Lieber Herr WedekindFrank Wedekind traf am 16.8.1886 in Lenzburg ein [vgl. Vinçon 2021, Bd. 2, S. 116], wo sich Karl Henckell, stud. phil. und Schriftsteller in Lenzburg [vgl. Deutscher Litteratur-Kalender auf das Jahr 1887, S. 120], der seinerzeit „wöchentlich“ zum Schloss Lenzburg „hinauf steigt, auch wegen Franklins jüngerer Schwester Erika“ [Vinçon 2014, S. 39], im Sommer 1886 aufhielt.! Falls Sie etwa ein billet-dous(frz.) kurzer Liebesbrief, schriftliche Liebeserklärung. vermuthet haben sollten, so ist
das ein Irrthum. Ich bitte um Verzeihung, wenn ich diesen holden Wahn, der
jetzt schon gelüftet, herbeigeführt haben sollte.
Was mir äußerst intensiv im Kopfe herumgeht und
mich zu dieser kuriosen schriftlichen Meinungsäußerung ‒ pardon, Fräulein FridaErika Wedekind – mit vollem Namen: Frida Marianne Erika Wedekind. sagt, „nur die Narren meinenRedensart.[“]
‒ item(lat.) kurzum. (lat.) kurzum.
Meinungsäußerung veranlaßt, das ist der Ihnen
schon angedeutete Gedanke einer zu gründenden
ZeitschriftDas Zeitschriftenprojekt wurde nicht realisiert.. Sie schienen einer solchen Idee ja auch nicht totaliter(lat.) ganz und gar. abgeneigt ‒ wie wäre
es, wenn wir die Sache einmal etwas näher und ernstlicher ins Auge faßten,
vorausgesetzt, daß Sie Lust haben, mit mir gemeinsam ein gewis nicht
unnützliches Werk zu beginnen?
Es bedarf eben in erster Linie des festen und
entschiedenen Willens ‒ das Weitere
macht sich dann, wie man zu sagen pflegt, von selbst. Das Selbst sind dann eben
wir und unser Wille.
Zur Gewinnung eines unternehmungslustigen
Verlegers könnte man ja vorläufig, ohne andere Bemühungen auszuschließen, den,
nicht mehr ungewöhnlichen Inseratenweg betreten? ‒ Das Weitere bei der kolossalen Entfernung unserer
beiderseitigen DomizileKarl Henckell wohnte in Lenzburg bei seinem Bruder Gustav Henckell (er hatte dort im Vorjahr eine Konservenfabrik gegründet), Wedekind wohnte auf Schloss Lenzburg über der Stadt – insofern war die Entfernung zwischen beiden Domizilen gering. brieflich durchzuschwätzen, halte ich für mindestens
papierverschwenderisch; diese Zeilen vorzüglich deshalb, weil ich
endlich einmal eines dieser mir von geliebter Schwesterhand bescheerten
Blumenkärtchenan Karl Henckell gerichtete Korrespondenzstücke Erika Wedekinds. aus stagnirender Ruhe erlösen mußte ‒ sie vergilben sonst vor Gebrauchslosigkeit.
Freundlichsten Gruß Ihr Karl Henckell