Hochgeehrter Herr Hofrat,
einzig und allein der Umstand, daß ich immer wieder von
München abwesendWedekind, der ein Foto von sich nach Köln zu schicken angekündigt hatte [vgl. Wedekind an Johannes Fastenrath, 22.3.1905], war seitdem fast ständig auf Gastspielreisen – in Nürnberg (23. bis 31.3.1905), Stuttgart (13. bis 19.4.1905), Berlin (23. und 24.4.1905), wiederum in Nürnberg (25. bis 28.4.1905) und nochmals in Berlin (10. bis 13.5.1905) [vgl. Tb]. war, läßt mich so spät dazu kommen, Ihnen, wie Sie mir gütigst
erlaubt haben, mein BildDie Beilage, ein Foto Wedekinds, ist nicht überliefert. zu schicken. Glauben Sie mir, daß ich die Ehre hoch zu
schätzen weiß, InSchreibversehen, statt: in. | Ihrem herrlichen KünstlerheimDas Schriftstellerpaar Johannes Fastenrath und Louise Fastenrath (geb. Goldmann) lebte in einer 1901 im Stil der Zeit errichteten Villa in Köln (Neumarkt 3). Wedekind war bei ihnen eingeladen [vgl. Wedekind an Johannes Fastenrath, 14.3.1905] und am 17.3.1905 bei ihnen zu Gast gewesen: „Abends bei Johannes Fastenrath.“ [Tb] unter unseren Mitkämpfern die
Sie dort schon vereinigt haben, einen bescheidenen Platz zu finden. In Berlin
habe ich inzwischen auch in Hanns von KalenbergHelene von Monbart (1908 nach ihrer Heirat Helene Keßler), für ihre erotischen Themen bekannte Schriftstellerin in Berlin-Steglitz (Kantstraße 17) [vgl. Kürschners Deutscher Literatur-Kalender auf das Jahr 1905, Teil II, Sp. 946], schrieb unter dem Pseudonym Hans von Kahlenberg. Sie war unter den Personen, in deren Begleitung Wedekind am 24.4.1905 in Berlin einen Konzertabend verbrachte: „Abends Konzert in der Philharmonie mit [...] Hans von Kahlenberg“ [Tb]. eine der liebenswürdigsten Damen
kennen gelernt, die mir bis jetzt in der Schriftstellerwelt begegnet | sind. Wir
tauschten unsere schönen ErinnerungenWedekind war auf Einladung der Literarischen Gesellschaft in Köln, deren 1. Vorsitzender Johannes Fastenrath war [vgl. Kürschners Deutscher Literatur-Kalender auf das Jahr 1905, Teil I, Sp. 26], am 17.3.1905 zu einer Lesung in Köln gewesen: „Literarische Gesellschaft in Köln. Freitag den 17 März 1905 abends Punkt 8 Uhr im großen Saale des Gürzenichs: Frank Wedekind aus München Vortrag eigener Dichtungen. Nach dem Vortrage gemütliches Zusammensein im Stimmsale des Gürzenichs“ [Kölnische Zeitung, Nr. 269, 14.3.1905, Mittags-Ausgabe, S. (4)], Hans von Kahlenberg am 22.1.1904: „Literarische Gesellschaft in Köln. Freitag den 22. Januar 1904 abends 8 Uhr, im großen Saale des Gürzenichs: Hans von Kahlenberg (Helene von Monbart-Berlin) Vortrag eigener Dichtungen. Nach dem Vortrage gemütliches Zusammensein im Stimmsaale.“ [Kölnische Zeitung, Nr. 62, 19.1.1904, Mittags-Ausgabe, S. (4)] an Kölln gegenseitig mit großem Vergnügen
aus. Ebenso erging es mir hier vor einigen Tagen mit Herrn Regisseur DalmonicoKarl Dalmonico, Lehrer an der Münchner königlichen Akademie der Tonkunst und Regisseur am Münchner Hoftheater [vgl. Neuer Theater-Almanach 1905, S. 499], lebte seinerzeit noch in München (St. Annaplatz 4) [vgl. Adreßbuch von München für das Jahr 1905, Teil I, S. 73], trat dann aber am 1.7.1905 eine Stelle als Oberregisseur des Schauspiels am Stadttheater Leipzig an. In jungen Jahren 1872/73 als Schauspieler am Stadttheater in Köln tätig gewesen, war er am Kölner Stadttheater von 1897 [vgl. Neuer Theater-Almanach 1898, S. 333] bis 1903 Oberregisseur [vgl. Neuer Theater-Almanach 1903, S. 310]. Er hat in dieser Zeit mit Johannes Fastenrath und der Literarischen Gesellschaft in Köln zusammengearbeitet – so zum Beispiel bei einer am 19.1.1899 von der Literarischen Gesellschaft veranstalteten „Festlichkeit“ zugunsten eines „zu errichtenden Gustav Freytag-Denkmals“ bei der Programmgestaltung: „Der weibliche Don Juan, spanisches Lustspiel in 1 Act von Manuel Bréton, deutsch von Johannes Fastenrath, dargestellt von den Mitgliedern des Kölner Stadt-Theaters [...] unter Leitung des Oberregisseurs vom Kölner Stadt-Theater Herrn Karl Dalmonico“ [Kölnische Zeitung, Nr. 47, 17.1.1899, Abend-Ausgabe, S. (4)] – oder am 17.1.1900 bei einen großen Jubiläumsveranstaltung: „Anläßlich des 500-jährigen Geburtstages Calderons, des großen spanischen Dramatikers, veranstaltet die Litterarische Gesellschaft in Köln [...] einen Festabend“, auf dem „der Vorsitzende der Litterarischen Gesellschaft, Herr Hofrath Dr. Johannes Fastenrath, einer der besten Kenner der spanischen Litteratur, die Festrede“ gehalten hat und ein Programmpunkt „die Schlußscene des 3. Aktes aus Calderons ‚Das Leben ein Traum‘ vorgetragen von Herrn Oberregisseur Dalmonico“ [Calderon-Feier. In: Rheinischer Merkur, Jg. 23, Nr. 13, 17.1.1900, S. (3)] war.
Darf ich Sie bitten, Herr Hofrat, Ihrer Frau Gemahlin meine
ergebenste Empfehlung | aussprechen zu wollen und den Ausdruck größter
Verehrung entgegenzunehmen von Ihrem
Frank Wedekind.
München 25.V.5.