T. W.
Donnerstag.
2./IV.08.
Mein geliebter Frank,
es liegt absolut nichts ausserordentliches vor, ich habe Dir
aber doch einiges zu schreiben. Vor allem bin ich (2) absolut nicht mutlos, und
bilde mir ein, dass meine Zeilenvgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 31.3.1908. sogar einen gewissen Humor hatten oder
wenigstens haben sollten.
Das Gastspiel in Graz ist mir nun aber nicht Nebensache, u. möchte
ich ganz bestimmt am 23.am 23.4.1908; an diesem Tag stand Tilly Wedekind allerdings bei dem Gastspiel am Theater am Franzensplatz in Graz (23. bis 25.4.1908) nicht auf der Bühne („Frühlings Erwachen“ wurde ohne sie gespielt). Sie spielte dann aber am 24.4.1908 in „Rabbi Esra“ den Moses und in „Der Kammersänger“ dann gleich zwei Rollen – Frau Helene Marowa und Miss Isabel Coeurne [vgl. Grazer Tagblatt, Jg. 18, Nr. 113, 24.4.1908, Morgen-Ausgabe, S. 11] – und am 25.4.1908 in „Erdgeist“ die Lulu. dort | spielen. Du findest das vielleicht überflüssig,
aber wenn daraus nun auch nichts würde, dann wäre ich allerdings mutlos. Du
sagtest Sonntag oder Montagam 29. oder 30.3.1908 in Berlin., es hätte mich wahrscheinlich verstimmt dasSchreibversehen, statt: dass. aus
Budapest nichts wirdaus einem Gastspiel in Budapest.; wahrscheinlich hast Du recht. Ich freue mich das ganze
Jahr auf Gastspiele, die dann zu Wasser werden. Ich kann mir
eben die Schauspielerei auch nicht ganz abgewöhnen, und das | verlangst Du ja
auch gar nicht. Du darfst das alles nicht falsch auffassen, lieber Frank; ich glaube
dass ich damit nichts Unmögliches verlange. Also nicht wahr, es bleibt dabei!?
Was schrieb Dir das Hebbel-Theater?Hinweis auf ein nicht überliefertes Schreiben; erschlossenes Korrespondenzstück: Hebbel-Theater an Wedekind, 28.3.1908. Wer geschrieben hat – der Direktor Eugen Robert oder der administrative Leiter des Berliner Hebbel-Theaters Adolf Edgar Licho [vgl. Neuer Theater-Almanach 1908, S. 262] – ist unklar. Wedekinds Tagebuch zufolge hat er am 22.2.1908 mit dem administrativen Leiter über ein Gastspiel verhandelt („Licho kommt wegen Hebbeltheater“) und am 17.3.1908 mit dem Direktor einen provisorischen Vertrag geschlossen („Mit Dr. Robert vom Hebbeltheater schließe ich provisorischen Contrakt“); das Gastspiel fand nicht statt. Bitte, schreib’ es mir bald. Wenn es doch
was würde, kannst Du mir eine große Freude damit machen!
Das Packen lasse ich vielleicht noch bis Du kommst, es
genügt ja, dass ich alles vorrichte und das kann ich in aller Ruhe u. Behaglichkeit.
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Felix Bloch Erbender für den Bühnenvertrieb der Stücke „Marquis von Keith“ und „So ist das Leben“ zuständige Verlag, mit dem Wedekind den Vertrag zwar am 1.6.1907 gekündigt hat, die Kündigung aber erst am 1.6.1908 rechtskräftig wurde [vgl. Wedekind an Felix Bloch Erben, 20.9.1909]. hat 239.13 M. geschickt. Ich habe es quittiert. Ist es recht?
Darf ich 100 M. davon nehmen u. dann verrechnen? Ich hätte Dich sonst heute um
Geld bitten müssen. 5/4/8 Mä. MädchenlohnLohn für das Kindermädchen., einige Rechnungen, so ist mir
nicht sehr viel geblieben. Ich möchte mir gern für Miss Coeurnefür die Rolle der jungen Engländerin Miss Isabel Coeurne in „Der Kammersänger“, die Tilly Wedekind dann in Graz spielte (siehe oben). Jahre zuvor ist Tilly Newes in dieser Rolle „erstmals in einem Stück Wedekinds aufgetreten“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 83], als „Der Kammersänger“ schon einmal am Theater am Franzensplatz in Graz gespielt wurde (Premiere: 6.2.1903) [vgl. Grazer Volksblatt, Jg. 36, Nr. 58, 6.2.1903, Morgen-Ausgabe, S. 10]. das Costüm
kaufen, wenn es Dir recht ist.
Wenn ich Dir Wäsche nachschicken soll, schreib’ mir bitte.
Anna Pamela ist gottlob recht munter, und meine ganze Freude!
Innigen Kuss
Deine Tilly