HOTEL HABSBURGER HOF
FRITZ OTTO, Hoflieferant.
Fernsprech-Anschlüsse:
Amt Lützow, 1663 Hotel
4077
5442 Restaur.
Personen-Fahrstuhl
Tag und Nacht im Betrieb.
Berlin S.W.
11, den 191
Askanischer Platz 1.
Berlin 13.1.14.
Geliebteste Tilly!
Innigsten Dank für Deine beiden lieben Briefevgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 11.1.1914 und 12.1.1914.. Meinen Brief
von gesternvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 12.1.1914. wirst Du derweil auch erhalten haben. Es freut mich sehr, daß es
euch allen gut geht. Hier ist es auch sehr kalt. Wenn Du mir also den
Pelzmantel schicken willst, bin ich Dir sehr dankbar. Ich werde ihn nicht für
gewöhnlich tragen sondern für den Fall, daß ich im Frack ausgehen muß. Das wird
nächsten Sonntag AbendWedekind war am 18.1.1914 auf einer „Abendgesellschaft bei Dr. Elias“ [Tb], bei dem Privatgelehrten und Schriftsteller Dr. phil. Julius Elias (Matthäikirchstraße 4) [vgl. Berliner Adreßbuch 1914, Teil I, S. 613]. der Fall | sein, wo ich zu Dr. Elias
eingeladen bin. Die gleiche Notwendigkeit kann sich aber schon vorher ergeben.
Gestern AbendWedekind besuchte am 12.1.1914 die Inszenierung von Henrik Ibsens Drama „Peer Gynt“ mit Musik von Edvard Grieg im Lessingtheater (Premiere war am 15.9.1913 gewesen) und war anschließend zuerst im Linden-Restaurant (Unter den Linden 44) und dann in der Künstlerklause Carl Stallmann (Jägerstraße 14): „Abend in Peer Gynt. Dann allein Lindenrestaurant und Stallmann“ [Tb]. war ich nach der Peer Gynt Aufführung richtig
allein bei Stallmann. Peer Gynt hat mir sehr gefallen, ein herrliches Stück,
die Musik allein ist ein großer Genuß. Heute war bis zwei Uhr ProbeWedekind notierte am 13.1.1914 zur Vorbereitung der Uraufführung von „Simson“ am 24.1.1914 im Lessingtheater (Direktion: Victor Barnowsky): „Arrangiere III Akt. Probe I Akt.“ [Tb] Friedrich Kayßler spielte die Titelrolle, Alexander Rottmann den Og von Basan.. Ich
arrangierte den 3. Akt und dann probierten wir den ersten. Kayßler ist
herrlich, ich sehe jetzt erst wie wenig ich schauspielerisch der Rolle
gewachsen wäre. Auch Rottmann gefällt mir sehr gut. Barnowsky war nicht
erschienen da er wegen Fieber zu Bett lag. | Jetzt werde ich die beiden Varieté-AgentenRichard Weiniger betrieb eine Künstleragentur (Behrenstraße 14-16) [vgl. Berliner Adreßbuch 1914, Teil I, S. 3430] und annoncierte ein „Bureau für Bühnenangehörige“ (Inhaber: Richard Weiniger) in „Berlin, Behrenstraße 14-16“ mit der „Spezialität: Management von ersten Bühnenkünstlern am Varieté, Konzert und Kabarett.“ [Neuer Theater-Almanach 1913, Anzeigenanhang, S. 41] Sein Partner (oder Betreiber einer eigenen Agentur?) war möglicherweise Moritz Waldapfel, zunächst Kunsthändler [vgl. Berliner Adreßbuch 1913, Teil I, S. 3300], dann Gastwirt [vgl. Berliner Adreßbuch 1914, Teil I, S. 3375] (die einzige männliche Person, die unter diesem Namen verzeichnet ist). Wedekind notierte am 15.1.1914 eine „Unterredung mit Weiniger.“ [Tb]
Weiniger und Waldapfel besuchen. Nachher gehe ich vielleicht in WetterleuchtenWedekind besuchte am 13.1.1914 Max Reinhardts Inszenierung von August Strindbergs „Wetterleuchten“ in den Kammerspielen des Deutschen Theaters (Premiere war am 10.12.1913): „Abend Wetterleuchten von Strindberg.“ [Tb]
in den Kammerspielen. Es freut mich sehr, liebe Tilly, daß Du im Theater warst.
Ich möchte nicht, daß Du Dich während meiner Abwesenheit langweilst. Kassirer
hat heute den ganzen Tag über ProzeßPaul Cassirer verbrachte den 13.1.1914 vor dem Schöffengericht Berlin-Mitte [vgl. Der Sezessionsstreit vor Gericht. In: Vorwärts, Jg. 31, Nr. 13, 14.1.1914, 1. Beilage, S. (3)]; gegen ihn war von einigen Mitgliedern der Berliner Secession wegen Beleidigung geklagt worden – er wurde freigesprochen [vgl. Freisprechung im Sezessionsprozeß. Die Klage gegen Paul Cassirer. In: Berliner Tageblatt, Jg. 43, Nr. 23, 14.1.1914, Morgen-Ausgabe, 1. Beiblatt, S. (1)].. Da er bis jetzt nichts hat hören lassen,
werde ich ihn heute Abend wohl nicht sehen.
Nun leb wohl, geliebte Tilly, küsse die Kinder von mir.
Mit innigstem Kuß
Dein
Frank
Bitte entschuldige die verwischte Schrift. Das Löschblatt
ist nichts wert.