T. W.
Samstagder 5.2.1910.
abends.
Mein geliebter Frank,
ich danke Dir für Deinen lieben, ausführlichen Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 4.2.1910.! Der
Sezession Streit mag ja sehr interressantSchreibversehen, statt: interessant. sein, aber ich kann mir denken, dass
Du lieber von Deinen G AngelegenheitenVerlagsangelegenheiten, Wedekinds Auseinandersetzung mit seinem Verleger Bruno Cassirer. sprechen würdest, als den ganzen
Abend von andern Dingen. Hoffentlich triffst Du
Blei und hörst von dem Weiteres über Cassirer. Aber auf Blei ist doch kein
Verlass; wann wollte er nach | Berlin kommen? Schade, dass Liebestrank diesen Woche/inter/
nicht mehr heraus kommtMissverständnis; Wedekind hatte geschrieben, sein Schwank „Der Liebestrank“ werde „im Herbst gespielt“ [Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 4.2.1910] – Premiere war dann am 6.10.1910 am Kleinen Theater (Direktion: Victor Barnowsky)..
Richtig, vom Verlag Langen ist
eine Postanweisung für 45 M. gekommen. Soll ich sie Dir nach Berlin oder Düsseldorf senden, oder
soll ich das Geld mitbringen?
Gestern giengen wir noch zu Frl. Goebel, meiner SchneiderinAuguste Goebel, Damenschneiderin in München (Ainmillerstraße 32) [vgl. Adreßbuch für München 1910, Teil I, S. 171], schneiderte Tilly Wedekind Kostüm für die Rolle der Kadidja in „Die Zensur“ – der Einakter wurde ebenso wie „Totentanz“ und „Hidalla“ während des Gastspiels am Düsseldorfer Lustspielhaus vom 14. bis 17.2.1910 aufgeführt.. Sie macht mir aus dem Batist von Mama und den Stickereien
ein Kleid für „Zensur“. Es wurde ziemlich spät und als wir | fortgiengen sahen
wir bei Langheinrichsbei Anna Langheinrich (geb. von Seidlitz) und Max Langheinrich (Theresienstraße 34) [vgl. Adreßbuch für München 1910, Teil I, S. 320]. oben Licht. Wir giengen hinauf und wirklich Frau
Langheinrich u. Toni waren seit 2 Tagen aus Kropfmühl zurückAnna Langheinrich (geb. von Seidlitz) und ihr Sohn Anton Langheinrich. Sie und Max Langheinrich waren unternehmerisch in Kropfmühl tätig, „wo seit 1876 Graphit abgebaut wurde. Im Jahr 1908 ging die ertragreiche Grube in den Besitz der neugegründeten Firma Max & Anna Langheinrich KG über. Offizielle Firmengründerin, d. h. persönlich haftende Gesellschafterin, war Anna von Seidlitz-Langheinrich, seit 1905 verheiratet mit Max Langheinrich. Die Kommanditgesellschaft wurde 1916 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 120] Die Firma „M. & A. Langheinrich Graphitgewinnung u. Verwertung“ [Adreßbuch für München 1910, Teil I, S. 320] hatte dieselbe Adresse wie die Wohnung (Theresienstraße 34), beide Ehepartner einzeln aufgeführt und als Teilhaber der Firma ausgewiesen.. Sie will 14 Tage
bleiben, gerade solange wir in Düsseldorf sind. Er arbeitet in Kropfmühl. Wir
blieben eine halbe Stunde. Vielleicht sehen wir uns dieser Tage noch einmal.
Heute hat es sehr stark geschneit, Vormittag waren wir zu
Hause. Ich studierte „Toten|tanz“für das Gastspiel am Düsseldorfer Lustspielhaus (siehe oben). u. wiederholte „Hidalla“Repetieren der Rolle in diesem Stück für das Gastspiel am Düsseldorfer Lustspielhaus (siehe oben).. Nachmittags waren
wir fort, es war herrliche, frische Luft, Anna Pamela ist Gottlob frisch u.
munter, sie fragt schon jeden Tag, ob wir wegfahren.
Sonst weiß ich gar nichts Neues, ausser dass ich Dich sehr
lieb habe, aber das ist für Dich doch auch nichts Neues mehr.
Innigst umarmt Dich
Deine Tilly
Warst Du bei ReinhardtGemeint sind die Bühnen unter der Direktion von Max Reinhardt, das Deutsche Theater zu Berlin und die Kammerspiele des Deutschen Theaters. Wedekind hat dem Tagebuch zufolge während seines Aufenthalts in Berlin vom 1. bis 6.2.1910 kein Theater besucht.?
Oder in andern Theatern?