Postkarte
Frau
Tilly Wedekind
im Steinbrüchli
Lenzburg
Ct. Aargau Schweiz
Geliebteste Tilly! Herzlichsten Dank für Deine liebe Kartevgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 26.6.1912.. Wenn
Du Sonntag zu dem Rennen gehst soll es mich sehr freuen. Grüße bitte Gustav
Henckell und seine Frau von mir. Ich fahre Sonntag
nach Münchenam 30.6.1912, an dem Wedekind notierte: „Mieze fährt nach Detmold. Ich nach München.“ [Tb], da Walter und Mieze am Sonntag nach verschiedenen Richtungen
verreisen. Ich werde der HausmeisterinChristine Schreier (siehe die vorangehende Korrespondenz Frank Wedekinds mit seiner Frau seit dem 18.6.1912). schreiben, daß sie mir das Bett
zurechtmacht. Von Hellerau habe ich am Montagder 24.6.1912, an dem Wedekind die Gartenstadt Hellerau besuchte und seiner Frau davon berichtete [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 24.6.1912]. | das wichtigste schon gesehen
und bedauerte sehr, daß Du nicht dabei warst. Du hättest sicherlich große
Freude daran gehabt. Morgen ist Vorstellung für großes
PublikumDie Presse berichtete über die Veranstaltung am 28.6.1912 im Festspielhaus in Hellerau (das erste Schulfest im Rahmen der Festspiele vom 28.6.1912 bis 11.7.1912): „Der erste Festtag der Bildungsanstalt Jaques-Dalcroze ist gestern unter ehrenden Ovationen für ihre geistigen Urheber vorübergegangen. Der rauschende, überwältigende Erfolg blieb freilich aus, obwohl sich unter den Festgästen, die von nah und fern zahlreich herbeigeeilt waren, viele begeisterte Anhänger der rhythmischen Gymnastik befanden. [...] Den künstlerisch höchsten Erfolg erzielten die reinen rhythmisch-gymnastischem Uebungen und die anmutvollen Mädchentänze. [...] Aufs Trefflichste bewährte sich das Festspielhaus selber mit seinen bemerkenswerten Reformen. Der von zahlreichen Künstlern und Kritikern, sowie von der Dresdner Gesellschaft voll besetzte, hochaufsteigende Zuschauerraum bot bei der strahlenden Lichtfülle des Hauses ein echt festliches Bild.“ [G.K.: Hellerauer Festspiele. In: Dresdner Nachrichten, Jg. 56, Nr. 177, 29.6.1912, S. (9)] Im Publikum saßen am 28.6.1912 Frank Wedekind, Erika Wedekind und Walther Oschwald: „Abend mit Mieze und Walter nach Hellerau.“ [Tb] Die Veranstaltung mit ihrem lebensreformerisch ambitionierten Bühnenprogramm [vgl. Georg Kaiser: Schulfeste in Hellerau. In: Dresdner Nachrichten, Jg. 56, Nr. 178, 30.6.1912, Abend-Ausgabe, S. (1-3)] begann um 19 Uhr, Ende war 22 Uhr [vgl. Dresdner Neueste Nachrichten, Jg. 20, Nr. 160, 16.6.1912, 1. Ausgabe, S. 2]; die erste Vorstellung war ausverkauft [vgl. Dresdner Neueste Nachrichten, Jg. 20, Nr. 172, 28.6.1912, 1. Ausgabe, S. 3].. Das wird weniger erfreulich sein
und nichts neues bringen. Heute war ich den ganzen Tag in der großen
KunstausstellungDie „Große Kunstausstellung“ fand vom 1.5.1912 bis 15.10.1912 im Städtischen Ausstellungspalast in Dresden statt – eine umfangreiche Schau zeitgenössischer moderner Kunst., Vormittag und Nachmittag. Bekannte habe ich keine mehr
getroffen. Wollf sagte mir, daß Felix Salten morgen kommen wolle und Oskar
Fried, den ich in Hellerau traf will am Samstag hier sein. Von der ungeheuren Korrespondenz
habe ich bis jetzt nichts erledigt. Ich freue mich sehr, daß Du Dich in
Lenzburg behaglich fühlst und halte es für richtig, daß Du bis Mitte Juli noch
dort bleibst. Ich werde in München genug zu
tun haben. Küsse die Kinder von mir und danke Mama für ihre Liebe.
Innigst küßt und umarmt Dich
Dein
Frank.