Postkarte
I.H
Frau Tilly Wedekind
München
Prinzregentenstrasse 50
16.4. 16.
Innigst geliebte Tilly! Eben erhalte ich Deine Kartedie auf den 14.4.1916 datierte Postkarte [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 14.-15.4.1916]. vom 14.
Ich habe außer Mittwoch und Donnerstag, wo ich noch gar keine Nachricht von Dir hatte jeden Tag an Dich geschrieben. Offenbar
braucht ja die Post zwei Tage. Gestern nachdem ich Dir eben geschriebenvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 15.4.1916. hatte
traf ich | RathenauWedekind notierte am 15.4.1916: „Treffe Rathenau auf der Potsdamer Straße.“ [Tb] auf der Potsdamer Straße und werde heute AbendWedekind notierte am 16.4.1916: „Abends [...] bei Rathenau.“ [Tb] Maximilian Harden ist nicht bei Walther Rathenau (Königsallee 65 im Grunewald) [vgl. Berliner Adreßbuch 1916, Teil I, S. 2326] erschienen; er hatte abgesagt, sein Kommen aber doch in Aussicht gestellt [vgl. Maximilian Harden an Wedekind, 15.4.1916]. mit Harden
bei ihm sein. Mit BarnowskyWedekind notierte am 14.4.1916: „Unterredung mit Barnowsky wegen Erdgeist.“ [Tb] Er sprach mit Victor Barnowsky, Direktor des Berliner Lessingtheaters [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1917, S. 294], über eine mögliche „Erdgeist“-Inszenierung, die aber im Lessingtheater nicht zustande kam. geht die Sache gut aber noch keine Entscheidung. Es
wird mich sehr freuen wenn Fr. v. Wedel ein schönes Bild von
Dir macht (Ballet- oder LamiakostümTilly Wedekind trug in „Erdgeist“ und in „Die Zensur“ ein Ballettkostüm [vgl. Vinçon 2018, Bd. 2, S. 293], in „Der Stein der Weisen“ trug sie in der Rolle der Lamia ein kurzes Kleid, „das die Arme frei läßt“ [KSA 6, S. 256]. Ob Lida von Wedell sie so zeichnete, ist nicht ermittelt.. So ungeniert wie möglich!) Gestern war ich bis drei Uhr Mittags im MuseumWedekind notierte am 15.4.1916: „Bis drei Uhr in der Nationalgalerie“ [Tb]. „Die National-Galerie, östlich vom Neuen Museum an der Spree, [...] enthält Gemälde, Kartons, farbige Zeichnungen berühmter deutscher Maler und Plastiken angesehener Bildhauer des 19. Jahrhunderts. Im I. Geschoß befinden sich [...] die [...] deutschen Modernen. Im II. Geschoß [...] die Schulen aus der Mitte des Jahrhunderts. Im III. Geschoß die Bildwerke aus dem Anfang des vorigen Jahrhunderts, [...] ferner Gemälde moderner ausländischer Künstler“ [Berliner Adreßbuch 1916, Teil II, S. 312]..
Abends habe ich gearbeitet. Was am Theater sehenswürdig ist habe ich gesehen.
Kauf Dir die Zukunft und lies den Artikel „Mördergrube.“ Der kann uns den
Frieden bringenWedekind, der am 15.4.1916 notiert hat: „Abend im Pschorrbräu Hardens Mördergrube gelesen“ [Tb], las den Artikel „Die Mördergrube“, der das ganze aktuelle Heft der von Maximilian Harden herausgegebenen Zeitschrift „Die Zukunft“ einnimmt, mit Zitaten französischer und deutscher Pressestimmen zur Weltkriegslage durchsetzt ist und in dem es abschließend heißt: „Keinen Willensstrom wird unsere Sintfluth so lenzlich schwellen wie den Völkerdrang nach unerschütterbar fest in die Erde, den Herzenshimmel eingemauerten Frieden. […] Dieses Krieges Ziel muss Weltwende sein. Aus Indiens, Israels, Griechenlands Weisheitborn tränkte Jesus die Seele. Und der aus hundert Wundmalen blutende Heiland hat den Buddha, hat Jahwe und Platon besiegt.“ [Die Zukunft, Jg. 24, Nr. 28, 15.4.1916, S. 29-54, hier S. 54]. Mit Dr. Heine und HolitscherWedekind hat Carl Heine und Arthur Holitscher während seines gegenwärtigen Aufenthalts in Berlin nicht getroffen. bin ich
noch gar nicht zusammengewesen und werde das die nächsten Tage tun. Morgen
abend gehe ich mit Rathenau in den Klub 1914Wedekind notierte am 17.4.1916 seinen abendlichen Besuch in der Deutschen Gesellschaft 1914 (ohne Walther Rathenau zu erwähnen, traf er außer Max Reinhardt, Theodor Wolff, Erich Reiß und Walter von Rummel den Vorsitzenden des sogenannten Klubs, Wilhelm Solf): „Nachher Klub. Exz. Solf Reinhardt Theodor Wolff Erich Reiß Baron Rummel.“ [Tb] Wedekind hat die Räume der Deutschen Gesellschaft 1914 in Berlin (Wilhelmstraße 67), für die ihr Mitbegründer Walther Rathenau ihn als Mitglied gewonnen hat [vgl. Martin 1996, S. 132; vgl. Wedekind an Walther Rathenau, 5.10.1915], erstmals am 17.4.1916 aufgesucht und hielt sich seitdem bei seinen Besuchen in Berlin oft dort auf..
Grüße die Kinder und küsse sie von mir. Mit innigstem Kuß
Dein Frank