Dr.
Wilhelm Rosenthal
Ludwig Strauss III
Rechtsanwälte.
Telephonruf Nr. 171.
München, den 12. Oktober 1907
Fürstenfelderstr. 10/II.
Herrn
Frank Wedekind
Berlin
Sehr verehrter Herr Wedekind,
Von Frau Strindberg erhalte ich heute den hier abschriftlich
anliegenden Brief.
Dieser Brief spricht für sich selbst und ich übersende inSchreibversehen, statt: ihn.
Ihnen auch nur, damit Sie über die momentane Stimmung der Frau Strindberg
unterrichtet sind.
Ich habe Herrn Prof. Löwenfeld geschrieben, ob er glaubt,
dass trotz dieses Briefes noch eine Einigung möglich ist; ich | bitte Sie
deshalb jedenfalls um gütige Mitteilung auf meine Anfrage vom 8.vgl. Wilhelm Rosenthal an Wedekind, 9.10.1907. Wilhelm Rosenthal irrt sich hier um einen Tag im Datum. Er hatte einen Vorschlag über die Modalitäten der Unterhaltszahlungen für Wedekinds Sohn Friedrich Strindberg unterbreitet und bat um Zustimmung. cr.currentis; (lat.): des laufenden Monats (oder: Jahres).
Mit den besten Grüssen wie immer
Ihr sehr ergebener
DWRosenthal
Rechtsanwalt.
[Beilage: Frida
Strindberg an Wilhelm Rosenthal, 12.10.1907:]
Abschrift!
Veithgasse 3, III. Wien.
Sehr
geehrter Herr Doctor!
Haben Sie nochmals Dank für eine FreundlichkeitZusammenhang nicht ermittelt., die Ihnen
meine Nervosität schlecht lohnte.
Ich habe mein Söhnchen inzwischen in Stockerauim städtischen Schülerheim Stockerau zum Besuch des dortigen Landes-Realgymnasiums [vgl. Wilhelm Rosenthal an Wedekind, 3.10.1907]. Die genannte Beilage ist nicht überliefert.untergebracht wie sie aus Beil. ersehen.
Nack Rücksprache mit meinem hiesigen RechtsanwalteEs dürfte sich um den Rechtsanwalt Dr. Robert Gruber in Wien handeln (Lichtenfelsgasse 5) [vgl. Lehmanns Allgemeiner Wohnungs-Anzeiger […] für […] Wien 1908, Bd. 1, Teil IV, S. 464]. Er vertrat später Frida Strindberg erfolgreich als Beklagte in einem Ehrbeleidigungsprozess gegen Karl Fröhlich, den sie der Erpressung bezichtigt hatte [vgl. Neues Wiener Journal, Jg. 16, Nr. 5439, 11.12.1908, S. 9]. Ihr Vorhaben, ihn als Vormund für Friedrich Strindberg einzusetzen, wurde von ihrer Familie verhindert [vgl. Friedrich Strindberg an Wedekind, 11.4.1914]. und
treuestem Freunde,
Bubi’s künftigen VormundeIn einem späteren Brief nannte Frida Strindberg gegenüber Wilhelm Rosenthal als Vormund für Friedrich Strindberg „Dr. Karl Wachter, Tiefer Graben 11“ [Beilage zu Wilhelm Rosenthal an Wedekind, 12.3.1908]. Es dürfte sich dabei um den Notar Dr. Karl Wagner gehandelt haben, der unter der angegebenen Adresse im Wiener Adressbuch verzeichnet ist [vgl. Lehmanns Allgemeiner Wohnungs-Anzeiger […] für […] Wien 1908, Bd. 2, Teil VII, S. 1210]. hat sich mein durch Herrn Wedekinds Verhalten gereifter Entschluss
vollensSchreibversehen, statt: vollends. gefestigt.
Ich denke nicht mehr daran, mit Herrn Wedekind jenes naive Abkommen zu
treffen, das eigentlich mich zur Alimentation verpflichtet, und ihm die
Rechte eingeräumtSchreibversehen, satt: einräumt..
Ich habe Jahre lang für Herrn Wedekind
Not gelitten, denn für sein Kind.
Ich bin heute zum Zusammenbrechen müde, von Sorgen und
Schulden so | überlastet, dass ich nicht aus noch ein weiss.
Natur- U/u/nd Menschengesetz befehlen, dass der Mann
für sein Kind sorgt, wenn schon nicht für die Frau.
Ich bin kein Lasttier und mag nicht länger Ausbeutungsobjekt
sein. Herr Wedekind soll meine Hände ansehen –
dann seine daneben und – für sein Kind arbeiten. Will er nicht dafür schaffen, so soll er
die Verantwortung tragen, dem Kinde gegenüber. Man setzt nicht Kinder in die
Welt, damit die Mütter daran zu Grunde gehen. Wehe dem Manne, der ein Weib
zwingt, den Tag zu verfluchen, an dem sie sich ihm in Liebe gab.
Herr Wedekind wird ganz für sein Kind
sorgen müssen, fortab. Wie es sich für einen Mann gehört. Nimmt er diese
Pflicht eines jeden anständigen Menschen nicht freiwillig auf sich, gut;
wenn nicht, – – – auch gut.
Der Weg ist beschritten. Dann wird sein zehnjähriger
Knabe den fremden | Richter anrufen zum Schutze gegen den eigenen Vater. Und
nichts auf
der Welt wird das je wieder von Frank
– Wedekind weggewaschenSchreibversehen, statt: wegwaschen.
– – denn ich bin Kalt und hart und erbarmungslos gegen ihn geworden und – –
Kenne meine Macht! – –
Ich bitte Sie sehr, verehrter Doktor, Herrn Wedekind gütigst von diesem in Kenntnis zu setzen
und stelle es ihnenSchreibversehen, statt: Ihnen. frei, ihm diesen Brief zu senden.
Mit allervorzüglichster Hochachtung:
gez: Fridl/a/ Stindberg.
Pro copia(lat.) die Richtigkeit der Abschrift wird bestätigt.:
DWRosenthal
Rechtsanwalt!