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Lenzburg,
Freitagder 13.9.1907..
Mein lieber Frank,
wir sind also ausgezeichnet untergebracht. Wir bewohnen
Mati’s Zimmer, Anna Pamela hat einen Liege-wagen zum Schlafen von Mati’s
Freundinnicht identifiziert..
Das alles interessiert Dich aber gar nicht.
Mama u. Mati sind sehr lieb zu mir.
Ich habe natürlich gleich ausgepackt, bis zu Tisch war Ordnung. Nach Tisch habe
ich bis 6 Uhr geschlafen. |
Ich habe gedacht, ich werde halbtot todt hier ankommen, es ist aber gar nicht der Fall. Das Wetter ist
wunderschön u. warm, morgens starker Nebel, bis Mittag aber immer Sonnenschein,
schöner wie im Sommer. Natürlich kann man auch kalt baden. Mati erzählte mir
viel von den Aufführungen in VindonissaIm restaurierten Amphitheater von Vindonissa, den Ruinen einer antiken Römerstadt in der Nähe von Brugg im Aargau, haben unter der Regie von Rudolf Lorenz mit Bühnenkünstlern des Meininger Hoftheaters und Laiendarstellern sechs Vorstellungen von Friedrich Schillers Drama „Die Braut von Messina“ unter freiem Himmel stattgefunden, regulär am 18.8.1907, 25. und 28.8.1907, 1. und 8.9.1907 sowie als zusätzlichem Spieltag am 4.9.1907 – beworben als „Aufführungen mit Sprechchören von 400 Personen“ [Berliner Tageblatt, Jg. 36, Nr. 394, 6.8.1907, Morgen-Ausgabe, 1. Beiblatt, S. (4)]. Die Presse berichtete: „Die Macht der Chöre, das heißt das gemeinsam gesprochene Wort von gegen 400 Personen war einfach überwältigend, großartig, und Tausende von Zuhörern wurden bis in die innerste Seele ergriffen von diesem Herz und Sinn gefangen nehmenden Werke unseres größten und liebsten Dichters. Nicht nur die Jugend wurde hingerissen: in manches Mannes Auge glänzte eine Träne über dem Walten des schaurigen Schicksals, dem das unheilvolle Haus des Fürsten von Messina anheimfällt. Neben den Chören, zu denen das Städtchen Brugg die große Mehrzahl gestellt hat, wirkten in wahrhaft meisterhafter Weise Berufsschauspieler aus Meiningen“ [Zürcher Wochen-Chronik, Nr. 36, 7.9.1907, S. 286].. Stand eigentlich nichts davon in den
Zeitungen?
Ich glaube, ich werde mich hier wohl fühlen. |
Wie geht es Dir, mein lieber Frank? Ich hoffe, Du kommst nun zu der ersehnten Ruhe, u. Stimmung. Ich kann Dir ja leider durch nichts
anderes nützen, als wenn ich Dir fern bleibe. Ich bin zufrieden,
wenn ich Dir damit nützen kann.
Lebwohl, denk’ nicht mit Groll an mich.
Deine Tilly
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Viele Grüße von Mama u. Mati.