Kennung: 2984

München, 12. Oktober 1907 (Samstag), Brief

Autor*in

  • Rosenthal, Wilhelm

Adressat*in

  • Wedekind, Frank

Inhalt

Dr. Wilhelm Rosenthal
Ludwig Strauss III
Rechtsanwälte.
Telephonruf Nr. 171.


München, den 12. Oktober 1907
Fürstenfelderstr. 10/II.


Herrn
Frank Wedekind
Berlin


Sehr verehrter Herr Wedekind,

Von Frau Strindberg erhalte ich heute den hier abschriftlich anliegenden Brief.

Dieser Brief spricht für sich selbst und ich übersende inSchreibversehen, statt: ihn. Ihnen auch nur, damit Sie über die momentane Stimmung der Frau Strindberg unterrichtet sind.

Ich habe Herrn Prof. Löwenfeld geschrieben, ob er glaubt, dass trotz dieses Briefes noch eine Einigung möglich ist; ich | bitte Sie deshalb jedenfalls um gütige Mitteilung auf meine Anfrage vom 8.vgl. Wilhelm Rosenthal an Wedekind, 9.10.1907. Wilhelm Rosenthal irrt sich hier um einen Tag im Datum. Er hatte einen Vorschlag über die Modalitäten der Unterhaltszahlungen für Wedekinds Sohn Friedrich Strindberg unterbreitet und bat um Zustimmung. cr.currentis; (lat.): des laufenden Monats (oder: Jahres).

Mit den besten Grüssen wie immer
Ihr sehr ergebener
DWRosenthal
Rechtsanwalt.



[Beilage: Frida Strindberg an Wilhelm Rosenthal, 12.10.1907:]


Abschrift!


Veithgasse 3, III. Wien.


Sehr geehrter Herr Doctor!

Haben Sie nochmals Dank für eine FreundlichkeitZusammenhang nicht ermittelt., die Ihnen meine Nervosität schlecht lohnte.

Ich habe mein Söhnchen inzwischen in Stockerauim städtischen Schülerheim Stockerau zum Besuch des dortigen Landes-Realgymnasiums [vgl. Wilhelm Rosenthal an Wedekind, 3.10.1907]. Die genannte Beilage ist nicht überliefert.untergebracht wie sie aus Beil. ersehen.

Nack Rücksprache mit meinem hiesigen RechtsanwalteEs dürfte sich um den Rechtsanwalt Dr. Robert Gruber in Wien handeln (Lichtenfelsgasse 5) [vgl. Lehmanns Allgemeiner Wohnungs-Anzeiger […] für […] Wien 1908, Bd. 1, Teil IV, S. 464]. Er vertrat später Frida Strindberg erfolgreich als Beklagte in einem Ehrbeleidigungsprozess gegen Karl Fröhlich, den sie der Erpressung bezichtigt hatte [vgl. Neues Wiener Journal, Jg. 16, Nr. 5439, 11.12.1908, S. 9]. Ihr Vorhaben, ihn als Vormund für Friedrich Strindberg einzusetzen, wurde von ihrer Familie verhindert [vgl. Friedrich Strindberg an Wedekind, 11.4.1914]. und treuestem Freunde, Bubi’s künftigen VormundeIn einem späteren Brief nannte Frida Strindberg gegenüber Wilhelm Rosenthal als Vormund für Friedrich Strindberg „Dr. Karl Wachter, Tiefer Graben 11“ [Beilage zu Wilhelm Rosenthal an Wedekind, 12.3.1908]. Es dürfte sich dabei um den Notar Dr. Karl Wagner gehandelt haben, der unter der angegebenen Adresse im Wiener Adressbuch verzeichnet ist [vgl. Lehmanns Allgemeiner Wohnungs-Anzeiger […] für […] Wien 1908, Bd. 2, Teil VII, S. 1210]. hat sich mein durch Herrn Wedekinds Verhalten gereifter Entschluss vollensSchreibversehen, statt: vollends. gefestigt.

Ich denke nicht mehr daran, mit Herrn Wedekind jenes naive Abkommen zu treffen, das eigentlich mich zur Alimentation verpflichtet, und ihm die Rechte eingeräumtSchreibversehen, satt: einräumt..

Ich habe Jahre lang für Herrn Wedekind Not gelitten, denn für sein Kind.

Ich bin heute zum Zusammenbrechen müde, von Sorgen und Schulden so | überlastet, dass ich nicht aus noch ein weiss.

Natur- U/u/nd Menschengesetz befehlen, dass der Mann für sein Kind sorgt, wenn schon nicht für die Frau.

Ich bin kein Lasttier und mag nicht länger Ausbeutungsobjekt sein. Herr Wedekind soll meine Hände ansehen – dann seine daneben und – für sein Kind arbeiten. Will er nicht dafür schaffen, so soll er die Verantwortung tragen, dem Kinde gegenüber. Man setzt nicht Kinder in die Welt, damit die Mütter daran zu Grunde gehen. Wehe dem Manne, der ein Weib zwingt, den Tag zu verfluchen, an dem sie sich ihm in Liebe gab.

Herr Wedekind wird ganz für sein Kind sorgen müssen, fortab. Wie es sich für einen Mann gehört. Nimmt er diese Pflicht eines jeden anständigen Menschen nicht freiwillig auf sich, gut; wenn nicht, – – – auch gut.

Der Weg ist beschritten. Dann wird sein zehnjähriger Knabe den fremden | Richter anrufen zum Schutze gegen den eigenen Vater. Und nichts auf der Welt wird das je wieder von Frank – Wedekind weggewaschenSchreibversehen, statt: wegwaschen. – – denn ich bin Kalt und hart und erbarmungslos gegen ihn geworden und – – Kenne meine Macht! – –

Ich bitte Sie sehr, verehrter Doktor, Herrn Wedekind gütigst von diesem in Kenntnis zu setzen und stelle es ihnenSchreibversehen, statt: Ihnen. frei, ihm diesen Brief zu senden.

Mit allervorzüglichster Hochachtung:
gez: Fridl/a/ Stindberg.


Pro copia(lat.) die Richtigkeit der Abschrift wird bestätigt.:
DWRosenthal
Rechtsanwalt!

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 3 Blatt, davon 5 Seiten beschrieben

Schrift:
Maschinenschrift.
Schreibwerkzeuge:
Schreibmaschine.
Schriftträger:
1. Brief: Papier. 1 Blatt. 2 Seiten beschrieben. 22,5 x 29 cm. Mit gedrucktem Briefkopf. Gelocht. 2. Beilage: Papier. 2 Blatt. 3 Seiten beschrieben. 21 x 33 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
In der Beilage wurden zwei Stellen mit Bleistift korrigiert.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    München
    12. Oktober 1907 (Samstag)
    Sicher

  • Absendeort

    München
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Berlin
    Datum unbekannt

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 165a
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Wilhelm Rosenthal an Frank Wedekind, 12.10.1907. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Tilman Fischer

Zuletzt aktualisiert

16.08.2024 15:30