T. W.
München,
1.IX.13.
Innigst geliebter Frank,
ich bin schon sehr besorgt, da ich heute u. gestern keine
Nachricht von Dir bekam. Hoffentlich hast Du Dich nicht über etwas geärgert.
Ich habe mir nichts vorzuwerfen, ausser dass ich die erste KorekturSchreibversehen, statt: Korrektur. erst den
zweiten Tag schickteHinweis auf ein nicht überliefertes Begleitschreiben zur Sendung von Korrekturbögen entweder für einen der im Jahr 1913 erscheinenden Bände der „Gesammelten Werke“ oder für das Drama „Simson“, dessen Druckvorlage Wedekind am 6.8.1913 seinem Verleger übergeben hatte und das vordatiert auf 1914 noch 1913 erschien [vgl. KSA 7/II, S. 1266]; erschlossenes Korrespondenzstück: Georg Müller Verlag an Wedekind, 28.8.1913.. Ich habe Dir täglich seit Du fort bist geschrieben, u. D/t/ue
mein Möglichstes. Aber sicher hast Du sehr viel Arbeit u. ich will morgen
abwarten u. dann, wenn | es Dir recht ist, abends reisenTilly Wedekind reiste am 2.9.1913 abends von München ab zu dem „Franziska“-Gastspiel vom 5. bis 29.9.1913 an den Kammerspielen des Deutschen Theaters nach Berlin, wo sie die Titelrolle spielte (Frank Wedekind, der bereits seit dem 29.8.1913 in Berlin war, führte die Regie und spielte die Rolle des Veit Kunz).. Inzwischen tröste ich
mich mit Deinem ersten Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 29.8.1913. u. lese ihn immer wieder durch.
Von Deinem BruderArmin Wedekind hatte angekündigt, mit seiner Tochter Lilli auf der Durchreise zur Schwester Erika Wedekind nach Dresden in München Station zu machen – in der Zeit vom 31.8.1913 bis 3.9.1913 [vgl. Armin Wedekind an Frank Wedekind, 22.8.1913]. hörte ich auch heute nichts. Vielleicht
hat er es sich doch überlegt u. fährt mit Lilli direct nach Dresden, da er Dich
hier doch nicht trifft.
Heute war ich bei dem Friseur im
VolksbadAndreas Deuerling, approbierter „Bader“ und „Hühneraugenoperateur“, Geschäft: Zweibrückenstraße 31 „(Städtisches Volksbad)“ [Adreßbuch für München 1914, Teil I, S. 105], ist unter „Friseurgeschäfte“ [vgl. Adreßbuch für München 1914, Handels- und Gewerbe-Adreßbuch, S. 84] verzeichnet; er betrieb jedenfalls sein Geschäft im Städtischen Müllerschen Volksbad (Zweibrückenstraße 31) [vgl. Adreßbuch für München 1914, Teil II, S. 717], einem im Jugendstil erbauten 1901 eröffneten Hallenbad (benannt nach Karl Müller)., habe Hüte probiert die ich mir richten ließ u. habe ziemlich fertig
gepackt. Doch habe ich noch genug zu tun. |
Die Kinder waren spazieren, Nachmittags waren die GroßelternEduard und Mathilde Newes, Tilly Wedekinds Eltern.
mit. Es geht ihnen gottlob gut, sie schlafen schon Beide. Die Kleine wundert
sich immer, wenn wir in Dein Zimmer kommen, dass Du nicht da bist. Anna Pamela
bemuttert sie manchmal sehr lieb.
Nun lebwohl, geliebter Frank, ich kann Dir nichts erzählen,
da ich nichts erlebt habe. Hoffentlich bekomme ich morgen Nachricht von Dir u.
hoffentlich übermorgen auf frohes Wiedersehn! Viele Küsse | von den Kindern,
Grüße von den Eltern u. Martha,
in treuer Liebe küsst Dich,
Deine Tilly