[Hinweis in:
Frankfurter Zeitung, Jg. 54, Nr. 191, 13.7.1910, Abendblatt, S. (1):]
Wir erhalten folgende ZuschriftBegleitschreiben zu einer Beilage, der Glosse „Verbotene Tänze“ [KSA 5/II, S. 382-383], die in der „Frankfurter Zeitung“ [Jg. 54, Nr. 191, 13.7.1910, Abendblatt, S. (1)] und gleichzeitig in anderer Fassung im „Berliner Tageblatt“ [vgl. Verbotene Tänze. In: Berliner Tageblatt, Jg. 39, Nr. 349, 13.7.1910, Morgen-Ausgabe, S. (2-3); vgl. KSA 5/III, S. 827] publiziert wurde.:
[Druck der Beilage:]
Verbotene Tänze. […] Durch die Münchner Polizei
wurden vor einigen Wochen gleichzeitig die öffentlichen Aufführungen von zwei
verschiedenen Tänzen verboten. Das eine Verbot betraf den Bauchtanz einer orientalischen
Tänzerin, die im Vergnügungspark der Ausstellung mit
entblößtem Leib auftrat. Das andere betraf den Einakter „Totentanz“ von Frank Wedekind, der am Münchner Schauspielhaus zur Aufführung gelangen
sollte. Die Tänzerin erbot sich, ihren Leib durch ein Seidentrikot zu
verhüllen, und daraufhin wurde ihr das weitere Auftreten von der Münchner
Polizei bereitwilligst gestattet. Leider stellte sich aber heraus, daß das
Seidentrikot die Einnahmen des Vergnügungslokales sehr
benachteiligte. Ein Ausschuß von Künstlern wurde nun zur Prüfung berufen und
entschied, jedenfalls mit vollstem Recht, daß der Tanz ohne
Trikot künstlerisch ungleich höher stehe als mit
ihm. Dementsprechend zog die Polizei ihr Verbot zurück, während Wedekind mit seinem
abermaligen Gesuch, ihm die Aufführung seines „Totentanzes“ im Münchner Schauspielhaus
zu gestatten, rundweg abgewiesen wurde. Dabei ist in Betracht
zu ziehen, daß sich der Wedekindsche Einakter in literarischer Form mit ernsten
Kulturfragen beschäftigt, daß er in Nürnberg und Düsseldorf längst öffentlich
aufgeführt und in zahlreichen literarischen Gesellschaften vorgetragen wurde,
ohne bisher das polizeilich befürchtete Aergerniß zu erregen.