Kennung: 2682

Salzburg, 29. April 1914 (Mittwoch), Brief

Autor*in

  • Strindberg, Friedrich

Adressat*in

  • Wedekind, Frank

Inhalt

Salzburg 29.3.14.Friedrich Strindberg datierte den Brief irrtümlich auf März statt April. Dies ergibt sich aus dem Kontext: Er war erst seit seinem Besuch am 4. und 5.4.1914 in München per Du mit seinem Vater. Die Zusendung der Abschriften seines Stücks „Menschenrecht“ durch Wedekind erfolgte am 25.4.1914.


Lieber Frank!

Bitte verzeihe, wenn ich erst nun auf den letzten, so herzlichen Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Frank Wedekind an Friedrich Strindberg, 25.4.1914.a antworte. „Menschenrecht“ ist in meinem/n/ Besitz erst heuteFriedrich Strindberg hatte Wedekind gebeten, die Kopien seines Stückes postlagernd nach Salzburg zu schicken [vgl. Friedrich Strindberg an Wedekind, 11.4.1914]. Das Stück und die Abschriften sind nicht überliefert. gekommen, nach vielerlei Umständen. Erlaube mir, daß ich Dir nochmals meinen herzlichsten Dank hiefür ausspreche!

Mit gleicher Post erhält H. Mühsam einen D/B/rief mit einem kleinen EssayFriedrich Strindbergs Brief an Erich Mühsam und der Essay sind nicht überliefert. über die Zensurbehörde, ein Verhältnis zwischen jener und Dir. Unterzeichnet ist es mit einem PseudonymFriedrich Strindberg kombiniert seinen zweiten Vornamen mit dem Geburtsnamen seiner Mutter. (Max Uhl), da es sonderbar aussehn würde, wüßte man mein AlterFriedrich Strindberg ist zu diesem Zeitpunkt 16 Jahre alt.. – Falls Mühsam den Artikel drucktFriedrich Strindberg hoffte auf einen Abdruck in Erich Mühsams Zeitschrift „Kain“, wo er allerdings nicht erschien. Seit dem ersten Heft vom April 1911 druckte Mühsam auf die erste Seite seiner Zeitschrift: „Die Beiträge dieser Zeitschrift sind vom Herausgeber. Mitarbeiter dankend verbeten.“, wird er sicherlich Dir eben soviele Freude machen wie mir.! Zwar ist der Aufsatz sehr scharf, bissig im höchsten | Grad, aber nur über die, die Dir in deinem so langen, erfolgreichen Ringen entgegenstanden. – Nicht wahr Du entschuldigst es, daß ich aus Liebe und Dankschuldigkeit dazu griff. Die Welt erfährt ohnehin nicht, wer der Verfasser ist. – Sie braucht es auch nicht zu wissen! –

Heute schrieb mir der Verlag der „Fackel“ im Auftrage K. Kraus’s, einen höflichen BriefDer Brief von Karl Kraus' Zeitschriftenredaktion an Friedrich Strindberg ist nicht überliefert. Friedrich Strindberg hatte am 6.4.1914 brieflich die Zusendung eines Lektüreexemplar seines Stückes „Menschrecht“ bei Karl Kraus angekündigt [vgl. Friedrich Strindberg an Wedekind, 6.4.1914]., der mich belehrte, daß Kraus, als Mann von Grundsätzen prinzipiell keine MauskripteSchreibversehen, statt: Manuskripte. liest–. (Sonst aber sprach er sehr höflich, er dankt für mein Vertrauen.

Wenn also Kraus keine getiptenSchreibversehen, statt: getippten. Manuskripte liest, so tut es eventuell Harden, der in so lieber Weise für Dich aufgetretenMaximilian Harden hatte 1906 einen großen Artikel über Wedekinds Gesamtwerk in seiner Zeitschrift „Die Zukunft“ publiziert [vgl. M.H.: Theater. In: Die Zukunft, Bd. 54, Jg. 14, Nr. 25, 13.1.1906, S. 77-86], dann wieder 1907 und 1912 [vgl. Martin 206-208, 211-220]. ist. Ich werde also bei ihm zuerst anfragen; gleichzeitig bei K. Wolff, Leipzig und bei Max Reinhard/t/. Denn führt es Reinhardt aufMax Reinhardt war seit 1905 Direktor des Deutschen Theaters in Berlin und hatte 1906 außerdem die Kammerspiele des Deutschen Theaters gegründet., so druckt es vielleicht unter der Bedingung Wof/l/ff. Auch bei Dehmel frage ich um guten RatFriedrich Strindberg schrieb am 3.5.1914 [irrtümlich datiert auf den 3.4.1914] an Richard Dehmel [vgl. Dehmel-Archiv der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg DA:Br:S 1888]. an. Sonst bin ich im allgemeinen ratlos. –

Für die so beifallsreiche „Lulu“-aufführung in PragDie österreichische Presse hatte berichtet: „Aus Prag, 19. d., wird uns telegraphiert: Im tschechischen Intimen Theater fand gestern die Aufführung von Wedekinds ‚Lulu‘ statt, die von dem Berliner Regisseur Zavrel, einem gebürtigen Prager, inszeniert wurde. Wedekind, der für die Uraufführung einen Prolog geschrieben hat, wollte ursprünglich nach Prag kommen, mußte jedoch in Stuttgart seine Reise unterbrechen. Das Stück fand großen Beifall.“ [Aufführung von Wedekinds ‚Lulu‘ in Prag. In: Die Zeit, Jg. 13, Nr. 4152, 20.4.1914, Abendblatt, S. 2] Wedekinds „Erdgeist“ hatte unter dem Titel „Lulu“ am 18.4.1914 am tschechischen Intimen Theater in Prag (Smichow) unter der Regie von František Zavřel mit Ema Švandová als Lulu Premiere ‒ die erste Aufführung eines Wedekind-Stücks in tschechischer Sprache [vgl. Wedekind an František Zavřel, 4.4.1914] meine herzlichste Gratulation!! |

Mein sicherer Gedanke ist, daß das kommende Jahrhundert den Stempel eines Kampfes zwischen der Kirche und der ‚Emanzipation des Fleisches‘vom Saint-Simonismus geprägtes und von den Jungdeutschen und insbesondere Heinrich Heine aufgegriffenes Schlagwort für eine sensualistische Befreiung und die Überwindung einer rigiden Sexualmoral. trägt. Ich kann mich des Gedankens nicht erwehren. –

Die Abschriften sind reg recht gut ausgefallen und ich wüßte nicht, wie ich (Her) Dir am besten hiefür danken könnte. Jedenfalls bitte ich Dich, ob ich „M. –“ Dir widmen darf.

Ich erhielt nun von Großmama eine recht gut klingende Guitarre; nun geht es schon wieder, aber ich habe durch ein untätiges Jahr viel Übung verloren. Nun habe ich regelmäßigen Unterricht, zerbrichSchreibversehen, statt: zerbrech. mir den Kopf nach der gebrochenen Begleitungmusikalische Begleitung mit gebrochenen Akkorden (Arpeggios), bei denen die Töne eines Akkords nacheinander statt gemeinsam angeschlagen werden. von „Lieschen“. Auch der Text hat nachgelassen und ich habe ihn beinahe fast vergessen. Sonst muß ich halt Übung bekommen, daß ich bei unserem nächsten Wiedersehn nicht mehr dem Spielen wegen Unsicherheit auszuweichen brauche.

Über mein Stück mache ich mir keine Skrupel, Großmama weiß natürlich nichts! Das Manu|skript bitte ich nur zu behalten, solange es Dir gut dünkt. Ich bin Dir recht dankbar dafür!! Wie geht es den lieben, Kleinen?

Hoffentlich gut!

Was ist bitte das b/B/este, um „M.“ so bald als möglich gedruckt zu sehn? Ich denke, wenn es Wolff nicht tut, wende ich mich an Müller oder Fischer. Oder gar Rütten u. Löhnig? Eines muß gehen!! Mit den herzlichsten Grüßen und mit frohem Glückwunsche für das weitere Schicksal „Lulus“!!
in Liebe
Friedrich Strindberg.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Lateinische Schrift. Einzelne Buchstaben in Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 14,5 x 19 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Wie sich aus dem Kontext ergibt, war das Schreibdatum der 29.4.1914 (nicht der 29.3.1914).

Der Brief wurde erst am 4.5.1914 zugestellt: „Brief von F Strindberg den ich sofort beantworte“ [Tb].

  • Schreibort

    Salzburg
    29. April 1914 (Mittwoch)
    Sicher

  • Absendeort

    Salzburg
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    München
    Datum unbekannt

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 165a
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Friedrich Strindberg an Frank Wedekind, 29.4.1914. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (03.12.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Tilman Fischer

Zuletzt aktualisiert

24.10.2024 11:24