Lieber
Frank Wedekind,
Ich weiss wirklich nicht, was in Dich gefahren ist, ‒ ich schreibe Dirvgl. Berthe Marie Denk an Wedekind, 27.12.1905., dass
ich auf zwei Tage nach Berlin komme u. denke mir, dass Du Dich doch darüber
bischen freuen wirst indessen schickst Du mir als Antwort ein sehr sonderbares Telegrammnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Berthe Marie Denk, 28.12.1906.. Lieber Frank Wedekind, glaubst Du wirklich,
dass | ich so armselig geworden bin, dass ich für meine Handlungen erst einen
Erlaubnisschein brauche! Und im Übrigen habe ich K.K. seit drei
Wochenseit dem 15.12.1905, aber wohl kaum genau zu rechnen; der gemeinsam mit Karl Kraus geschriebene Brief wäre demnach die letzte Begegnung mit dem Herausgeber der „Fackel“ gewesen [vgl. Karl Kraus, Berthe Marie Denk an Wedekind, 16.12.1905]. nicht gesehen, was er Dir selbst bestätigen wird! ‒ ‒ Ich komme wie gesagt
nur auf zwei Tage nach Par Berlin, ‒ dann Hambourg, ‒ mein Endziel ist Paris, wo ich zu bleiben
gedenke. Mir wächst Wien beim Hals | heraus! Ich fahre Sonntagder 7.1.1906 (geplante Abreise mit dem Nachtzug von Wien um 21.30 Uhr). Abend 930
Nordwestbahn hier weg u. bin Montagder 8.1.1906 (geplante Ankunft in Berlin um 10.45 Uhr). – Wedekind war pünktlich am Bahnhof, aber anstatt Berthe Marie Denk, die er erwartet hatte, die aber nicht gekommen ist, traf er auf Carl Rößler (Franz Ressner), mit dem er dann in die Weinstube Gebrüder Habel einkehrte (dabei war Julius Schaumberger), mittags dann im Restaurant Zum Heidelberger Adele Sandrock traf und ihr den vorliegenden Brief zeigte, wie er am 8.1.1906 notierte: „Am Anhalter Bahnhof kommt mir statt Bertha Maria Franz Resner entgegen. Frühschoppen mit Resner und Schaumberger bei Habel. Im Heidelberger treffe ich Adele Sandrock und ihre Damen, zeige ihr B.M. Brief“ [Tb]. Das Telegramm Berthe Marie Denks, in dem sie ihn über ihre auf den 9.1.1906 verschobene Ankunft benachrichtigte, hatte ihn nicht mehr rechtzeitig erreicht [vgl. Berthe Marie Denk an Wedekind, 8.1.1906]. ¼ 11 in Berlin (Vormittag.) Ich möchte
mich sehr freuen wenn Du mich abholen würdest! Ich habe wie gesagt gar kein
Attentat auf Dich vor u. wenn Du in festeren Banden bist und ich Dir ungelegen komme, so wirst Du es mir ganz franchement(frz.) geradeheraus, freiheraus, offen. sagen! ‒ Eine Stunde um | mit
mir zu plaudern wirst Du wohl aubringenSchreibversehen, statt: aufbringen. können! Mehr verlange ich nicht von
Dir! ‒ Also sei
lieb, oder wenigstens galant! ‒
Bitte telegraphiereWedekind notierte zum Erhalt des Briefes am 6.1.1906: „Zu Hause finde ich Brief von Bertha Maria, telegraphiere an sie und bleibe bis morgens im Café Bauer. Ich bin selig.“ [Tb] mir sofort nach Erhalt dieseswohl Schreibversehen, statt: dieses Briefes. ob
Du Montag Vm.
am Anhalter Bahnhof sein wirst.
Mit herzlichem Gruss.
Bertha Maria.
Bitte sage niemandem etwas von meiner Ankunft.