Darf ich SieChefredakteur des „Berliner Börsen-Courier“ war seinerzeit Dr. Albert Haas; in Nachfolge von Isidor Landau war seit dem 1.10.1912 Emil Faktor verantwortlich für die Feuilleton-, Theater- und Musikredaktion. höflichst ersuchen, Ihren Lesern mitteilen zu
wollen, daß ich bei dem Zustandekommen der BesprechungWedekind notierte am 13.8.1913 in München: „Interview von Frau Kovacsné“ [Tb]; gemeint sein dürfte die ungarische Journalistin Lydia Kovács, die für mehrere Zeitungen und Zeitschriften in Budapest schrieb. Das Interview dürfte der Angabe im „Berliner Börsen-Courier“ zufolge am 29.8.1913 in Budapest erschienen sein (siehe unten), vermutlich in ungarischer Sprache; in welcher Zeitung oder Zeitschrift ist nicht ermittelt. über Schauspieler, die
Sie im AuszugDer „Berliner Börsen-Courier“ zitierte in einem mit Verfasserkürzel veröffentlichten Beitrag ‒ versehen mit Vorbemerkung („Frank Wedekind äußerte sich einem ungarischen Journalisten gegenüber folgendermaßen:“) und Nachbemerkung („Soweit Wedekind, dem man mindestens das zugestehen muß, daß er den Mut seiner Ueberzeugung hat“) ‒ aus dem mit Wedekind geführten Interview (siehe oben), datiert „Budapest, 29. August“, unter anderem: „Ich beginne einzusehen, daß ich Jahre hindurch ungerechterweise den Schauspielern gezürnt habe. Immer dachte ich, sie wollen meine Stücke nicht spielen ‒ doch heute bin ich im Reinen ‒ sie können sie nicht spielen. 12 Jahre mußte ich warten bis ich die Schauspieler wenigstens dazu gebracht hatte, meine Gestalten so darzustellen, wie ich sie mir vorstelle. Und dann begann ich zu verstehen und lernte einsehen, daß nicht Indolenz, sondern Unfähigkeit der Grund war, meinen Rollengestalten auszuweichen, die meiner Ansicht nach alle großartige Rollen sind. Den Hetmann spielte ich 200 mal. 50 mal in Berlin, 50 mal in München und 100 mal in anderen deutschen Städten. Bei Reinhardt hingegen fiel das Stück durch ‒ es wurde dort höchstens sechs mal gegeben. In meinem Drama: ‚So ist das Leben‘ trat ich 50 mal hintereinander auf. ‒ In einer Vorstellung, wo allererste Schauspieler spielten, wurde das Stück stark abgelehnt. ‚Franziska‘ schlug sofort ein ‒ meine Frau und ich kreierten die Hauptrollen. / Daraus muß ich, müssen Sie und jedermann den Schluß ziehen, daß Schauspieler den Wedekind-Helden nicht gewachsen sind, und nur ich sie dem Publikum verständlich machen kann. Denn mit dem neuen Drama reifte nicht zugleich der neue Schauspieler. Der heutige Schauspieler ist durch die seit 20 Jahren bestehende realistische Bühnenliteratur verdorben. Im heutigen Schauspieler ist weder Kraft, noch Energie. Er ist der bescheidenste Mensch der Welt, denn ich kenne keinen einzigen, der sich getrauen würde, etwas übermäßig laut oder stark zu sagen. Und meine Helden sind gerade durch Kraft und Energie charakterisiert. ‒ Der Musikprofessor in ‚Musik‘ ist ein schlechter Kerl, doch er weiß, was er will. Winterstein, der diese Rolle auch in Budapest spielte, weiß es aber nicht. Deshalb gibt es keinen Erfolg bei seiner Darstellung, der hingegen bei der meinigen nie ausbleibt.“ [E.K.F.: Wedekind über die Schauspieler. In: Berliner Börsen-Courier, Jg. 45, Nr. 408, 1.9.1913, Abend-Ausgabe, S. 6; vgl. KSA 5/II, S. 496-497] Ein fast gleichlautender Auszug ist auch in Wien erschienen [vgl. Wedekind gegen die Schauspieler. Ein scharfer Angriff des Dichters. In: Neues Wiener Journal, Jg. 21, Nr. 7132, 31.8.1913, S. 14]. im „Berliner Börsen-Courier“ mitteilen, in bedauerlicher Weise
mißverstanden wurde. Ganz richtig beginnt die VerfasserinIn der redaktionellen Vormerkung zu dem offenen Brief griff der „Berliner Börsen-Courier“ Wedekinds Richtigstellung des Geschlechts der Person, die das Interview mit ihm geführt hat, auf: „Wir veröffentlichten kürzlich eine Korrespondenz aus Budapest über ein Interview, in dem Frank Wedekind sich zu einer wißbegierigen Dame über seine Stellung zu den Darstellern seiner Werke geäußert hatte. Es scheint nun, als ob die Dame den Dichter in manchen nicht unwesentlichen Punkten mißverstanden hätte, wie aus seiner nachstehenden Zuschrift an uns hervorgeht“ [Noch einmal: Wedekind und die Schauspieler. In: Berliner Börsen-Courier, Jg. 45. Nr. 412, 3.9.1913, Abend-Ausgabe, S. 6, 1. Beilage]; zuvor hat die Zeitung angenommen, Wedekind habe „sich einem ungarischen Journalisten gegenüber“ [E.K.F.: Wedekind über die Schauspieler. In: Berliner Börsen-Courier, Jg. 45, Nr. 408, 1.9.1913, Abend-Ausgabe, S. 6] geäußert, was auch anderorts angenommen worden war: „Einem ungarischen Journalisten, der ihn interviewte, erklärte der Dichter“ [Wedekind gegen die Schauspieler. Ein scharfer Angriff des Dichters. In: Neues Wiener Journal, Jg. 21, Nr. 7132, 31.8.1913, S. 14]. Wedekind stellte das am 3.9.1913 in Berlin auch im Gespräch mit dem Korrespondenten des „Neues Wiener Journal“ richtig: „Durch die deutsche und die österreichische Presse gehen jetzt angebliche Erklärungen von mir, die sich mit der denkbar größten Schärfe gegen die deutschen Schauspieler richten. Ich soll einer ungarischen Journalistin gesagt haben, daß die männlichen Darsteller Deutschlands alle meine Charaktere verderben und daß alle meine Stücke nur dann Erfolg hätten, wenn ich selbst die männliche Hauptrolle spiele. [...] Ich habe in der Tat mit der ungarischen Journalistin gesprochen. Die Dame aber hat mich sehr mißverstanden.“ [Dichter und Schauspieler. Eine Unterredung mit Frank Wedekind. In: Neues Wiener Journal, Jg. 21, Nr. 7136, 4.9.1913, S. 8; vgl. KSA 5/II, S. 498] mit meinem
Eingeständnis, daß ich dem deutschen Schauspieler Jahre hindurch Unrecht getan
habe. Alles übrige gründet sich auf rein theoretische Erörterungen über
naturalistische und stilisierte Spielweise, deren Sinn der Verfasserin
augenscheinlich entgangen ist. Daß ich aber über Herrn Eduard v.WintersteinWedekind hat Eduard von Wintersteins Darstellung der Rolle des Musikpädagogen Josef Reißner in „Musik“ durchaus kritisiert (siehe oben). Bei einem Gastspiel des Berliner Deutschen Theaters in Budapest wurde am 30.5.1913 im Lustspieltheater („Vigszinház“) Wedekinds „Musik“ mit Eduard von Winterstein als Josef Reißner aufgeführt [vgl. Pester Lloyd, Jg. 60, Nr. 127, 30.5.1913, Morgenblatt, S. 10, 16]; die Darstellung wurde kritisch rezensiert: „Herr v. Winterstein hat den robusten Musikpädagogen nicht in der Auffassung, aber im Ausdruck verfehlt. Er sprach unwirsch, machte sich durch eine näselnde Hochmut antipathisch, was nicht in der Absicht des Dichters gelegen ist. Stellenweise mußte Herrn v. Winterstein lautes Zischen aufmerksam machen, daß er deutlicher sprechen müsse.“ [Pester Lloyd, Jg. 60, Nr. 128, 31.5.1913, Morgenblatt, S. 3],
dessen reife, ernste Kunst ich seit Jahren aufs höchste verehre, mich abfällig
geäußert haben soll, kann nur in der Phantasie der Dame entstanden sein.
Frank
Wedekind.