Kennung: 302

Stuttgart, 14. März 1891 (Samstag), Brief

Autor*in

  • Kürschner, Joseph

Adressat*in

  • Wedekind, Frank

Inhalt

14/3 91.

Herrn Fr. Wedekind.
München.
Akademiestrasse 21.

Sehr geehrter Herr!
Empfangen Sie meinen freundlichsten Dank für die ZusendungHinweis auf ein nicht überliefertes Begleitschreiben zur Buchsendung; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Joseph Kürschner, 13.3.1891. Wedekind hatte Joseph Kürschner in Stuttgart (Alexanderstraße 3), Geheimer Hofrat, Professor und „litterarischer Direktor der Deutschen Verlagsanstalt“ [Adreß- und Geschäfts-Handbuch der Königlichen Haupt- und Residenzstadt Stuttgart für das Jahr 1891, Teil I, S. 175], die Erstausgabe von „Kinder und Narren. Lustspiel in vier Aufzügen“ (1891), soeben „als Privatdruck [...] bei der Münchner Druckerei R. Warth“ [KSA 2, S. 643] erschienen, geschickt, da er auf der Suche nach einem Verlag war, „der das Buch in zweckentsprechender Form“ [Wedekind an Paul Heyse, 9.3.1891] veröffentlichte (eben kein Privatdruck); er dürfte sein Lustspiel der Deutschen Verlags-Anstalt zum Druck angeboten haben. Ihres Dramas, aus dem ich mit lebhaftem Interesse ersehe, dass Sie darin meinem Quart-Lexikon eine Rolle übertragenWedekind hat in seinem Lustspiel „Kinder und Narren“ (1891) „Kürschners Quart-Lexikon. Ein Buch für Jedermann“ (1888), ein von Joseph Kürschner in Berlin und Stuttgart im Verlag von W. Spemann herausgegebenes Konversationslexikon im Quart-Format [vgl. KSA 2, S. 697], in der Szene I/3 zitiert (die Direktorin Pansegrau beschlagnahmt es von den Schülerinnen, Erna liest): „und alsbald erklärt sich Anna Launhart für die Eigentümerin. Inquiriert, wie sie in den Besitz des dickleibigen Buches gelangt, sagt Anna aus, sie habe ‚Kürschners Quartlexikon‘ vor drei Jahren von ihrer lieben Mama zu Weihnachten erhalten und noch bis zum heutigen Tage nichts darin gefunden, was man nicht lesen könne. Hierauf entgegnet Frau Direktorin, sie, Frau Direktorin, habe sehr vieles darin gefunden, was ein junges Mädchen nicht lesen könne, ja, was dazu angethan, das Lebensglück eines jungen Mädchens zu untergraben! – Nun Anna das dickleibige Buch ‚Kürschners Quartlexikon‘ aber zu Weihnachten erhalten, sei sie jeder Anschuldigung enthoben – wobei sie dem alten Ilsebein einen Wink erteilte, das Corpus dilecti zu entfernen ...“ [KSA 2, S. 111] haben. Leider bin ich nicht in der Lage, Ihren Wunsch betreffs eines Verlags zu erfüllen. Vielleicht wenden Sie sich damit an die Reclam’sche Universal-Bibliothekdie 1867 im Verlag Philipp Reclam jun. in Leipzig gegründete Reihe „Reclam’s Universal-Bibliothek“, die preiswerte broschierte Bände zunächst mit Texten von Klassikern, dann aber auch moderne dramatische Literatur bot., die in der letzten Zeit sehr häufig moderne Dramen | gedruckt hat. Was das Opus selbst anlangt, so verbietet mir momentane Arbeitsüberhäufung leider die eingehende Prüfung. Vielleicht wenden Sie sich aber vielleicht mit Bezug auf mich entweder an Herrn Friedrich AlgardiFriedrich Algardi (Pseudonym: Gustav Wacht) war Schriftsteller in Mannheim (N.I.3) [vgl. Deutscher Litteratur-Kalender auf das Jahr 1891, Teil II, Sp. 10] und mit Joseph Kürschner befreundet. in Mannheim N.I.3 oder an Herrn Karl GleissenbergCarl Gleißenberg (früher Schauspieler) war Bürovorsteher in Berlin (Charlottenstraße 85) [vgl. Berliner Adreß-Buch für das Jahr 1891, Teil I, S. 363] und zwar Verwaltungsdirektor der Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger, die den „Neuen Theater-Almanach“ herausgab, den er redigierte; ihm wurde entsprechend gedankt: „Ganz besonders [...] müssen wir der uneigennützigen und aufopfernden Förderung gedenken, welche Carl Gleißenberg, der Redakteur des ‚Neuen Theater-Almanachs‘, uns und unserer Sache hat zu Theil werden lassen. Wir meinen, ihm nicht besser lohnen zu können, als wenn wir an dieser Stelle den Dank der Genossenschaft zum Ausdruck bringen.“ [Neuer Theater-Almanach 1891, (nicht paginierte gedruckte Seite nach Titelblatt)] Joseph Kürschner hat wie er in früheren Jahren die Zeitung „Deutsche Bühnen-Genossenschaft“ redigiert, woraus sich die Bekanntschaft ergeben haben dürfte., Berlin, Charlottenstrasse 85. Beide Herrn sind gewiss geneigt, Ihren Wunsch zu erfüllen, wenn Sie sich auf mich beziehen.
Es würde mich freuen, s. Zt. von Ihnen zu hören, wo das Drama zur Aufführung gelangt„Kinder und Narren“ gelangte nicht zur Aufführung; erst die überarbeitete Fassung „Die junge Welt“ (1897) wurde am 22.4.1908 unter der Regie von Georg Stollberg am Münchner Schauspielhaus uraufgeführt [vgl. KSA 2, S. 745]. ist.
Indem ich Ihnen nochmals verbindlichst danke, bin ich
Ihr sehr ergebener
Kürschner

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 2 Seiten beschrieben

Schrift:
Maschinenschrift. Lateinische Schrift.
Schreibwerkzeuge:
Schreibmaschine. Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 14 x 22 cm.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Es handelt sich bei dem Brief um einen eigenhändig unterzeichneten Durchschlag eines maschinenschriftlichen Originals.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    Stuttgart
    14. März 1891 (Samstag)
    Sicher

  • Absendeort

    Stuttgart
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    München
    Datum unbekannt

Informationen zum Standort

Goethe- und Schiller-Archiv ‒ Klassik Stiftung Weimar

Jenaer Straße 1
99425 Weimar
Deutschland

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Bestand Kürschner
Signatur des Dokuments:
GSA 55/12256
Standort:
Goethe- und Schiller-Archiv ‒ Klassik Stiftung Weimar (Weimar)

Danksagung

Wir danken dem Goethe- und Schiller-Archiv ‒ Klassik Stiftung Weimar für die freundliche Genehmigung der Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Joseph Kürschner an Frank Wedekind, 14.3.1891. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Mirko Nottscheid

Überarbeitet von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

12.06.2024 10:27