Kennung: 3848

Berlin, 8. Dezember 1907 (Sonntag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Wolff, Theodor
  • Berliner Tageblatt, (Zeitung)

Inhalt

[1. Abgesandter Brief:]


Sehr geehrter Herrder Chefredakteur des „Berliner Tageblatt“ – de facto war das Theodor Wolff, nominell allerdings noch immer der erkrankte Arthur Levysohn (er stand seinerzeit als Chefredakteur auf dem Titelblatt); kaum als Adressat in Frage kommt der Redakteur, der im „Berliner Tageblatt“ zuständig war „für die Inserate: Robert Franke“ [Berliner Tageblatt, Jg. 36, Nr. 625, 9.12.1907, Abend-Ausgabe, S. (4)].!

Darf ich Sie höflichst ersuchen, Ihren geehrten Lesern mittheilen zu wollen, daß der für heute, den 9.Ein Vortrag Wedekinds war für den 9.12.1907 um 20 Uhr im Blüthner-Saal in Berlin angekündigt als der erste Vortrag der „Vorträge der Wochenschrift ‚Morgen‘ [...] Frank Wedekind über Kunst und Moral.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 36, Nr. 597, 24.11.1907, Sonntags-Ausgabe, 6. Beiblatt, S. (1)] Die Anzeige mit der Angabe des Vortragstitels „Kunst und Moral“ [Berliner Tageblatt, Jg. 36, Nr. 610, 1.12.1907, Sonntags-Ausgabe, 7. Beiblatt, S. (2)] wurde mehrfach wiederholt: „Blüthnersaal, Montag, 9. Dezember, 8 Uhr: Erster Vortrag der Wochenschrift ‚Morgen‘ Frank Wedekind ‚Kunst und Moral‘.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 36, Nr. 617, 5.12.1907, Morgen-Ausgabe, 4. Beiblatt, S. (4)] angekündigte Vortrag über „Kunst und Moral“ nicht stattfinden wirdWedekinds Lesung am 9.12.1907 fand gleichwohl statt – der Autor las sein neues Stück „Musik“ (Vorabdruck in Fortsetzungen vom 26.6.1907 bis 19.7.1907 in der Zeitschrift „Morgen“). Er notierte am 8.12.1907: „Ich richte Musik zur Vorlesung ein“ [Tb], am 9.12.1907: „Vorlesung von Musik“ [Tb]. Das „Berliner Tageblatt“ drückte seine Verwunderung darüber aus: „Frank Wedekind hat, was die ganze Oeffentlichkeit sehr überraschen muß, gestern abend 8 Uhr seine Vorlesung im Blüthner-Saal nun doch gehalten. Ein paar Stunden vorher hatte er sie mit einem starken Worte, das wir unterdrückten, abgemeldet. [...] Es ist bedauerlich, daß dieser durch seine Improvisation dem Publikum und sich selbst einen Schaden zugefügt hat.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 36, Nr. 627, 10.12.1907, Abend-Ausgabe, S. (3)]. Ich habe den Veranstalter„Morgen. Wochenschrift für Kultur“ (begründet und herausgegeben von Werner Sombart, Richard Strauß, Georg Brandes, Richard Muther, unter Mitwirkung von Hugo von Hofmannsthal), Redaktion: Artur Landsberger (Berlin), mit dem Wedekind zuletzt am 4.12.1907 den Abend verbrachte: „Abends mit Landsberger bei Frederich und Weihenstephan.“ [Tb] Der „Morgen“ hat erstmals am 11.10.1907 auf Wedekinds Vortrag aufmerksam gemacht – „Für die Abonnenten des ‚Morgen‘ werden im Winter außer Frank Wedekind [...] u.a. unentgeltlich Vorträge halten [...]. Im ersten Winter wird sich die Vortragsserie voraussichtlich auf Berlin beschränken“ [An unsere Leser. In: Morgen, Jg. 1, Nr. 18, 11.10.1907, nicht paginiert der Nummer mit einem separaten Titelblatt vorgeheftet] – und am 15.11.1907 definitiv angekündigt: „Am 9. Dezember spricht Frank Wedekind im Blüther-Saal über ‚Kunst und Moral‘ [...]. Für die Abonnenten sind diese Vorträge kostenlos, doch müssen bis zum [...] 21. November bei der Geschäftsstelle des ‚Morgen‘, W. 50, Eislebenerstr. 14, unter Berufung auf den betr. Buchhändler oder Einsendung der Abonnementsquittung die zum Besuch der Vorträge berechtigenden Karten verlangt werden. Die bis zum 21. d. M. neu hinzutretenden Abonnenten wollen sich unter denselben Bedingungen um Ueberlassung einer Freikarte zu den Vorträgen bemühen.“ [Notiz. In: Morgen, Jg. 1, Nr. 23, 15.11.1907, S. 746] Der „Morgen“ hat in seinen Heften keine weiteren Anzeigen zu seinem Vortragsprogramm abgedruckt. Das „Berliner Tageblatt“ bemerkte in seiner redaktionellen Nachbemerkung zu dem offenen Brief Wedekinds: „Die Differenz zwischen Wedekind und den Veranstaltern des Vortrags, der Redaktion der Zeitschrift ‚Morgen‘ ist dadurch entstanden, daß nach wie vor eine Vorlesung über ‚Kunst und Moral‘ angekündigt wurde, während Wedekind sich inzwischen entschlossen hatte, sein neues Bühnenwerk ‚Musik‘ vorzulesen. Der Titel der Vorlesung wurde aufrechterhalten, weil ‒ so hieß es ‒ in dem Drama ‚Kunst und Moral aufeinanderplatzen.‘“ [Berliner Tageblatt, Jg. 36, Nr. 625, 9.12.1907, Abend-Ausgabe, S. (3)] Es meinte dann dazu: „Die Redaktion des ‚Morgen‘ kann feststellen, daß sie die Aenderung der Ankündigung, um die Herr Wedekind ‚sie vierzehn Tage vergeblich gebeten‘ zu haben erklärt, auch in Plakaten vollzogen hatte. Der ominöse Satz von dem ‚Aufeinanderplatzen von Kunst mit Moral‘ war nach der Behauptung des ‚Morgen‘ mit Herrn Wedekind vereinbart.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 36, Nr. 627, 10.12.1907, Abend-Ausgabe, S. (3)] seit vierzehn Tagen vergeblich gebeten die Ankündigungen zu ändernDas „Berliner Tageblatt“ änderte seine Ankündigung kurzfristig. Während es am 8.12.1907 in ein und derselben Ausgabe an einer Stelle im Referat des aktuellen „Wochenplan der Konzertdirektion Julius Sachs“ die alte Formulierung wiederholte: „Montag, 8 Uhr, Blüthner-Saal: Vortrag: Frank Wedekind ‚Kunst und Moral‘“ [Berliner Tageblatt, Jg. 36, Nr. 623, 8.12.1907, Sonntags-Ausgabe, 2. Beiblatt, S. (2)], war sie bei den Veranstaltungsanzeigen durch eine neue ersetzt: „VORTRÄGE DER WOCHENSCHRIFT ‚MORGEN‘ MONTAG: 9. Dezember, abends 8 Uhr BLÜTHNER-SAAL FRANK WEDEKIND ‚EIGENE DICHTUNG‘“ [Berliner Tageblatt, Jg. 36, Nr. 623, 8.12.1907, Sonntags-Ausgabe, 7. Beiblatt, S. (2)] Diese Anzeige mit der neuen Formulierung – „FRANK WEDEKIND ‚eigene Dichtung‘“ [Berliner Tageblatt, Jg. 36, Nr. 624, 9.12.1907, Montags-Ausgabe, 1. Beiblatt, S. (2)] – erschien auch am Tag darauf, an dessen Abend Wedekinds Lesung stattfand. und möchte mich ohne mein Verschulden nicht gern öffentlich als Betrüger hinstellen lassen.

In vorzüglicher Hochschätzung
Frank Wedekind.


8/9/Wedekind, der hier das Tagesdatum 8.12.1907 in das Tagesdatum 9.12.1907 korrigierte, hat allerdings am 8.12.1907 abends notiert: „Schreibe eine Notiz an die Zeitungen.“ [Tb] Die Zeitungen – das waren das „Berliner Tageblatt“ und wahrscheinlich die Wochenschrift „Morgen“ (Redaktion: Artur Landsberger)..12.7.


[2. Druck im „Berliner Tageblatt“:]


Darf ich Sie höflichst ersuchen, Ihren geehrten Lesern mitteilen zu wollen, daß der für heute, den 9. angekündigte Vortrag über „Kunst und Moral“ nicht stattfinden wird. Ich habe den Veranstalter seit vierzehn Tagen vergeblich gebeten, die Ankündigungen zu ändern.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 1 Seite beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 11,5 x 20 cm.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Der handschriftliche abgesandte Brief ist nach einer in der EFFW vorhandenen Fotokopie des Originals wiedergegeben, dessen Standort nach den Unterlagen nicht mehr rekonstruiert werden konnte.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Wedekind hat zunächst den 8.12.1907 als Schreibdatum auf dem Brief fixiert und es dann auf den 9.12.1907 korrigiert. Schreibdatum war allerdings der 8.12.1907, wie er an diesem Tag in München notierte: „Ich [...] bleibe Abends zu Haus. Schreibe eine Notiz an die Zeitungen.“ [Tb] Die Zeitungen – das waren das „Berliner Tageblatt“ und wahrscheinlich die Wochenschrift „Morgen“ (Redaktion: Artur Landsberger). Mit der Notiz ist der Brief gemeint, den Wedekind als offenen Brief abzudrucken bat, was im „Berliner Tageblatt“ auch geschehen ist – in der Abend-Ausgabe vom 9.12.1907. Dem „Berliner Tageblatt“ dürfte der Brief jedoch bereits am 8.12.1907 bekannt gewesen zu sein, zu schließen aus einer modifizierten Anzeige der zur Debatte stehenden Ankündigung des Vortrags von Wedekind in der Sonntags-Ausgabe des „Berliner Tageblatts“ vom 8.12.1907 (siehe Erläuterungen).

  • Schreibort

    Berlin
    8. Dezember 1907 (Sonntag)
    Ermittelt (sicher)

  • Absendeort

    Berlin
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Berlin
    Datum unbekannt

Erstdruck

Berliner Tageblatt

Ort der Herausgabe:
Berlin
Verlag:
Berlin: Mosse
Datum der Zeitung:
1911
Kommentar:
Detaillierter Nachweis: Berliner Tageblatt, Jg. 36, Nr. 625, 9.12.1907, Abend-Ausgabe, S. (3). Der Brief ist im Erstdruck redaktionell eingeleitet – „Frank Wedekind sendet uns folgende Zuschrift:“ – und mit einer redaktionellen Nachbemerkung versehen: „Die Differenz zwischen Wedekind und den Veranstaltern des Vortrags, der Redaktion der Zeitschrift ‚Morgen‘ ist dadurch entstanden, daß nach wie vor eine Vorlesung über ‚Kunst und Moral‘ angekündigt wurde, während Wedekind sich inzwischen entschlossen hatte, sein neues Bühnenwerk ‚Musik‘ vorzulesen. Der Titel der Vorlesung wurde aufrechterhalten, weil ‒ so hieß es ‒ in dem Drama ‚Kunst und Moral aufeinanderplatzen.‘“
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Es gibt keine Informationen zum Standort.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Theodor Wolff, (Zeitung) Berliner Tageblatt, 8.12.1907. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

10.07.2024 22:30