Postkarte
An
Herrn Karl Kraus
in Wien IV
Wohnung (Straße und Hausnummer) Schwindtgasse 3. |
Lieber Herr Kraus! Ich habe eben die Fackel durchgelesendas „Fackel“-Heft vom 11.12.1905 (siehe unten). und
bitte Sie um die Freundlichkeit, die schöne PhilosophinBerthe Marie Denk, von der Wedekind zuletzt vor etwa einem Monat gehört hatte [vgl. Berthe Marie Denk an Wedekind, 12.11.1905]. Karl Kraus nimmt die Formulierung in seiner Antwort auf, womit sie sicher identifiziert ist [vgl. Karl Kraus, Berthe Marie Denk an Wedekind, 16.12.1905]. Wedekind dürfte durch den Artikel „Geld“ (siehe unten), ein an eine „verehrte Frau“ gerichteter offener Brief, charakterisiert als eine „Philosophie des Geldes“ [Die Fackel, Jg. 7, Nr. 190, 11.12.1905, S. 11] zu der Bezeichnung ‚schöne Philosophin‘ inspiriert worden sein. von mir zu grüßen, wenn
Sie sich vielleicht noch gelegentlich meiner erinnern sollte. Die Vorurteile
von Fridellder entsprechend betitelte Artikel von Egon Friedell [vgl. Egon Friedell: Vorurteile. In: Die Fackel, Jg. 7, Nr. 190, 11.12.1905, S. 4-11], der „am Beispiel [...] fremder Länder [...] aus Sekundärurteilen und Phantasie geschöpfte Vorurteile“ [Nottscheid 2008, S. 155] behandelt. finde ich entzückend. Zur richtigen Beurteilung von „Geld“unter Pseudonym veröffentlichter Artikel [vgl. Lucianus: Geld. In: Die Fackel, Jg. 7, Nr. 190, 11.12.1905, S. 11-14], dessen Verfasser der mit Karl Kraus befreundete Journalist Karl Hauer war [vgl. Kraus 1920, S. 117]. fehlt
mir die nötige Ruhe und Sachlichkeit.
Mit herzlichstem Gruß
Ihr
Fr.W.
Mit wem waren Sie denn in RomKarl Kraus war mit Berthe Marie Denk in Rom; sie hat Wedekind unmittelbar vor ihrem Aufbruch nach Italien von ihrer anstehenden Reise geschrieben [vgl. Berthe Marie Denk an Wedekind, 5.9.1905] und sich nach ihrer Rückkehr von dieser Reise zurückgemeldet [vgl. Berthe Marie Denk an Wedekind, 22.9.1905]. Wedekind konnte ahnen, dass sie die Begleiterin von Karl Kraus war, denn dieser hat im „Fackel“-Beitrag von Egon Friedell (siehe oben) eine auf seine Italienreise im Herbst 1905 hinweisende Fußnote gesetzt: „Hier erlaubt sich der Herausgeber zu bemerken, daß er am Ende dieses Sommers mit Italien ganz ähnliche Erfahrungen gemacht hat.“ [Die Fackel, Jg. 7, Nr. 190, 11.12.1905, S. 7]?