Kartenbrief
An
Frau Tilly Wedekind
in München
Wohnung (Straße und Hausnummer) Prinzregentenstrasse
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Geliebteste Tilly! Herzlichsten Dank für Deinen Briefvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 4.2.1910. der
mich sehr erfreut hat. Ich freue mich so, daß es euch beiden gut geht. Ich
fahre Morgen Sonntagder 6.2.1910, an dem Wedekind notierte: „Koffer gepackt, im Hotel diniert. Bei Cassirer Café getrunken. Im Lindenrestaurant zu Abend gegessen. Abfahrt nach Düsseldorf“ [Tb]. Abend nach Düsseldorf, bin übermorgender 7.2.1910, an dem Wedekind notierte: „Ankunft in Düsseldorf“ [Tb] – zum Gastspiel vom 14. bis 17.2.1910 im Lustspielhaus. früh dort. Theodor
Wolff war gestern nachmittagam 4.2.1910, an dem Wedekind notierte: „Versuche vergeblich Theodor Wolff zu sprechen.“ [Tb] nicht zu treffen, ich dachte
schon er will nicht. Um 10 Uhr22 Uhr. Wedekind notierte am 4.2.1910 zu seinem Besuch im Weinlokal Eugen Steinert (Kurfürstendamm 22): „Bei Steinert mit der ganzen Sezession“ [Tb]. ging ich zu Steinert. Gleich darauf kam die
ganze Sezession, aber nur Herren und eine Anzahl Ungarischer Maler, die hier
eine Ausstellung bei CassirerIm Kunstsalon Paul Cassirer (Victoriastraße 35) war vom 9.1.1910 bis 9.2.1910 die Gemäldesammlung der Hamburger Galerie Eduard L. Behrens – die Familie hatte „den gesamten Besitz der Kunsthandlung Cassirer leihweise zur Ausstellung überlassen“ [Aus dem Berliner Kunstleben. In: Norddeutsche Allgemeine Zeitung, Jg. 49, Nr. 27, 2.2,1910, Unterhaltungsbeilage, S. (1)] – zu sehen. „Ungarische Maler waren in dieser Ausstellung nicht vertreten“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 118]. haben. Ich saß neben einem alten Herrnnicht identifiziert., der mit
Makart und Böcklin in München studiert hat. Nachher gingen Cassirer Slevogt und
ich ins Café SezessionWedekind notierte am 4.2.1910 den Besuch im Café Kutschera, genannt Café Secession (Bismarckstraße 109): „Im Sezessionskaffee mit Paul Cassirer und Slevogt.“ [Tb], wo der Fall Bruno CassirerWedekinds in seinen Notizbüchern unter dem Stichwort „Contra Cassirer“ [vgl. KSA 5/III, S. 126-141] dokumentierten Streitigkeiten mit seinem Verleger Bruno Cassirer. gründlich durchgesprochen
wurde. |
HeuteWedekind notierte am 5.2.1910 seinen Besuch beim „Berliner Tageblatt“ (Jerusalemer Straße 46-49), sein Gespräch mit dem Chefredakteur Theodor Wolff und mit dem Feuilletonredakteur Fritz Engel, sowie ein anschließendes Bankett im Restaurant Kannenberg – Hotel Stadt Berlin (Dorotheenstraße 84): „Ich fahre zum Berliner Tageblatt. Theodor Wolff empfängt mich sehr liebenswürdig. Unterredung mit Fritz Engel. Banket der Ungarischen Maler.“ [Tb] Die ungarischen Maler (siehe oben) sind nicht identifiziert, Verbindungen zu Ungarn hatten durch ihre Herkunft aber die anwesenden Schriftsteller Ludwig Hatvany und Arthur Holitscher, Verbindungen zur Kunst der Feuilletonredakteur Fritz Stahl, seit 1897 Kunstkritiker des „Berliner Tageblatt“, und der Galerist Paul Cassirer. Frank Wedekind war schon einmal – gemeinsam mit Tilly Wedekind – auf einem Bankett in diesem Restaurant gewesen, das seinerzeit Artur Landsberger gegeben hatte, am 12.12.1907: „Dr. Landsberger giebt ein Banket bei Kannenberg.“ [Tb] ging ich direkt aus dem Bett aufs Berliner Tageblatt,
wurde von Theodor Wolff mit offenen Armen empfangen, und hatte dann eine
halbstündige Unterredung mit Fritz Engel. Ich glaube meine Absichten erreicht
zu haben, nachher war ein Diner der Ungarischen
Maler in der Dorotheenstraße bei Kannenberg, wo wir mit Landsberger waren.
Hatwany Holitscher Fritz Stahl Cassirer und ich trangenSchreibversehen, statt: tranken. auf Dein Wohl. Heute
AbendWedekind notierte am 5.2.1910 sein Treffen mit dem befreundeten Arthur Holitscher im Weinlokal Eugen Steinert (Kurfürstendamm 22): „Am Abend mit Holitscher bei Steinert.“ [Tb] haben Holitscher und ich uns zu Steinert verabredet. Vielleicht kommt
noch Welti.
Und nun leb WohlSchreibversehen, statt: wohl., geliebteste Tilly, küsse Anapamela von
mir. Bleibt gesund! Auf baldiges Wiedersehn
Dein Frank.