T. W.
München,
17.I.14.
Innigst geliebter Frank,
tausend Dank für Deinen lieben Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 16.1.1914. u. Dein Telegrammvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 17.1.1914., ich war
so froh, als Dein Brief kam! Der Brief von Georg Müllernicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Georg Müller an Wedekind, 16.1.1914. kam gleichzeitig u. da
ich ihn nicht dem Briefträger gleich mitgegeben hatte, musste ich ihn in ein
anderes CouvertSchreibversehen, statt: Couvert stecken (oder ein semantisch ähnliches Verb). u. frisch frankieren.
Ich war also gestern bei Fr. Dr. Pariser. Es war wirklich sehr nett, ich be|daure
nur, dass Du nicht dabei warst, Du wärst glaub ich mit mir zufrieden gewesen.
Ausser Pariser’sDr. phil. Ludwig Pariser und seine Frau Erna Pariser (Georgenstraße 30, Parterre und 1. Stock) [vgl. Adreßbuch für München 1914, Teil I, S. 494]. Bei ihnen zu Gast waren am 16.1.1914 drei alte Bekannte Wedekinds, Arthur Holitscher, Kurt Martens und Efraim Frisch. u. ihrer Tochterdie 20jährige Agnes Therese Pariser, nicht ihre 11jährige Schwester Hilde Pariser. waren noch Holitscher, Dr. Martens u. eine
junge Frau, die ich damals bei der Kindertanzereinicht ermittelt. im Künstlerinnen HausKünstlerinnenhaus, ein für kulturelle Veranstaltungen genutztes Gartengebäude in der Barerstraße 21, Sitz des Künstlerinnen-Vereins und des Künstlerinnen-Hilfsvereins [vgl. Adreßbuch für München 1914, Teil III, S. 211] sowie der Damen-Akademie des Künstlerinnen-Vereins [vgl. Adreßbuch für München 1914, Teil III, S. 126]. kennen
lernte, mit ihrem Mann. Ich glaube sie heißen v. Tschaskawahrscheinlich Wanda von Trzaska, „die hier wohlbekannte Pianistin Wanda von Trzaska“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 58, Nr. 511, 2.11.1905, S. 2], deren Konzerte das Konzertbüro Emil Gutmann organisiert hatte; sie hat zwischenzeitlich eine Musikschule für Klavier betrieben, nach ihrer Eheschließung 1908 (1909 Geburt eines Kindes) unter Doppelnamen: „Wanda v. Trzaska-Bernhard, die bekannte Pianistin, hat ihren Unterricht wieder aufgenommen. Anmeldungen Franz-Josephstraße 36.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 62, Nr. 465, 5.10.1909, General-Anzeiger, S. 1] Das war die Adresse des Kunstmalers Edgar von Bernhard (Franz Josephstraße 36) [vgl. Adreßbuch für München 1909, Teil I, S. 42], ihr Ehemann, der inzwischen gemeinsam mit seiner Frau eine andere Wohnung hatte (Kaulbachstraße 96) [vgl. Adreßbuch für München 1914, Teil I, S. 50]. oder so ähnlich.
Später kam noch Frisch. Es war gar nicht langweilig u. gespreizt u. ich
konnte doch mitreden u. kam mir nicht so entsetzlich dumm vor, wie damals bei
BernsteinsWedekind notierte am 6.1.1914 einen Gesellschaftsabend bei Max und Elsa Bernstein (unter den Gästen die Pianistin Sandra Droucker und ihr Mann, der Pianist Gottfried Galston, der Universitätsprofessor Robert Piloty und der Münchner Architekturstudent Jorge Bunge aus Buenos Aires), den seine Frau gemeint haben dürfte: „Abends bei Dr. Bernstein Sandra Drucker und ihr Mann Prof. Piloty und Frau. Prof. Arnold Herr Bunge aus Argentinien Tangotänzer.“ [Tb]. Pariser’s sind | wirklich feine, gute Menschen; ich kann Fr. Dr. Pariser für ihre
herzliche Freundschaft die sie mir entgegenbringt wirklich nur dankbar sein. Ob
Du Dich unterhalten hättest weiß ich ja nicht, aber ich denke doch, da
Holitscher u. Martens da waren. Alle lassen Dich natürlich vielmals grüßen. Es
wurde sehr viel von Dir u. „Simson“ gesprochenvon Wedekinds Stück „Simson oder Scham und Eifersucht. Dramatisches Gedicht in drei Akten“ (1914), das bereits Ende 1913 vorlag, und von der nun anstehenden Uraufführung dieses Versdramas am Berliner Lessingtheater, die Wedekind in Berlin gerade vorbereitete..
Sehr leid tut es mir, dass es mit Cassirer u. Durieux
Unannehmlichkeiten giebt. Ich begreife nicht, was sie wieder haben könnten.
Soll ich ihr schreiben u. nochmals für die Spielsachen danken? Ich hatte | ihr
zu Weihnachten auf einer Karte gedanktTilly Wedekinds Postkarte an Tilla Durieux ist nicht überliefert.. Hoffentlich klärt sich die Sache doch
noch auf. Es ist wirklich komisch. Endlich spielt sie eine Rolle von DirTilla Durieux spielte in der Berliner „Simson“-Inszenierung (siehe oben) die Rolle der Delila. u. Du führst Regie, was sie sich doch, wie sie
behauptete, immer wünschte, u. dann giebt es gleich Unangenehmes!
Die Kinder sind Gottlob gesund u. vergnügt u. schicken Dir tausend
Küsse! Heute hab’ ich Einiges besorgt u. mein grünes KleidWedekind notierte am 4.1.1914: „Tilly [...] zeigt ihr neues grünes Kleid“ [Tb]. mit dem lila Gürtel
probiert. Ich glaub’ es wird wieder sehr nett.
Vielen Dank, dass Du Fr. Dir. Schwarz auch in meinem Namen kondolierttelegrafisch zum Tod von Fritz Schwartz [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 16.1.1914], Telegramm nicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Frank und Tilly Wedekind an Grethe Schwartz, 15.1.1914. hast, ich hatte es noch
nicht getan. In treuer Liebe umarmt Dich, Deine Tilly