Lieber Walther,
beiliegend den ScheinWedekinds Schuldschein zu dem von Walther Oschwald gewährten Darlehen ist nicht überliefert. über die 3000 Mark, die ich
Dir schulde.
Du schreibst dann am Schluß Deines Briefesnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Walther Oschwald an Wedekind, 5.9.1900. vom 5.
Sept.
„Im übrigen bitte ich Dich, aus der Erfüllung
Deiner BitteWedekind hatte seine Schwester Erika um ein Darlehen von 3000 Mark gebeten und die erwartete Erbschaft als Sicherheit angeboten [vgl. Frank Wedekind an Erika Wedekind, 24.8.1900 und 28.8.1900]. Sein Schwager hatte dieser Bitte entsprochen. irgendwelche Schlüsse auf unser gegenseitiges persönliches
VerhältnisWalther Oschwald fühlte sich durch Wedekinds Brief von Anfang August [vgl. Wedekind an Walther Oschwald, 1.8.1900] tief gekränkt [vgl. Erika Wedekind an Frank Wedekind, 29.8.1900]. nicht ziehen zu wollen.“
Ich kann diese Worte nur in dem einen Sinne
verstehen, daß Du | befürchtest, es könnte in Folge dieser Geldangelegenheit
irgend eine Spur von Mißstimmung zwischen uns Beiden übrig geblieben sein. Ich
kann dir die aufrichtige Versicherung geben daß das nicht der Fall ist. Ich
schrieb Dirvgl. Wedekind an Walther Oschwald, 30.8.1900. schon vor vierzehn Tagen, daß es mir nie im Traum eingefallen ist, die
von Dir gebrauchten Ausdrücke Walther Oschwald hatte Wedekind als Querulanten bezeichnet [vgl. Walther Oschwald an Wedekind, 30.5.1900].übelzunehmen. Und nun fürchtest du auch heute
noch, nachdem wir uns so gründlich ausgesprochen, sie könnten irgend einen
störenden Einfluß auf unsere Beziehungen haben! Das ist mir unfaßbar. Wie
kannst du bei deiner eigenen vornehmen Denkungsart mich | für so erbärmlich
kleinlich, für so armselig beschränkt und engherzig halten! Ich bitte Dich
herzlich, mir zu glauben, daß sich an dem ausgezeichneten Einvernehmen, das bis
vor wenigen MonatenDas Verhältnis zwischen Walther Oschwald und Wedekind, die sich seit frühester Jugend aus Lenzburg kannten und gemeinsam zur Schule gingen, war durch eine sich seit Februar hinziehende Erbschaftsangelegenheit, in der Walther Oschwald Wedekind anfangs vertreten hatte, belastet worden und verschlechterte sich, je länger die Auszahlung des von Wedekind dringend benötigten Erbes auf sich warten ließ (siehe dazu die Korrespondenz mit seinem Schwager seit dem 6.1.1900). zwischen uns bestand, nichts geändert hat.
Noch eine erfreuliche Nachricht: Nächsten Winter
wird am ResidenztheaterEine Aufführung von Wedekinds Einakter „Der Kammersänger“ am Dresdner Residenztheater (Direktion: Madeleine Karl) ist nicht belegt. in Dresden mein Kammersänger gegeben. Ich freue mich
sehr, Dich bei der Gelegenheit wiederzusehen, und unseren alten innigen
freundschaftlichen Gedankenaustausch wieder aufnehmen zu können.
Bis dahin verbleibe ich mit | den herzlichsten
Grüßen an Deine liebe Frau und Dich
Dein getreuer Schwager
Frank.
München, den 8. Sept. 1900