Kennung: 2839

Preßburg, 27. August 1905 (Sonntag), Postkarte

Autor*in

  • Kraus, Karl

Koautoren*in

  • Hollitzer, Carl Leopold
  • Denk, Berthe Marie
  • Lieben, Ernst von

Adressat*in

  • Wedekind, Frank

Inhalt

MAGYAR KIRÁLYI POSTA
LEVELEZÖ-LAP


Czim Herrn Frank Wedekind
Franz Josefstraße 42 München |


Pressburg, 27.8.


[am linken Rand um 90 Grad nach links gedreht:]

Gräfin PotockaBerthe Marie Denk unterzeichnet mit diesem Namen in Anspielung auf das ihr von Wedekind gewidmete Gedicht „An Bertha Maria, Typus Gräfin Potocka“ [KSA 1/I, S. 639] in der Sammlung „Die vier Jahreszeiten“ (1905), das wiederum anspielt auf die polnische Schriftstellerin Anna Gräfin Potocka (geb. Tyszkiewicz), deren Memoiren in deutscher Übersetzung in einer aktuellen Auflage vorlagen [vgl. Die Memoiren der Gräfin Potocka 1794-1820. Veröffentlicht von Casimir Stryienski. Nach der sechsten französischen Auflage bearbeitet von Oskar Marschall von Bieberstein. Mit prachtvollen Illustrationen und dem Porträt der Verfasserin von Angelica Kauffmann. Leipzig 1904], ein Buch, das Wedekind und Berthe Marie Denk gekannt haben dürften. „Wie aus der Einleitung zum Buch hervorgeht, repräsentierte Anna Potocka den Typus einer vornehmen und gebildeten Frau von aristokratischer Erziehung, die in Warschau und Paris mit führenden politischen Persönlichkeiten ihrer Zeit – allen voran mit Napoleon –, aber auch mit namhaften Künstlern in Kontakt kam und sich durch Geistesschärfe, literarische Bildung und schriftstellerische Begabung auszeichnete“ [KSA 1/I, S. 913]. Das Faksimile des Portraitgemäldes in dem Buch habe „starke Ähnlichkeit mit Photographien von Bertha Maria Denk“ [Nottscheid 2008, S. 150]..


[am rechten Rand um 90 Grad nach rechts gedreht:]

Carl Hollitzer

Ernst v Lieben

Kraus


[Zeichnung: links O. D. Potthof, rechts Egon Friedell]

[am unteren Rand:]

Im Namen des Gesetzes! Sie von Karl Kraus geschriebenes erweitertes Zitat aus „Die Büchse der Pandora“ (Worte des Polizeikommissärs am Ende des 2. Akts): „Im Namen des Gesetzes – Sie sind verhaftet!“ [KSA 3/I, S. 594] Das war der einzige Satz, den Egon Friedell in seiner kleinen Rolle als Polizeikommissär bei der Wiener Premiere der „Büchse der Pandora“ (29.5.1905, zweite Vorstellung 15.6.1905) zu sprechen hatte. Die Erweiterung ‚wegen falschen Spiels‘ bezog sich wohl auf das Spiel „des ‚unzulänglichen‘ Alwa-Darstellers O. D. Potthof“ bei der Premiere, mit dem Wedekind „unzufrieden war“ [Nottscheid 2008, S. 150]. Dr. Ossip Demetrius Potthof, seinerzeit Schauspieler am Deutschen Volkstheater in Wien [vgl. Neuer Theater-Almanach 1905, S. 600], spielte den Alwa nicht so, wie Wedekind sich die Rolle dachte. Die von Carl Leopold Hollitzer (er hat das Bild Lulus für die Wiener Premiere gemalt) auf der Postkarte gezeichnete Szene sollte Wedekind wohl an eine Szene erinnern, die sich bei der Generalprobe im 3. Akt vor Lulus Bild als Pierrot ereignet hatte; Karl Kraus hat Wedekinds Reaktion geschildert: „Daß der unzulängliche Darsteller des Alwa die fast feierliche Ansprache an das Bild im dritten Akt [...] mit Pathos sprach, schien er schlechthin nicht ertragen zu können.“ [Die Fackel, Jg. 27, Nr. 691-696, Juli 1925, S. 53]sind wegen falschen Spiels verhaftet!“

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 1 Blatt, davon 2 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent und lateinische Schrift.
Schreibwerkzeuge:
Bleistift.
Schriftträger:
Papier. 14 x 9 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hoch- und Querformat beschrieben.
Sonstiges:
Die Adressseite enthält den ungarischen Textaufdruck: „Olv külföldi államokkal való forgalomra, hova a levelezolap díja 10 fillér, külön 10 filléres levelezölapok szolgálnak.“ Die Empfängeradresse hat Karl Kraus geschrieben. Die Zeichnungen auf der Textseite „stammen von der Hand Carl Hollitzers: Die rechte Figur trägt deutlich die Züge Egon Friedells“, die „Identität der zweiten Figur“ ist „unsicher“, war aber wohl ein Porträt von „O.D. Potthof“ [Nottscheid 2008, S. 149f.] (= Dr. Ossip Demetrius Potthof). Die Postkarte ist mit einer aufgedruckten Briefmarke von 5 Filler frankiert. Wedekind hat auf die Adressseite mit blauem Buntstift das Datum „29.8.5“ notiert.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Schreibort sowie Tag und Monat des Schreibdatum („27.8.“) sind auf die Postkarte geschrieben, das Jahr ist durch die Poststempel belegt.

Uhrzeit im Postausgangsstempel: „N. 9“ (= 21 Uhr). Uhrzeit im Posteingangsstempel München: „V. 7 – 8“ (= 7 bis 8 Uhr).

Erstdruck

Karl Kraus - Frank Wedekind. Briefwechsel 1903 bis 1917 (= Wedekind-Lektüren. Bd. 5)

Autor:
Karl Kraus, Frank Wedekind
Herausgeber:
Mirko Nottscheid
Verlag:
Würzburg: Königshausen & Neumann
Jahrgang:
2008
Seitenangabe:
46-47
Briefnummer:
32
Kommentar:
Mit Faksimile (Textseite mit Zeichnung).
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 72
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Karl Kraus, Carl Leopold Hollitzer, Berthe Marie Denk, Ernst von Lieben an Frank Wedekind, 27.8.1905. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (03.12.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

14.06.2022 18:29