Lieber
Frank Wedekind,
Mein Caesar.
Von meiner ReiseBerthe Marie Denk war zurück aus Italien [vgl. Fischer 2020, S. 1045]; sie hat dort mit Karl Kraus „einige Tage [...] in Rom verbracht“ [Nottscheid 2008, S. 155f.]. zurückgekehrt finde ich Deine lieben Kartennicht überliefert; erschlossene Korrespondenzstücke: Wedekind an Berthe Marie Denk, 9.9.1905 und 20.9.1905.
vor u. will Dir auch gleich schreiben! Du wirst jedenfalls mit Spannung
sensationelle Enthüllungen erwarten, aber ich muss Dich sehr enttäuschen, ‒ ich kann Dir nur den
guten Rath geben, verbrenn Deinen „Totentanz“Der gedruckten Widmung seines Stücks „Totentanz“ für Berthe Marie Denk – „Meiner Braut in innigster Liebe gewidmet“ [Frank Wedekind: Totentanz. Drei Szenen. In: Die Fackel, Jg. 7, Nr. 183/184, 4.7.1905, S. 1; vgl. KSA 6, S. 100] – hat Wedekind „ohne Angabe der Zitatstelle“ [KSA 6, S. 623] ein griechisch geschriebenes Motto (ein Zitat aus Matthäus 21,13) [vgl. KSA 6, S. 99] vorangestellt: „Wahrlich, ich sage euch: Die Huren mögen wohl eher ins Reich Gottes kommen als ihr. Jesus.“ [KSA 6, S. 623] Das „1. und 2. Tausend“ der Buchausgabe, die ebenfalls das Motto (der Name „Jesus“ hier gestrichen) und die Widmung enthält, wurden zwar „bereits 1905 ausgeliefert“ [KSA 6, S. 623], „Totentanz. Drei Szenen“ im Albert Langen Verlag in München ist aber erst am 20.10.1905 als erschienen angezeigt [vgl. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Jg. 72, Nr. 245, 20.10.1905]; allerdings hat Wedekind bereits Anfang Oktober 1905 Exemplare der Buchausgabe weitergegeben [vgl. Walther Rathenau an Wedekind, 9.10.1905]. denn er strotzt von | Unwahrheiten,
‒ und was meine
Person betrifft so werde ich jedenfalls in ein Kloster gehen! ‒ Lieber allem entsagen,
da alles einem doch nicht befriedigen kann! Die schönsten Stunden erlebe ich
doch allein mit mir. ‒‒‒
Um von etwas anderem zu sprechen bitte ich Dich herzlichst
sage keinem Menschen dass ich in Italien | war!
Ich bitte Dich darum dringend! ‒
Ich habe von/aus/ München Nachricht
bekommen, dass am 15. das Bild abgesandtRaffaels Bildnis des Tommaso Inghirami in roter Robe, das Berthe Marie Denk in Kopie als Geschenk versprochen war, ist also am 15.9.1905 von München an sie nach Wien abgeschickt worden – Wedekind hatte ihr angekündigt, die Kopie werde nicht vor dem 15.9.1905 bei ihr eintreffen [vgl. Wedekind an Berthe Marie Denk, 3.9.1905]; die Kopie hat Franz Muhri hergestellt [vgl. Wedekind an Berthe Marie Denk, 1.9.1905]. wurde. Leider ist es noch nicht
eingetroffen! Ich danke Dir vorderhand innigst dafür! ‒
Wenn es Dir einigen Spass macht so will ich Dir verrathen,
dass ich im Oct. für einige | Zeit nach BerlinWedekind traf am 8.9.1905 in Berlin ein und mietete sich dort am 9.9.1905 eine Wohnung (Schiffbauerdamm 6, 3. Stock) [vgl. Tb], um am Deutschen Theater (Direktion: Max Reinhardt) tätig zu werden. komme, schreibe mir ob Du für
mich ein wenig Zeit haben wirst. ‒
‒
Bitte lass auch niemanden meinen Briefe lesen! ‒
Was macht M. HardenWedekind hat Maximilian Harden, den einflussreichen Herausgeber der Wochenschrift „Die Zukunft“ in Berlin, dem er sehr verbunden war und als seinen Förderer betrachtete, erst zehn Tage später mitgeteilt, dass er nun wieder in Berlin lebe [vgl. Wedekind an Maximilian Harden, 2.10.1905].! Ich bin schon sehr begierig ihn kennen zu lernen.
‒
Wann heiraten wir?
Mit innigstem Gruss
Bertha Maria