Kennung: 3637

München, 14. Januar 1914 (Mittwoch), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Tilly

Adressat*in

  • Wedekind, Frank

Inhalt

T. W.


München, 14.I.14.


Geliebtester Frank,

herzlichsten Dank für Deine beiden, lieben Briefevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 12.1.1914 und 13.1.1914.! Verzeih’ bitte die Bleistiftkarte von gesternvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 13.1.1914.; aber Dein Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 13.1.1914. war erst gekommen, als ich gerade fortgehen wollte. Ich hoffe, Du hast nichts dagegen dass ich mit Jenny im Hoftheater Restaurant zu Abend aß. Ich wollte hauptsächlich, dass sie ordentlich isst. Auch waren wir damals nach „Erdgeist“ im Künstler|theaterFrank Wedekind, Tilly Wedekind und Eugenie von Eugenie von Sadkowski besuchten dem Tagebuch zufolge am 30.5.1913 eine kurzfristig angesetzte „Erdgeist“-Vorstellung der Inszenierung von František Zavřel [vgl. KSA 3/II, S. 1207, 1241] im Münchner Künstlertheater („Künstlertheater Erdgeist mit Tilly und ihrer Kusine“) und Frank Wedekind arbeitete anschließend im Ratskeller an „Simson“ („Nachher allein RK Simson gearbeitet“), während seine Frau und deren Cousine dem vorliegenden Brief zufolge anschließend im Hoftheater-Restaurant waren., mit Deinem EinverständnissSchreibversehen, statt: Einverständnis. dahin gegangen. Von Bekannten sahen wir Frl. Seippdie Schauspielerin Bettina Seipp (Widenmayerstraße 10) [vgl. Adreßbuch für München 1914, Teil I, S. 654], Mitglied des Münchner Hofschauspiels [vgl. Neuer Theater-Almanach 1914, S. 559]. u. Hr. Herzogder inzwischen in München lebende Redakteur Wilhelm Herzog (Leopoldstraße 10) [vgl. Adreßbuch für München 1914, Teil I, S. 262], der eng mit Wedekind vertraut war., haben aber niemanden gesprochen. Montag im/n/ den Kammerspielen saß Fr. Consul Geigerdie Vizekonsuls-Witwe Anna Geiger (Galeriestraße 6) [vgl. Adreßbuch für München 1914, Teil I, S. 187]; sie war die Witwe des argentinischen Konsuls Apollo Geiger, der am 12.3.1910 bei einem Autounfall ums Leben kam (das argentinische Konsulat in München war Wedekinds Vormieter in der Prinzregentenstraße 50). mit einer Dame vor uns, Dr. Pariser mit seiner Tochterdie 20jährige Agnes Therese Pariser, nicht ihre 11jährige Schwester Hilde Pariser. hinter uns. Ich sprach mit Beiden einige Worte.

Gegen die „SippeTilly Wedekind sah am 12.1.1914 in den Münchner Kammerspielen das Stück „Die Sippe“ von Ludwig Thoma [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 12.1.1914]. u. gegen die „UhrTilly Wedekind sah am 13.1.1914 im Münchner Residenztheater das Stück „Die Uhr“ von Roda Roda und Gustav Meyrink [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 13.1.1914]. besonders, sprüht PygmalionTilly Wedekind besuchte gemeinsam mit Frank Wedekind und dessen Sohn Friedrich Strindberg am 28.12.1913 Bernard Shaws Komödie „Pygmalion“ (Regie: Albert Steinrück, Premiere: 22.11.1913) im Münchner Residenztheater [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 66, Nr. 661, 28.12.1913, General-Anzeiger, S. 2]: „In Pygmalion mit Tilly und Fritz.“ [Tb] von Geist, Witz, Humor u. ist reich an Inhalt u. Tiefe. Man fragt wirklich K/k/opfschüttelnSchreibversehen, statt: kopfschüttelnd., wie es mög|lich ist, dass das Hoftheater so etwas aufführt. Allerdings war das Publikum in der gestrigen Aufführung zu zählen, u. wird die Uhr bald still stehen. Aber in der Sippe haben sich die Leute doch recht amüsiert, ausgenommen die paar Gescheidten Dr. Pariser wir etz.

Dass ich mich langweilen könnte, die Gefahr besteht nicht. Ich komme im Gegenteil mit der Zeit gar nicht aus. Ich bin froh, dass ich einige G/g/esellschaftliche Verpflichtungen heute Nachmittag gleichzeitig ab|machen kann. Ich gehe zu Jenny u. treffe daTilly Wedekind traf bei ihrer Cousine Eugenie (Jenny) von Sadkowski (Renatastraße 27) [vgl. Adreßbuch für München 1914, Teil I, S. 573] die befreundete Schauspielerin Käthi Sandel, außerdem Blanka Marion, Freundin Joachims Friedenthals und Chorsängerin am Gärtnerplatztheater [vgl. Adreßbuch für München 1914, Teil I, S. 444], sowie eine Frau Hauth (nicht identifiziert), möglicherweise die Gattin des Buchbinders Max Hauth [vgl. Adreßbuch für München 1914, Teil I, S. 245]. die Sandel, Frl. Marion u. Fr. Hauth. Zu jeder einzeln zu gehen, hätte ich wirklich keine Zeit u. alle wollen mich immer einladen. Bleibt noch Fr. Dr. Pariser u. Fr. Albu. Heute Vormittag habe ich gelerntdie Titelrolle von „Franziska“ nach der Ende 1913 fertiggestellten „Bühnenausgabe in gebundener Rede“ [KSA 7/II, S. 996]. u. will abends wieder lernen, damit ich in „Franziska“ ganz sicher bin, wenn Du kommst.

Ich freue mich sehr, dass die ProbenProben für die Uraufführung von „Simson“ am Lessingtheater in Berlin am 24.1.1914. gut gehen! Hoffentlich bleibt es so u. hast Du keine Unannehmlichkeiten! Gieb nur mit dem ArmWedekind hatte seit dem 4.1.1914 Beschwerden wegen eines Furunkels am Arm [vgl. Tb], der verbunden war (er war vor seiner Abreise nach Berlin in München deshalb mehrfach beim Arzt). sehr acht u. nimm’ die Binde nicht zu früh | ab. Deinen Manteleinen Wintermantel (Pelzmantel). werde ich womöglich heute noch absenden. Von Bekannten lass’ ich alle grüßen die ich kenne!

Den Kindern geht es Gottlob sehr gut. Anna Pamela geht täglich zur Schule, die Kleine war auch jeden Tag an der Luft, trotz der großen Kälte. Mittags wird die Kleine bei uns am Tisch gefüttert. Ich kann es so besser kontrolieren u. ist es auch sehr nett, dass wir alle Drei zusammen essen. Sie hat dann auch den Ehrgeiz, dass ihr alles | ebenso gut schmeckt, wie Anna Pamela. Beide Kinder lassen den Papa vielmals grüßen u. schicken viele Küsse. Die Besetzung von „Simson“ ist ja sehr gut! Ist es schon bestimmt wann die Premiere sein soll? Geller telephonierte heute; ich sagte er möchte Dir schreiben. Er sprach auch von Varieté AgentenNicht nur Oskar Geller, auch Wedekind erwähnte „Varieté-Agenten“ [Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 13.1.1914]..

Die Jenny lässt sich Dir auch bestens empfehlen. Ihre Gesellschaft ist mir immer sehr lieb.

Nun lebwohl für heute. 4 Briefevgl. Friedrich Strindberg an Wedekind, 11.1.1914 (sowie drei weitere nicht überlieferte Briefe von unbekannten Absendern). | habe ich heute wieder nachgeschickt. Drucksachen brauche ich wohl nicht alle zu senden?

Innigsten Kuss,
Deine Tilly

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 4 Blatt, davon 7 Seiten beschrieben

Schrift:
Lateinische Schrift.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 14,5 x 18,5 cm. Mit aufgeprägtem Monogramm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Das aufgeprägte Monogramm befindet sich außer auf Seite 1 auch auf Seite 5 (hier nicht wiedergegeben). Wedekind hat oben auf Seite 1 mit rotem Buntstift das Datum „14.1.14“ notiert.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    München
    14. Januar 1914 (Mittwoch)
    Sicher

  • Absendeort

    München
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Berlin
    Datum unbekannt

Erstdruck

Briefwechsel 1905‒1918. Band 1: Briefe

Autor:
Frank Wedekind, Tilly Wedekind
Herausgeber:
Hartmut Vinçon
Verlag:
Göttingen: Wallstein
Jahrgang:
2018
Seitenangabe:
281-282
Briefnummer:
422
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 221
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 14.1.1914. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (03.12.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

25.09.2023 17:20