T. W.
Donnerstagder 31.3.1910..
Mein lieber Frank,
ich freue mich so sehr, dass der AbendWedekind war am 28.3.1910 in Darmstadt auf einer Soiree bei Willy Burmester zu Gast [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 29.3.1910]. für Dich so
interessant war und Du anscheinend so guter Stimmung bist. Ob wir jemals unbefangen
und gemeinschaftlich so einen Abend verleben werden, kommt mir vor der
Hand nicht sehr wahrscheinlich vor. ‒
Es hat sicher viel Erinnerungen in Dir erweckt, dass Du das gleiche
Zimmer hattest wie vor so langer Zeit. Wir schrieben Dir | Montag eine Karte
nach Hotel Kronprinzvgl. Tilly Wedekind, Pamela Wedekind, Dagobert Newes an Frank Wedekind, 28.3.1910. ‒ Die Bildpostkarte nach Darmstadt wurde verspätet zugestellt, da das Hotel falsch angegeben war; gemeint war das Hotel Zum Prinzen Karl (Karlstraße 1). von unserm wirklich schönen Ausflugnach Höllriegelskreuth und von dort auf die Konradshöhe in Baierbrunn [vgl. Tilly Wedekind, Pamela Wedekind, Dagobert Newes an Frank Wedekind, 28.3.1910].. Als Bertl abends
weggefahren war, kam ich mir bischen verlassen vor.
Er lässt Dich/r/ noch vielmals für alles danken.
Dienstag waren wir spazieren, Nachmittags schickte Frau v. Jacobi
zu uns, ob wir nicht kommen wollen. Wir verbrachten dann ein paar sehr nette
Stunden miteinander.
Gestern und heute hat es un|unterbrochen geschneit, es hat ein
paar Grad Kälte. Ich habe eben mit Annapamela eine Schlittenfahrt durch den
ganzen englischen Garten gemacht. Ich hoffe, dass Du in Berlin gutes Wetter
hast, habe aber doch zur Vorsicht Deinen Wintermantel und Überschuhe gestern abgeschickt.
Du hast sie wohl schon erhalten. Deinen Brief bekam ich Nachmittag. Ich hätte
Dir gleich ge|schrieben aber um 6 Uhr18 Uhr. Die am 30.3.1910 von Tilly Wedekind mit ihrer Cousine Eugenie (Jenny) von Sadkowsky besuchte Vorstellung von Henrik Ibsens Schauspiel „Baumeister Solneß“ im Residenztheater (in der Titelrolle Albert Steinrück) begann um 19.30, die Kasse öffnete um 19 Uhr [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 63, Nr. 147, 30.3.1910, Generalanzeiger, S. 2]. kam Jenny und wir giengen zusammen in „Baumeister
Solneß“, das/er/ mir einen großen Eindruck gemacht hat. Ich würde gern
Deine Abhandlung aus der FackelWedekinds Essay „Schriftsteller Ibsen (‚Baumeister Solneß‘)“ [KSA 5/II, S. 131-144], zuerst vom 2. bis 5.11.1895 in der „Neuen Zürcher Zeitung“ veröffentlicht, dann überarbeitet unter dem Titel „Schriftsteller Ibsen und ‚Baumeister Solneß‘. Ein kritischer Essay“ [KSA 5/II, S. 176-188] am 13.7.1902 in der Münchner Wochenschrift „Freistatt“ gedruckt, erschien in dieser überarbeiteten Fassung [vgl. KSA 5/III, S. 755f.] in der von Karl Kraus in Wien herausgegebenen Zeitschrift „Die Fackel“ [vgl. Frank Wedekind: Schriftsteller Ibsen und „Baumeister Solneß“. Ein kritischer Essay. In: Die Fackel, Jg. 8, Nr. 205, 11.6.1906, S. 5-20]. darüber wieder mal lesen. Wo ist sie? Nachher
haben wir mit Herrn und Frau Albu im Hoftheater Restaurant gegessen u. giengen dann
gleich nach Hause. Wie sind die Dinge in BerlinAnspielung auf Wedekinds Konflikt mit seinem Verleger Bruno Cassirer in Berlin.? Ich bin sehr gespannt auf
Deine nächsten Mitteilungen.
Innigsten Kuss
Deine Tilly.
Viele Küsse, komm’ bald wieder.
Deine Anna Pamela.