt, S. 2] – das ist der Akademisch-Dramatische Verein, dessen Vereinslokal seinerzeit entweder noch das Café Minerva (Akademiestraße 9) [vgl. Adreßbuch von München für das Jahr 1902, Teil III, S. 89] oder bereits das Café Putscher (Odeonsplatz 18) [vgl. Adreßbuch von München für das Jahr 1903, Teil III, S. 109] war, gegründet nach dem Vorbild der Berliner Freien Bühne [vgl. Kutscher 2, S. 3] am 27.11.1891 [vgl. Hartl 1976, S. 62], der „Moderne aus Prinzip“ [Kutscher 1912, S. 286] verpflichtet und mit überwiegend studentischen Mitgliedern. Der Akademisch-Dramatische Verein hatte Wedekinds Lesung der „Büchse der Pandora“ am 14.5.1901 im Hotel Reichshof veranstaltet [vgl. KSA 3/II, S. 1253] sowie am 29.1.1902 seine Lesung aus „Mine Haha“ und von „Schriftsteller Ibsen und Baumeister Solneß“ im Café Eckel [vgl. Hartl 1976, S. 103], die Uraufführung von „So ist das Leben“ am 22.2.1902 im Münchner Schauspielhaus [vgl. KSA 4, S. 632] und ebenfalls im Münchner Schauspielhaus die erste Münchner Inszenierung des „Marquis von Keith“ (Premiere: 20.10.1902) [vgl. KSA 4, S. 534]. Er wurde aufgrund der Aufführung von drei Szenen aus Schnitzlers „Reigen“ vom Senat der Münchner Universität aufgelöst, durch einen am 28.11.1903 vom Rektor unterzeichneten „Disziplinarbeschluß“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 56, Nr. 570, 5.12.1903, Morgenblatt, S. 2]. Die Presse meldete: „Der Akademisch-dramatische Verein ist [...] nunmehr aufgelöst und dem Vorstande eine ernste Rüge erteilt worden. [...] Um nun die Traditionen des Vereins fortzusetzen, haben sich Alte Herren und Ehrenmitglieder des Vereins zu einem die gleichen literarischen Zwecke verfolgenden Verein unter dem Namen ‚Der Neue Verein‘ zusammengetan. [...] Der Verein ist auf breitester Basis aufgebaut, so daß jetzt auch Nichtakademiker ihm als Mitglieder beitreten können.“ [Akademisch-Dramatischer Verein. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 56, Nr. 569, 5.12.1903, Vorabendblatt, S. 3]
München.
Sehr geehrter Herrnicht eindeutig identifiziert.!
Das ritterliche Vorgehensarkastische Anspielung auf einen Vorfall während der Münchner Premiere von Max Halbes „Walpurgistag. Eine Dichter-Komödie“ (1903) am 21.11.1902 im Münchner Schauspielhaus, bei der ‚flegelhaftes‘ Verhalten (siehe unten) im Publikum zu beobachteten war, hier speziell unangemessenes Verhalten des Studenten Max Lau (siehe unten) gegenüber der mit Wedekind befreundeten Lotte Dreßler, die sich verbal gewehrt zu haben scheint. eines Mi Ihres Mitgliedes
des Herrn Max LauMax Lau, als Medizinstudent zuletzt im Sommersemester 1903 an der Münchner Universität eingeschrieben [vgl. Amtliches Verzeichnis des Personals der Lehrer, Beamten und Studierenden an der königlich bayerischen Ludwig-Maximilian-Universität zu München. Sommer-Semester 1903, S. 82], war nicht nur Mitglied des Akademisch-Dramatischen Vereins, sondern dann auch im Neuen Verein, dem Nachfolger des Akademisch-Dramatischen Vereins (siehe oben), gegründet am 12.12.1903 in München: „An der Spitze des Vereins steht ein Vorstand und Ausschuß“, meldete die Presse, und nannte unter den Namen: „Max Lau, cand. med.“ [Der Neue Verein. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 56, Nr. 583, 13.12.1903, S. 4] gegen die Gemahlin meines lieben Freundes des Herrn Professor
Anton Dreßler hindert mich die mir von Ihnen dargebotene EhrungDer Akademisch-Dramatische Verein dürfte Wedekind eine Ehrenmitgliedschaft angeboten haben, von der ohne Beleg angenommen worden ist, Wedekind sei „Ehrenmitglied des Vereins“ [Buglioni 2017, S. 95] geworden. entgegen zu
nehmen. Herr Lau hatte sich in Gegenwart und zur Seite erwähnter Dame in
einer Art und Weise benommen gebärdet die von den M.N.N. als das Benehmen „Flegelhafter GesellenZitat aus einem Artikel der „Münchner Neuesten Nachrichten“ (im einen Tag vordatierten Vorabendblatt) über rüpelhaftes Benehmen von Theaterbesuchern während der Münchner Premiere von Max Halbes Drama „Walpurgistag“ (siehe oben), der mit den Worten schließt: „Ich [...] frage nur: will sich das Publikum seines Rechts, ein Bühnenstück, sei es gut oder schlecht, ungestört anzuhören, von flegelhaften Gesellen berauben lassen? Ich meine, es hat die Pflicht, die Autoren, die Schauspieler, und nicht zuletzt sich selbst vor den gewaltthätigen Ausschreitungen dieses unwürdigen Theils seiner selbst zu schützen.“ [E.G.: Verrohung des Premièren-Publikums. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 55, Nr. 551, 27.11.1902, Vorabendblatt, S. 4]“
qualifiziert wurde. Statt sich nun die Qualifizi öffentlich nach reiflicher Überlegung ausgesprochene
Qualifizierung „Flegelhafter Gesellen“ an dem RedacteurEmil Grimm, Feuilleton-Redakteur der „Münchner Neuesten Nachrichten“, dessen Artikel (siehe oben) mit der Verfassersigle „E.G.“ gezeichnet ist. der M.N.N. zu ahnden,
ahndete der |
Diese nach
reiflicher Überlegung öffentlich ausgesprochene Qualification hinderte Herrn Lau nicht, die erwähnte
Dame die sich durch
sein Betragen persönlich belästigt fühlte, die er mit
sein Betragen belästigt hätte wegen eines ähnlichen in vollstem lebhaftesten Affect gesprochenen Ausdruckes vor den
Richter zu laden und zur Erlegung einer Strafe Buße zu veranlassen. Da es sich hierbei um einen Auftritt im
Theater handelt und Sie die Pflege der dramatischen Kunstfreies Zitat aus den Statuten des Akademisch-Dramatischen Vereins, dessen Zweck „auf die ‚Pflege der Literatur mit besonderer Berücksichtigung der neueren dramatischen Erzeugnisse‘ gerichtet“ [Pargner 2005, S. 27] war. Wedekind kannte also den Wortlaut des „§ 1. Zweck des Vereins“ aus den am 27.11.1891 beschlossenen Statuten, die handschriftlich überliefert sind (in den Akten der Polizeidirektion München [Staatsarchiv München, Verz. 24a I, Fasc. 105, Nr. 1327], als Faksimile reproduziert [vgl. Hartl 1976, S. 105-116]). zum Zweck Ihrer
Bestrebungen erklären kann ich nur annehmen, daß das Vorgehen des Herrn Lau gegen
die Dame von Ihnen gebilligt wird. Diese Erwägung zwingt mich die mir von
Ihnen zugedachte Ehrung abzulehnen.
In vorzüglicher Hochschätzung