Kennung: 4278

München, 1. Oktober 1904 (Samstag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Durieux, Tilla

Inhalt

Geehrtes Fräuleinvermutlich Tilla Durieux, mit der Wedekind sich bereits über Lieder ausgetauscht und ihr ein Lied wohl von sich übersandt hatte, wie er am 12.7.1904 notierte: „Brief an Tilla Durieux. [...] Lieder an [...] Frl. Durieux geschickt.“ [Tb] Tilla Durieux lebte inzwischen als Schauspielerin in Halensee bei Berlin (Kurfürstendamm 125) [vgl. Neuer Theater-Almanach 1905, S. 292], war am Neuen und Kleinen Theater (Direktion: Max Reinhardt) in Berlin engagiert, war aber auch Partnerin von Rudolf Bernauer und Carl Meinhard im literarischen Kabarett Die Bösen Buben [vgl. Budzinski/Hippen 1996, S. 27, 39]. Sie trat am 24.11.1904 dort erstmals in einem „Verbrecherterzett“ auf: „Rudolf Bernauer und Carl Meinhard, die Erfinder all dieser Bösen Buben-Streiche, sangen und mimten mit Tilla Durieux die herbe spottenden Verse mit prachtvollem Humor“ [Die Bösen Buben. In: Berliner Tageblatt, Jg. 33, Nr. 601, 25.11.1904, Abend-Ausgabe, S. (2)].,

zu meinem Bedauern kann ich Ihrer liebenswürdigen Einladungnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Tilla Durieux an Wedekind, 27.9.1904. Die Schauspielerin dürfte Wedekind im Zusammenhang mit dem literarischen Kabarett Die Bösen Buben (siehe oben) eingeladen haben, einen Liedtext vermutlich zu dem Lied „Die Triller-Camilla“ (siehe unten) zu verfassen. nicht folgenEs folgt ein öffnendes Einfügungszeichen, das den Beginn des auf der Gegenseite notierten Alternativtextes markiert. und da ich nicht die geringste Begabung dazu besitze, Texte auf fremde Musik zu schreiben und michEs folgt ein schließendes Einfügungszeichen, das das Ende des auf der Gegenseite notierten Alternativtextes markiert. und da mir die Begabung völlig fernliegt, Texte für fremde Musik zu schreiben und ich mich bisher auch nie mit diesem Handwerk befaßt habe, muß ich Sie bitten, die Kompositionen gelegentlich wieder bei mir abholen zu lassen.

Hochachtungsvoll ergebenst
F.W.


Inliegend die Karte von Frau N.nicht identifiziert; Zusammenhang nicht ermittelt. |

[...]

Camilladas Lied „Die Triller-Camilla“ [vgl. Tilla Durieux an Wedekind, 10.10.1904], zu dem Rudolf Bernauer Jahre später einen Liedtext mit drei Strophen veröffentlichte [vgl. Rudolf Bernauer: Lieder eines bösen Buben. Berlin (1907), S. (31-32)]; er habe Leo Fall mit der Komposition der Noten zu seinem Lied beauftragt, ihm einen Text probeweise mitgegeben, um ihn dann als Musiker und Komponist für die Bösen Buben (siehe oben) zu engagieren: „Am nächsten Tag kam er wieder. Er hatte meine ‚Triller-Camilla‘, die ulkig-traurige Geschichte einer in ihren Klavierlehrer verliebten Schülerin, mit virtuosem Einfall unter Liszts zweite Rhapsodie gelegt. Dabei brauchte ich keine Silbe zu ändern.“ [Bernauer 1955, S. 125]
RapsodieSchreibversehen, statt: Rhapsodie. Gemeint ist ein von Franz Liszt komponiertes Klaviersolo, die Ungarische Rhapsodie (Rhapsodie Hongraise) Nr. 2 in cis-Moll; sie bildete melodisch für das Lied „Die Triller-Camilla“ (siehe oben) die Grundlage.
Hongraise(frz.) Ungarische.

[...]

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 2 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Bleistift.
Schriftträger:
Papier. Kalenderblatt. 7 x 13,5 cm.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Der Briefentwurf, auf dessen Grundlage ein vermutlich mit ausführlicherem Wortlaut verfasster Brief geschrieben und abgesandt worden sein dürfte, ist auf das Rücksatzblatt [Blatt 95v] von Wedekinds zweitem Halbjahreskalender 1904 (1.7.1904 bis 31.12.1904), einem Taschenkalender, geschrieben, der Alternativtext einer Passage mit offenbar zugehörigen Stichworten zum Lied „Die Triller-Camilla“ (hier wiedergegeben) auf die rechts gegenüberliegende Seite (Buchdeckelinnenseite hinten) [Blatt 96r]; darüber stehen Name und Adresse von Kurt Martens („Martens Düllstrasse 5.“) sowie darunter nochmals Name und Adresse des Freundes („Kurt Martens Düllstr. 5.0“), beide Adressnotizen zu Kurt Martens in München (Düllstraße 5, Parterre) [vgl. Adreßbuch von München für das Jahr 1904, Teil I, S. 430] wohl in anderem Zusammenhang festgehalten.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Der 1.10.1904 ist als Ankerdatum gesetzt – ein mögliches Schreibdatum. Der Briefentwurf ist seiner Niederschrift im zweiten Halbjahreskalender 1904 zufolge zwischen dem 1.7.1904 und 31.12.1904 verfasst worden, wobei die Notizen in seinem unmittelbaren Kontext in Verbindung mit seinem Inhalt – Wedekind wurde um einen Liedtext zu einer ihm zugegangenen Komposition gebeten, was er zurückweist – nähere Datierungshinweise geben. Die spezifische Notiz zu dem Lied „Die Triller-Camilla“ (siehe Sacherläuterungen) verweist auf einen Brief der seinerzeit in Rudolf Bernauers und Carl Meinhards Berliner Kabarett Die Bösen Buben auftretenden Tilla Durieux, in dem sie ihm schrieb, das Lied „Die Triller-Camilla“ sei melodisch jeweils von verschiedenen Kapellmeistern auf der Grundlage eines Klaviersolos von Franz Liszt, der Ungarischen Rhapsodie Nr. 2 in cis-Moll, variiert worden [vgl. Tilla Durieux an Wedekind, 10.10.1904].

  • Schreibort

    München
    1. Oktober 1904 (Samstag)
    Ermittelt (unsicher)

  • Absendeort

    München
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Halensee
    Datum unbekannt

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
L 3511
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Tilla Durieux, 1.10.1904. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (23.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

31.10.2024 13:21