München, 21.I.1910.
Lieber Armin,
infolge unseres Bei Frank und Tilly Wedekinds Gastspiel am Lustspieltheater (Direktion: Josef Jarno) [vgl. Neuer Theater-Almanach 1910, S. 652] in Wien (15. bis 19.12.1909) kamen die Stücke „Musik“ (am 15., 16. und 19.12.1909) sowie „Der Kammersänger“ und „Zensur“ (zusammen am 17. und 18.12.1909) zur Aufführung [vgl. Tb]. Wedekind war vom 4. bis 21.12.1909 in Wien, Tilly Wedekind traf dort am 9.12.1909 ein [vgl. Tb]. und einer Menge ArbeitWedekind arbeitete nach seiner Rückkehr aus Wien dem Tagebuch zufolge an den beiden Einaktern „Mit allen Hunden gehetzt“ und „In allen Wassern gewaschen“ [vgl. KSA 7/II, S. 655-657], die er später in das Schauspiel „Schloß Wetterstein“ integrierte.
komme ich erst heute dazu, Deine freundlichen Zeilennicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Armin Wedekind an Frank Wedekind, 20.12.1909. zu beantworten und die
herzlichen Wünschevermutlich zu Neujahr 1910. ebenso herzlich zu erwidern. Mit Deinem Vorschlag bin ich
vollkommen einverstanden und freue mich schon sehr darauf, mit Dir über diese
Dinge sprechen zu können. Das Fatale ist die entsetzlich unleserliche Schrift, in
der die Tagebüchervom Vater Friedrich Wilhelm Wedekind; überliefert sind ein Tagebuch in drei Teilen (Teil 1: 1.4.1854 bis 14.12.1854; Teil 2: 15.12.1854 bis 27.11.1855; Teil 3: 27.11.1855 bis 2.1.1856) [vgl. AfM Zürich PN 169.1: 308], von dem hier die Rede sein dürfte. Außerdem ist ein Tagebuch für den Zeitraum vom 1.1.1861 bis 14.5.1861 in französischer Sprache überliefert, das sein Sohn später übersetzte [vgl. Die Wedekinds in Amerika. Das „Journal amoureux“ seines Vaters – übersetzt von Frank Wedekind. Hg. und mit einem Essay von Stephen Parker. Göttingen 2020, S. 109-215]. Frank Wedekind notierte am 20.2.1910 „Vaters Tagebuch gelesen“ [Tb] sowie am 21.2.1910 „Vaters Tagebuch zu Ende gelesen.“ [Tb] geschrieben sind. Ich habe deren drei, ich hatte nie mehr
und habe infolge der Schrift noch wenig darin gelesen. Von dem einen habe ich
nun eine Abschrift anfertigen lassen, die ich in den nächsten Tagen erhalten
werde. Sobald sie in meinen Händen ist, schicke ich Dir das Original zu. Ebenso
denke ich es mit den andern beiden zu machen. Selbstverständlich habe ich
nichts dagegen, daß Du sie behältst und würde Dich dann nur darum bitten, auch
mir das Material gelegentlich zugänglich zu machen, das Du in Händen hast. In
Wien haben wir sehr angestrengt gearbeitet, während unsere KleinePamela Wedekind war mit dem Kindermädchen zu Tilly Wedekinds Eltern nach Graz gefahren, musste aber wegen einer Erkrankung des Kindermädchens abgeholt werden [vgl. Tb, 20.12.1909]. Die Großmutter Mathilde Newes unternahm während des Aufenthalts ihrer Enkelin einen Selbstmordversuch [vgl. Tb, 10.12.1909]. derweil bei
den Großeltern in Graz war. Jetzt bin ich eben beim dritten ActDie Tragödie „Mit allen Wassern gewaschen“ (1910), der spätere dritte Akt des Schauspiels „Schloß Wetterstein“ (1911). Wedekind begann die Arbeit daran am 30.12.1909 und schloss sie am 5.4.1910 ab [vgl. KSA 7/II, S. 656f.]. eines
abendfüllenden Stückes, das mich aber noch einige Monate beschäftigen wird. In
vierzehn Tagen sollen wir zu einem mehrtägigen Gastspiel nach DüsseldorfFrank Wedekind war dem Tagebuch zufolge am 6.2.1910 („Abfahrt nach Düsseldorf“) von Berlin zu einem Gastspiel in „Zensur“ und „Totentanz“ (14. und 15.2.1910) sowie „Hidalla“ (16. und 17.2.1910) vom 14. bis 17.2.1910 am Lustspielhaus (Direktion: Gustav Charlé) [vgl. Neuer Theater-Almanach 1910, S. 389] nach Düsseldorf gereist und von dort am 18.2.1910 wieder abgereist („Fahrt in der Dämmerung nach Köln und von dort per Schlafwagen nach München“); Tilly Wedekind reiste am 9.2.1910 zum Gastspiel in Düsseldorf an (mit der Tochter Pamela).
fahren.
Ich hoffe,
daß es Dir und Deinen Lieben gut geht. Sage bitte Emma und den Kindern die
herzlichsten Grüße von Tilly und mir und sei selber bestens gegrüßt von Deinem
treuen Bruder
Frank.