Königreich Bayern
Postkarte
Herrn
Frank Wedekind
Berlin N.W. Elite Hotel
Bahnh.
Friedrichstr.
Abs: Wedekind München.
Prinzregentenstr. 50
4.6.16.
Innigst Geliebter,
herzlichsten Dank für Deine liebe Kartevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 2.6.1916.! Ich fahre also
Dienstagder 6.6.1916. Früh um 8 u. bin | um 6.50um 18.50 Uhr. Wedekind, der seine Frau am Anhalter Bahnhof in Berlin abholte, notierte am 6.6.1916: „Ich hole Tilly vom Bahnhof ab. Abendessen im Hotel.“ [Tb] in Berlin. Aber wenn Du spät von der Probe
kommst, ist es wohl besser Du kommst nicht zum Bahnhof. Ich werde mich schon zurechtfinden u. wir sehen uns dann im Hotel. –
Gestern war ich im „Götz“; die AufführungTilly Wedekind besuchte die Vorstellung von Goethes Schauspiel „Götz von Berlichingen“ (1773) am 3.6.1916 um 19.30 Uhr (Ende gegen 23.30 Uhr) in den Münchner Kammerspielen, ein Gastspiel des Schauspielerehepaars Friedrich Kayßler (in der Titelrolle) und Helene Fehdmer (als Elisabeth) von den Berliner Bühnen unter der Direktion von Carl Meinhard und Rudolf Bernauer (Berliner Theater, Theater in der Königgrätzer Straße, Komödienhaus) [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1917, S. 282]: „Gastspiel Friedrich Kayßler und Helene Fehdmer“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 69, Nr. 281, 3.6.1916, General-Anzeiger, S. 2]. In der Presse war zur Premiere (23.5.1916) bemerkt: „Friedrich Kayßler hat der Aufführung des Goetheschen Werkes eine eigene Bearbeitung zu Grunde gelegt die um sie kurz zu charakterisieren, vorwiegend den praktischen Bedürfnissen des Darstellers Rechnung trägt. [...] Das letzte Wort behält ja auf der Bühne der Darsteller. Und vermag er, wie Kayßler, das Stück zu tragen, so kann er sich gern aus den unterschiedlichen Büchern einen Text zurechtlegen, der die Rolle ergiebig macht. [...] Wo Frau Fehdmers Elisabeth wandelte, war freundliche Sonne und Geborgenheit. [...] Als Ganzes ließ sich, bei vielerlei Problematischem, der Abend interessant an, vor allem, weil er zusammengehalten ward durch Kayßlers Leistung. [...] Umso bemerkenswerter erscheint das Interesse, das ein dichtbesetztes Haus bis halb 12 Uhr zu fesseln vermochte und nicht ermüden ließ in Beifall und Anteil.“ [Richard Elchinger: Götz von Berlichingen. Gastspiel Kayßler in den Kammerspielen. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 69, Nr. 264, 24.5.1916, Abend-Ausgabe, S. 2] ist viel besser als man behauptete,
Kaysler u. Fehdmer sehr gut! Heute VormittagTilly Wedekind besuchte mit ihren Töchtern Pamela und Kadidja am 4.6.1916 von 11.15 bis 12.30 Uhr im Münchner Schauspielhaus eine Veranstaltung „Deutsche Liederspiele von Theresa Roth mit ihren Schülern u. Schülerinnen“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 69, Nr. 283, 4.6.1916, General-Anzeiger, S. 2], die angekündigt war: „Sonntag, 4. Juni, 11¼ Uhr, findet im Schauspielhaus eine musikalische Morgenaufführung ‚Deutsche Liederspiele‘ von Teresa Roth mit ihren Schülern und Schülerinnen statt. Am Klavier: Michael Raucheisen.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 69, Nr. 288, 2.6.1916, Abend-Ausgabe, S. 3] Das Programm: „Deutsche Liederspiele veranstaltet Teresa Roth mit ihrer Schar kleiner Schüler und Schülerinnen [...] zu volkstümlichen Preisen im Schauspielhaus. In sieben Bildern – Mutter und Kinder gedenken des Vaters im Felde; Frühlinglust; Was die Kinder beschäftigt; Von Blumen und Schmetterlingen; Schöne Sachen fürs Kind; Wir spielen Soldaten; Wenn die Landwehr kommt“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 69, Nr. 283, 4.6.1916, S. 5]. Die Konzertsängerin Therese Roth (Sendlingerstraße 55) [vgl. Adreßbuch für München 1917, Teil I, S. 590] betrieb als Gesangspädagogin (gemeinsam mit dem Komponisten Wilhelm Müller) eine Sing- und Tanzschule „Prof. Wilhelm Müller’s Kinderlieder-Sing- und Spielkurs / Leitung: Therese Roth“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 68, Nr. 506, 3.10.1915, Morgenblatt, S. 7 war im Schausp.H. eine musik. ryth. Aufführung.
Frl. Roth
mit Knaben u. Mädchen. Ich war mit den beiden Kindern, es war sehr hübsch! Sie schicken
Dir viele Küsse. Wie denkst Du über Dein Zimmerin der Wohnung Prinzregentenstraße 50 (3. Stock), über den Vorschlag, es neu zu tapezieren [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 31.5.1916].? Innigst
Deine Tilly