[1. Briefentwurf:]
An die Kgl. Polizeidirektion
München.
An die kgl. Polizeidirektion richtet der
Ergebenst Unterfertigte das Gesuch, seine Komödie „Oaha“ für die öffentliche
Aufführung in
München freizugeben
nachdem das Verbot erwähnten Schauspiels von der Ggesammten Presse
einstimmig als ungerechtfertigt und unverständlich charakterisiert worden ist.
Der ergebenste Unterfertigte ist Der
auf den Ertrag seiner schriftstellerischen Thätigkeit und wird durch das
seit vier Jahren bestehende Verbot materiell auf das schwerste geschädigt. Angewiesen ist wird und durch das erlassene
Verbot seit drei Jahren auf das schwerste geschädigt wird, ist nicht imstande
diese materielle Schädigung länger zu ertragen.
RothDr. Christian Roth war seit dem 1.12.1911 der für die Theaterzensur zuständige Referent bei der Polizeidirektion München (Weinstraße 18) unter dem Polizeipräsidenten Julius von der Heydte [vgl. Adreßbuch für München 1913, Teil III, S. 28]; er war der Nachfolger von Dr. Dietrich Bittinger auf diesem „wichtigen Posten“ [Personalveränderungen in der Polizeidirektion. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 64, Nr. 535, 16.11.1911, Vorabendblatt, S. 4]. Wedekind war wenige Tage vor dem vorliegenden Brief auf ihn hingewiesen worden [vgl. Ludwig Strauß an Wedekind, 23.12.1911].
ab 3 UhrDie Notiz dürfte sich auf den Zensor Christian Roth beziehen; was genau ab 15 Uhr markiert war, ist unklar (auch, ob die Uhrzeit sich auf ein bestimmtes Datum bezog oder generell gemeint war).
[2. Briefentwurf:]
An die Kgl. Polizeidirektion
München.
An die Kgl. Polizeidirektion München richtet der
ergebenst Unterfertigte das Gesuch, seine Komödie „Oaha“ für die öffentliche
Aufführung in München frei zu geben, nachdem das Verbot dieses Schauspiels von
der gesammten Presse einstimmig als ungerechtfertigt und unverständlich
charakterisiert worden ist. Da Der
ergebenst Unterfertigte, der auf den Ertrag seiner schriftstellerischen
Thätigkeit angewiesen ist und wurde er
durch das erlassene auch
seiner Ansicht nach ungerechtfertigte Verbot seit drei Jahren auf das schwerste materiell geschädigt wird,
ist nicht imstande diese materielle Schädigung noch länger zu ertragen.
[3. Abgesandter Brief:]
An die
Königliche Polizeidirektion
München.
An die königliche
Polizeidirektion München richtet der ergebenst Unterfertigte das Gesuch, seine
Komödie „Oaha“ für die öffentliche AufführungNachdem die Direktion des Lustspielhauses (Direktor: Eugen Robert) am 12.7.1912 eine Fassung mit Regiestrichen bei der Polizeidirektion München eingereicht hat, genehmigte diese unter Auflagen am 25.7.1912 die öffentliche Aufführung; die öffentliche Münchner Premiere von „Oaha“ konnte am 6.8.1912 unter der Regie von Eugen Robert am Lustspielhaus mit Frank und Tilly Wedekind in Hauptrollen stattfinden [vgl. Meyer 1982, S. 207; KSA 8, S. 606]. Eugen Robert hatte bereits die vom Neuen Verein veranstaltete geschlossene Uraufführung von „Oaha“ am 20.12.1911 im Münchner Lustspielhaus inszeniert. in München freizugeben, nachdem
das Verbot dieses Schauspiels von der gesamten PresseDie Presseresonanz auf die wenige Tage zuvor in geschlossener Vorstellung erfolgte Uraufführung von „Oaha“ am 20.12.1911 im Münchner Lustspielhaus war gemischt; ausdrücklich hat Richard Braungart am 21.12.1911 in der „Münchener Zeitung“ das Verbot einer öffentlichen Aufführung kommentiert: „Die Polizei hat dieses Stück, dessen Kern also eigentlich eine Anklage gegen den ‚Witz als Metier‘ ist, bis jetzt für öffentliche Aufführungen nicht freigegeben. Weshalb, das wird wohl nur sie allein wissen; denn niemand sonst wird einen Grund hiefür angeben können.“ [KSA 8, S. 624] einstimmig als
ungerechtfertigt und unverständlich charakterisiert worden ist. Da der
ergebenst Unterfertigte auf den Ertrag seiner schriftstellerischen Tätigkeit
angewiesen ist, wurde er durch das erlassene, auch seiner Ansicht nach
ungerechtfertigte Verbot seit drei JahrenDie Polizeidirektion München erließ am 25.11.1908 ein erstes Aufführungsverbot für „Oaha“ (Georg Stollberg hatte am 12.10.1908 für das Münchner Schauspielhaus um eine Aufführungsgenehmigung für das Stück ersucht) [vgl. KSA 8, S. 605] – das war rund drei Jahre her. auf das schwerste materiell
geschädigt.
Hochachtungsvoll ergebenst
Frank Wedekind.
München, Prinzregentenstr. 50
den 27. Dezember 1911Wedekind hat am 27.12.1911 – eine Woche nach der geschlossenen Uraufführung von „Oaha“ am 20.12.1911 im Münchner Lustspielhaus – notiert: „Besuch bei Strauß wegen Polizeigesuch“ [Tb]; er dürfte sich mit dem Münchner Rechtanwalt Ludwig Strauß auch über den vorliegenden Brief beraten haben, der ihn kurz zuvor darüber informiert hat, Dr. Christian Roth wünsche das zensurierte Manuskript von „Franziska“ zu sehen [vgl. Ludwig Strauß an Wedekind, 23.12.1911]..