Kennung: 390

Dresden, 4. November 1897 (Donnerstag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Martens, Kurt

Inhalt

Sehr geehrter Herr Martens,

ich verstehe vollstäng/d/ig Ihre IntentionenHinweis auf ein nicht überliefertes Schreiben; erschlossenes Korrespondenzstück: Kurt Martens an Wedekind, 3.11.1897. und kann mich nur dadurch geehrt fühlen. Indessen werden Sie mir zugeben, dass es mir um vieles schwerer fallen wird, mit diesen GedichtenKurt Martens hatte Wedekind in seinem nicht überlieferten Schreiben (siehe oben) offenbar Gedichttitel genannt, die Wedekind bei seiner Lesung am 26.11.1897 in Leipzig (siehe unten) vortragen könnte. zu wirken. Ich hatte gehofft mit dem Vortrag des „GastspielsWedekind hatte „Das Gastspiel“, wie der ursprüngliche Titel seines Einakters „Der Kammersänger“ lautete [vgl. KSA 4, S. 323, 331], für die Lesung am 26.11.1897 in Leipzig (siehe unten) zum Vortrag vorgeschlagen [vgl. Wedekind an Kurt Martens, 28.10.1897].“ einen ganz bescheidenen, aber dafür wenigstens indiscutierbaren Erfolg davon zu tragen, der mir gegenwärtig sehr not thäte. Ich stehe fortwährend zwischen den zwei Eventualitäten, dem Publik/c/um etwas p/P/ractisches, Reinsachliches vorzulegen, worauf ich zur Antwort erhalte, es sei nichts aussergewöhnliches, oder dem Publik/c/um etwas Eigenartiges anzubieten, wonach man entgegen/ne/t: Er/s/ ist unbracu/uc/hbar, unaufführbar, es lässt sich nichts damit machen. Ich bedaure nur, Ihnen mein SonnenspectrumWedekind hatte sein Dramenfragment „Das Sonnenspektrum. Ein Idyll aus dem modernen Leben“ [KSA 3/I, S. 669-708] für die Lesung am 26.11.1897 in Leipzig (siehe unten) zum Vortrag vorgeschlagen [vgl. Wedekind an Kurt Martens, 28.10.1897]; es wurde nicht vorgetragen. nicht vorlesen zu können, das sich in intimem Kreise auch ganz gut vor Damen praesentiert, aber vor einer grösseren Gesellschaft stofflich unmöglich ist.

Wenn Sie mit/r/ nun in der Tat Gelegenheit bieten wollen, mich Ihrem geschätzten Publik/c/um ganz zun zeigen, so möchte ich Ihnen folgendes Programm vorschlagen.

I Scenen aus Frühlings Erwachen.

Ich würde diejenigen Scenen wählen, die sich um den Selbstmord des GymnasiastenMoritz Stiefel, auf dessen Suizid mehrere Szenen im 2. und 3. Akt von „Frühlings Erwachen“ (1891) reflektieren, bevor er in der letzten Szene III/7 auf dem Kirchhof als Toter in Erscheinung tritt [vgl. KSA 2/, S. 316-322]. gruppieren, weil die doch wol dem grössten Interesse begegnen dürften. 8/I/ch kann S/s/ie Ihnen augenblicklich noch nicht bezeichnen, da ich kein Exempzur/pla/r zur Hand habe. Seien Sie sicherhandschriftlich korrigiert aus: Siesicher., dass ich alles Anstössige vermeiden würde.

II GedichteWedekind rezitierte bei seiner Lesung am 26.11.1897 in Leipzig (siehe unten) sieben Gedichte, die alle in der Sammlung „Die Fürstin Russalka“ (1897) abgedruckt waren: „Eroberung“ [vgl. KSA 1/II, S. 1515f.], „Kathja“ [vgl. KSA 1/I, S. 946], „Franciscas Abendlied“ [vgl. KSA 1/II, S. 1599f.], „Christine“ [vgl. KSA 1/I, S. 1110], „Sieben Rappen“ [vgl. KSA 1/II, S. 1370], „Der Tantenmörder“ [vgl. KSA 1/II, S. 1287f.] und „Erdgeist“ [vgl. KSA 1/II, S. 1505, 1507]. und zwar die von Ihnen ausgewählten, eventuell auch die Sieben Rappen; die Gedichte würde ich natürlich frei vortragen.

III. Aus dem Gastspiel die Scene: Gerardo, Helenedie 9. Szene mit dem Dialog zwischen dem Kammersänger Gerardo und Frau Helene Marowa [vgl. KSA 4, S. 33-44], an deren Ende sie sich das Leben nimmt, der dramatische Höhepunkt des Einakters „Der Kammersänger“ (1899)..

IV Rabbi EsraWedekind hatte seine Erzählung „Rabbi Esra“ [KSA 5/1, S. 214-218] für die Lesung am 26.11.1897 in Leipzig (siehe unten) zum Vortrag vorgeschlagen [vgl. Wedekind an Kurt Martens, 28.10.1897]. (frei vorgetragen, was ich Sie aber bitten würde, auf dem Programm nicht zu bemerken.) |

Die Zeit, D/d/ie Sie mir zur Verfügung stl/e/llen, würde damit nicht überschritten.

Das Programmzu Wedekinds Lesung am 26.11.1897 in Leipzig, veranstaltet von der Literarischen Gesellschaft, die unspezifisch annonciert war: „Dichtungen von Frank Wedekind, vorgetragen vom Dichter“ [Leipziger Tageblatt, Jg. 91, Nr. 603, 26.11.1897, Morgen-Ausgabe, S. 8687]; detaillierter wurde angekündigt: „In der Literarischen Gesellschaft in Leipzig, deren erster Gesellschafts-Abend nächsten Freitag, den 26. d. M., pünctlich 8 Uhr im oberen Saale des Hotel de Pologne stattfindet, wird zunächst der Kunsthistoriker Georg Fuchs einen Vortrag über die junge Bewegung im Kunstgewerbe halten [...]. Im zweiten Theile des Abends wird der Dichter Frank Wedekind Scenen der Kinder-Tragödie ‚Frühlings-Erwachen‘, sowie Einiges aus seiner grotesk-komischen Lyrik recitiren.“ [Leipziger Tageblatt, Jg. 91, Nr. 599, 24.11.1897, Morgen-Ausgabe, S. 8636] würde also für den Fall, dass Sie es jetzt schon nötig haben, das beiliegendeDie Briefbeilage, ein von Wedekind offenbar noch einmal zusammengestelltes Programm für die Lesung in Leipzig (siehe oben), ist nicht überliefert. sein.

Damit empfehle ich mich Ihnen bestens und bin in vorzüglicher Hochschätzung Ihr

Frank Wedekind.
Walpurgisstr. 14.


Dresden, 4.11. (oder VI.?)nicht Teil der Briefabschrift, sondern entsprechend in Klammern gesetzte Datierungsunsicherheit (4.11.1897 oder 4.6.1897) wohl wegen Unklarheit des grafischen Befunds im verschollenen Originalbrief. Juni („VI.“) kommt aber dem Briefinhalt zufolge nicht in Frage.97.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 1 Blatt, davon 2 Seiten beschrieben

Schrift:
Maschinenschrift.
Schreibwerkzeuge:
Schreibmaschine.
Schriftträger:
Papier. 20 x 26 cm.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Der Brief ist nur als maschinenschriftliche Abschrift überliefert (mit Sofortkorrekturen mit Schreibmaschine sowie in Bleistift ausgeführten handschriftlichen Korrekturen). Diese Abschrift hat der Georg Müller Verlag am 14.1.1924 an Fritz Strich (Herausgeber der „Gesammelten Briefe“ Wedekinds) geschickt, wie aus dem Begleitschreiben hervorgeht: „Sehr geehrter Herr Professor! Ein Regierungsrat Wolfgang Götz übersandte uns die Abschrift eines Briefes Wedekinds an Martens vom 4.11.79 [recte: 97], der wie wir feststellten in Ihrer Sammlung noch nicht enthalten ist. Eine Abschrift übermitteln wir Ihnen in der Anlage und geben Ihnen anheim diesen Brief noch im Anhang aufzunehmen.“ [Burgerbibliothek Bern, N Fritz Strich 6: Korrespondenz Kurt Martens] Im Nachlass des Schriftstellers und Journalisten Wolfgang Goetz (Akademie der Künste zu Berlin), der eine umfangreiche Autografensammlung besaß, ist Wedekinds handschriftlicher Originalbrief nicht enthalten.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Der 4.11.1897 ist als Ankerdatum gesetzt – das Schreibdatum, wie der Briefinhalt in Verbindung mit der vorangehenden und nachfolgenden Korrespondenz Wedekinds mit Kurt Martens belegt.

  • Schreibort

    Dresden
    4. November 1897 (Donnerstag)
    Ermittelt (sicher)

  • Absendeort

    München
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    München
    Datum unbekannt

Informationen zum Standort

Burgerbibliothek Bern

Münstergasse 63
3000 Bern
Schweiz

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Fritz Strich
Signatur des Dokuments:
N Fritz Strich 6 (17)
Standort:
Burgerbibliothek Bern (Bern)

Danksagung

Wir danken der Burgerbibliothek Bern für die freundliche Genehmigung der Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Kurt Martens, 4.11.1897. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (03.12.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Mirko Nottscheid

Überarbeitet von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

23.09.2024 14:57