Fluntern, d. 12.II.86.
Mein lieber Franklin!
Vielen Dank für Deinen Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Frank Wedekind an Armin Wedekind, 11.2.1886. sammt Inlagedas unten genannte „Bild“ und vermutlich die im letzten Briefe erbetenen weiteren Proben der gemeinschaftlichen „Muse“ Frank Wedekinds und Walter Laués. . Es war
eine sehr angenehme Ueberraschung, die Du mir da bereitet hast und ich sah mich
wieder in die glücklichen Zeiten versetzt, an die ich, seit ich sie genossen so
oft sehnsüchtig zurückgedacht. –
Was die Büstedas Geschenk zu Friedrich Wilhelm Wedekinds 70. Geburtstag am Sonntag, den 21.2.1886. Es handelte sich vermutlich um einen der weitverbreiteten Abgüsse der Büste des Hermes von Olympia (um 340 v. Chr., Praxiteles zugeschrieben). betrifft, so habe ich mich für den Hermes
entschieden und ihn bestellt. Er kommt von Berlin und es ist deshalb noch eine fatale Un|sicherheit, ob er im rechten Moment da ist. Man kann
sich auf Niemand verlassen; was der Eine in dem Geschäftdie Kunst- und Schreibmaterialienhandlung von Heinrich Appenzeller in Zürich (Rathausplatz 26). des Bestimmtesten
versichert, davon weiß
der andere gar nichts. Aber ich will Dich nicht in Deinem Opusdas im Entstehen begriffene Geburtstagsgedicht „UNSERM LIEBEN VATER DR. F. W. WEDEKIND zum siebzigsten Geburtstage DEN 21. FEBR. 1886“ [vgl. Frank Wedekind an Friedrich Wilhelm Wedekind, 20.2.1886; vgl. KSA 1/I, S. 205-235; KSA 1/II, S. 2109-2122], das Frank Wedekind verfasste und mit den Worten unterschrieb: „seine Söhne: A. Wedekind./B. Franklin/William. L.“ [KSA 1/I, S. 205] weiter durch
ängstliche Gedanken stören, hoffe ich doch des Bestimmtesten, daß Appenzeller
sein Versprechen hält, die Büste bis zum 18. hier zu haben. – Auch ich hatte
schon daran gedacht Papa Gedicht u Büste selber zu überreichen u da der Gedanke
Deine Zustimmung hat, so werde ich | dann MorgenSamstag, den 13.2.1886. 8 Tage heim reisen, die Kiste
als Gepäck mitnehmen und dann für eine schöne Aufstellung u DrapirungDekoration durch kunstvoll in Falten gelegten Stoff. sorgen, endlich Sonntag Morgen
Papa Dein Gedicht vortragen u die Büste überreichen. Eine Büste habe ich auf
jeden Fall, da mir App. eine andere für den Hermes bis dieser ankommt zur Verfügung
stellen würde. Immerhin hoffe ich, davon nicht Gebrauch machen zu müssen.
Letzten Montagden 8.2.1886. Eine Aufführung von Richard Wagners Oper „Die Walküre“ fand im Zürcher Actientheater (Direktion: Paul Schrötter) erstmals am 27.1.1886 statt; bis zum 15.4.1886 folgten 14 weitere Aufführungen „zumeist bei ausverkauftem oder bestbesetztem Hause“ [Neue Zürcher Zeitung, Jg. 68, Nr. 24, 2. Blatt, 24.1.1888, S. 2]. war ich mit Mama hier in der –
Walküre. Natürlich war die Vorstellung gegen MünchenFrank Wedekind hatte am 11.3.1885 eine Aufführung der „Walküre“ am Königlichen Hoftheater in München besucht [vgl. Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 12.3.1885]. einfach in allen Stücken
unzulänglich. | Dennoch war es eine Aufführung, die dem Zürcher Theater alle
Ehre macht. Mama war vom Genre nicht befriedigt, immerhin aber recht erfreut,
von der Sache einen
Begriff bekommen zu haben.
Im Uebrigen ist nichts zu melden. Dem Eissport
huldige ich jetzt ein Wenig u setze dabei Bekanntschaften aus dem
Klebsschen Gesellschaftsabendvermutlich bei Edwin Klebs, Professor für Pathologie an der Universität Zürich (Plattenstraße 14) [vgl. Adressbuch der Stadt Zürich für 1886, Teil I, S. 163]. fort. Eine der angenehmsten davon ist die von
Frl. Kinkelmöglicherweise eine Tochter des Altphilologen und Custos der Kupferstichsammlung Prof. Dr. Gottfried Kinkel (Tonhallestraße 8) [vgl. Adressbuch der Stadt Zürich für 1886, Teil I, S. 162].,
einer Dame mit antik schönen Zügen u viel Geist. Leider fehlt mir die Zeit, mich solchen Genüssen mehr
zu widmen.
Nochmals viel Glück zum Werk! Vielen Dank für das
Bildvermutlich die Fotografie einer hier nicht ermittelten gemeinsamen Bekannten; zugleich die oben genannte Beilage., dessen Original Du vielleicht einen frdl. Gruß ausrichtest, ebenso an dero Familie.
Mit vielen herzlichen Grüßen an Dich selbst
Dein tr. Armin.
[auf Seite 1 um 90 Grad gedreht am linken Rand:]
Ich
möchte Dich bitten, das Gedicht selber zu schreiben. Wenn ich es einigemal gelesen werde
ich es gut vortragen können. Ich habe beinahe keine Zeit dazu.