BurgdorfIm Winterhalbjahr 1888/89 besuchte Donald Wedekind das Gymnasium in Burgdorf. 16 October 1888
Lieber
Bebi!
Ich
und das Anderenicht ermittelt. sind hier gut angekommen, Letzteres auch schon wieder fort
gegangen. Im Eisenbahnzuge ist kam mir in den Sinn, dass ich O
meine Briefe an PapaDie Briefe Donald Wedekinds an seinen Vater sind nicht überliefert; Friedrich Wilhelm Wedekind war am 11.10.1888 überraschend gestorben. zugleich mit einem an Fischvermutlich Karl Fisch, Professor für alte Sprachen an der Kantonsschule Aarau., in der Nachttischschublade
des Zimmers, in dem der Samowarrussischer Teekocher. steht, also in deinem früheren Z
Schlafzimmer, habe liegen lassen und bitte dich nun mir dieselben sobald wie
möglich zu schicken, damit sie niemand anders in die Hände fallen. Gieb sie
keinem zu lesen, ob du sie selber lesen willst, ist mir nicht
gleichgültig, doch überlasse ich es dir. Was ich darin verbrochen habe, ist
verziehen; es kann mir niemand einen Vorwurf daraus machen, als höchstens ich
mir | selber. –
Was
den Journalisten anbetrifft so werde ich mir die Sache überlegen, nur möchte
ich dich bitten, meine Pla Anerbieten als Landwirt und Oekonom
des Schlosses bei Willi’sWilliam Wedekind, der eine kaufmännische Ausbildung in Yverdon und Lausanne erworben hatte, war seit dem 23.4.1886 in New York. allfälliger/m/eventuellem. Ausbleiben sowol bei Mama als auch den
andern zu unterstützen, doch nur soweit als es deine eigenen Pläne nicht
kreuzt. Es ist schon in Livornovor der Wiederaufnahme des Schulbesuchs hatte Donald Wedekind kurzzeitig eine kaufmännische Lehre in Livorno begonnen. so eine gewisse Lust in mich gekommen mit
Ertrag, mit wirklich sichtllichen Ertrag und Anstrengung zu arbeiten und
dieser Sucht, die ja gewiss eine Nützliche ist, muss Genüge geleistet werden,
wenn ich nicht versumpfen soll. Du kannst dir kaum denken, wie wol ich mich die
letzten Tage fühlte, wie ich sah, dass ich mich einigermassen nützlich machen
konnte und dass man etwas von meinenSchreibversehen, statt: meinem. Rat Gebrauch mach|
machteSchreibversehen; Silbenwiederholung beim Seitenwechsel.. Gerade solche Sachen wie Weinlese, Weinmachen, Studenankauf(schweiz.) Stude = Staude [vgl. Schweizerisches Idiotikon, Band 10, S. 1342]., Hof in
Ordnung halten, später auch Milchwirtschaft traue ich mir zu unter Mamas
Anleitung führen zu können. Meine Geschäftskenntniss würde gepaart mit Mamas Einsicht und Klugheit
ein gutes Resultat ergeben. Daneben könnte ich ja immer noch meineSchreibversehen, statt: meinen. Geist
bilden, wozu ja Papas reichhaltige Bibliothek genügend Material liefern würde.
Wie gesagt, wenn Willi kommt, ist er jedenfalls am besten dazu gei/e/ignet, kommt er aber nicht, so
liegt kein Grund vor, dass ich es nicht sein sollte. Du könntest dann ruhig
weiter studiren oder auch dich ganz der Schriftstellerei widmen, wozu ja dann
bei mir z/Mam/ma im Schloss genügend Platz wäre. | Was die VormundschaftDonald Wedekind benötigte bis zu seiner Volljährigkeit mit dem vollendeten 20. Lebensjahr (4.11.1891) einen männlichen Vormund.
anbetrifft, so wäre ich mit H. Dr FreiDer Bezirksarzt und spätere Schwiegervater von Armin Wedekind, Gottlieb Frey, aus dem Zürcher Vorort Hottingen., dem/n/ ja auch Mamma wünscht, sehr
zufrieden, da wir ihn doch kennen und Hami sein Schwiegersohn ist, hingegen,
ist mir jeder andere auswärtige auch willkommen, gegen jeden Lenzburger aber
protestire ich, was allerdings nicht viel nützen wird. Über die Vormundgeschichten magst du mir hie
und da schreiben, wenn sie in Gang sind, über die andern will ich nichts
wissen, da ein Brief verloren gehen könnte. Der mittlere Teil und das Ende
dieses Briefes ist auch an Mamma gerichtet. – Ich wünsche eine gute Weinlese
und einen leidlichen Ertrag. Den Schnaps kauft man am besten beim SchatzmannDer Kaufmann Friedrich Schatzmann betrieb in Lenzburg ein Spezereigeschäft..
Wenn Willi Nachricht von sich giebt, so schreib mir etwas weniges darüber.
Herzliche Grüsse an Mama, Mieze, die ich am besten nach StettinErika Wedekind besuchte im Herbst und Winter 1888/89 in Stettin die Familie von Josephine Brunnckow (Grabowerstraße 34, 2. Stock) [vgl. Adreß- und Geschäfts-Handbuch für Stettin 1889, S. 25], die sie 1887 während ihres halbjährigen Aufenthalts im Lausanner Pensionat Duplan kennengelernt hatte. In Stettin nahm sie Unterricht bei Hermann Kabisch, dem Direktor der Akademie für Kunstgesang, und trat erstmals öffentlich als Sängerin auf [vgl. Vinçon 2021, Bd. 2, S. 139; 319]. täte, doch nur
wenn sie mit Vergnügen geht, weil sonst der Erfolg zweifelhaft ist, an Mati
Emma, detta(ital.) ‚genannt‘, ‚alias‘; vermutlich Anspielung auf die geplante Hochzeit von Emma Frey und Armin Wedekind., Hami, Gustav, CarlDer Lenzburger Konservenfabrikant Gustav Henckell und sein Bruder, der Schriftsteller Karl Henckell, mit denen die Familie Wedekind befreundet war., Fischerein „Bediensteter auf Schloss Lenzburg“ [Vinçon 2021, Bd. 2, S. 68]., Carlinenicht identifiziert; auch: Caroline (so im nächsten Brief); im Kontext der Aufzählung vermutlich eine Angestellte auf Schloss Lenzburg., Annivermutlich eine Hausangestellte auf Schloss Lenzburg., an Frau EichenbergerZugeh- und Waschfrau auf Schloss Lenzburg.
und dich
D Wedekind