Karl Henckell
(geb. 1864)
hat sich lange Zeit eine falsche Einschätzung von der zünftigen Literaturgeschichte gefallen lassen
müssen: neuerdings nimmt das Bild seiner dichterischen Persönlichkeit festere
Formen an, und man schätzt ihn heute unter den Lyrikern deutscher Zunge als
einen der feinsten und eigensten Lange galt Henckell als der „Dichter der
Sozialdemokratie“ Als Zwanzigjähriger kam er einst nach Berlin,
noch ein etwas weicher Träumer, aber ein innerlich Gesunder, der auf die leisen
Töne des Innern hörte Vorher schon
hatte er Bismarck und das Reich besungen
nun wandelte die Großstadt mit ihrem tausendfältigen Elend seine
Gesinnung ‒ der Einfluß des Friedrichshagener Kreises, dem er
sich anschloß, trug wohl auch dazu bei ‒ und ließ aus dem jungen
lyrischen Träumer einen Wortführer der sozialistischen Dichtung werden. Diese
Seite seines Schaffens und sein schneidiges Draufgängertum gegen den
landläufigen lyrischen Bänkelsang machten Henckells Namen bald ebenso bekannt
als verfehmt ‒ den
Boden des Fasses schlug er 1884 mit seinem Vorwort zu Arents „Modernen
Dichtercharakteren“ aus. Im Frühjahr 1886 ging er nach der Schweiz, und von
dort ging eins um das andere seiner Gedichtbücher in die Welt: 1887 die
„Strophen“, 1888 die „Amselrufe“, 1890 „Diorama“, 1891 „Trutznachtigall“, 1892
„Aus meinem Liederbuche“, 1894 „Zwischenspiel“
Zwischendurch erschien eine
Sammel-Auswahl „Gedichte“, gab er die „Sonnenblumen“ heraus, diese feinsinnige
Anthologie in Form loser Blätter, dann folgte 1900 „Neues Leben“. 1901 „Gipfel
und Gründe“. 1906 die „Schwingungen“ und die feine Auswahl „Mein Lied“, sicher heute eines der schönsten und individuellsten Bücher
deutscher Dichtung. Eine Höherentwicklung ist von Band zu Band in dieser langen
Reihe unverkennbar, nicht allein in der Beherrschung des dichterischen
Ausdrucks, auch im Reiferwerden der Welt- und Lebensauffassung. In seinen
beiden letzten Büchern hat sich Henckell zu einer fast kristallenen Klarheit, zu
voller Lebensreife durchgerungen: jedes Buch ist ein reiner, großer Klang, und
über manchen dieser Verse liegt eine fast goethesche Ruhe und Weihe
Literarisches Echo. 15./VI. 1907.
Postkarte.
Herrn Frank
Wedekind
Schriftsteller
München.
Prinzregentenstrasse. |
[Foto]
Karl Henckell
Sämtliche Werke
Henckell’s sind im Verlage „Die Lese“ in München erschienen.
Man verlange gratis
den ausführlichen Prospekt „Drei Dichter der Lese“ mit Biographie,
Gedichtproben und Urteilen, sowie den Spezialprospekt über die Liebhaber Bände:
„Im Weitergehn“ und „Weltlyrik“.
Absender:
Aarau, 24.VIII.13
M. lieber Frank! Ich komme mit e. Bitte: soeben sehe ich im Xenien-AlmanSchreibversehen, statt: Xenien-Almanach. Im „Xenien-Almanach für das Jahr 1914“ (im Xenien-Verlag in Leipzig 1913 erschienen) ist das Exlibris (siehe unten) – aufgeführt auch im Inhaltsverzeichnis: „Wilm, Hubert: [...] Exlibris Frank Wedekind“ [Xenien-Almanach für das Jahr 1914, S. 216] – mit der Bildunterschrift „Hubert Wilm: Exlibris Frank Wedekind“ [Xenien-Almanach für das Jahr 1914, Bilder-Anhang, S. 1] abgebildet. e. Ex-libris von DirDer Grafiker, Kunstmaler und Kunstsammler Hubert Wilm hat eine Wedekind gewidmete kunstvolle Radierung angefertigt, ein Exlibris „FRANK WEDEKIND“ mit detailreichen umlaufenden Remarquen (14 x 20,5 cm), signiert „Hubert Wilm 1913“, das im „Xenien-Almanach für das Jahr 1914“ abgebildet ist (siehe oben). Wedekind hat sich dafür bedankt [vgl. Wedekind an Hubert Wilm, 11.5.1913]. v. Wilm, das gewiss sehr gut ist. Da ich solche Raritäten sammle, bin ich
Dir sehr dankbar, falls Du mir 1 Exempl. schenkst. ‒ Sodann habe ich grosse Freude an d. schönen Ges.ausg. Deiner WerkeSeit dem Vorjahr erschien im Georg Müller Verlag in München die dann neunbändige Gesamtausgabe „Gesammelte Werke“ (1912-1921) von Frank Wedekind. bei Georg Müller, kann
mir sie aber nicht leisten. Könntest Du mir nicht gelegtlich e. Ex., vielleicht
schon gebraucht, für m. Bibl.Arnold Hirzel, seit 1892 Lehrer für alte Sprachen an der Bezirksschule in Aarau und seit 1900 dort Rektor, war nebenbei seit 1903 auch Stadtbibliothekar von Aarau – die Stadtbibliothek hatte seinerzeit ihren Sitz noch in der Kantonsschule; vermutlich aber meinte er hier seine Privatbibliothek. zukommen lassen? Es wäre mir e. l. Erinng. Warum sieht man Dich nie in Aarau mit GemahlinFrank Wedekinds Besuche bei Arnold Hirzel in Aarau waren dem Tagebuch zufolge selten; der letzte Besuch war am 10.8.1906 („Mati und ich fahren nach Aarau. Arnold Hirzel und Thea holen uns am Bahnhof ab. [...] Abendessen bei Arnold Hirzel“), der nächste erst wieder am 16.10.1914 („Mit Mati nach Aarau. [...] Zum Café bei Arnold Hirzel“) – beide Besuche ohne Tilly Wedekind.? Herzl. Grüsse v. TheaThea Hirzel (geb. Henckell), seit 1896 mit Arnold Hirzel verheiratet, war eine Schwester des mit Wedekind befreundeten Schriftstellers Karl Henckell, für dessen Werk die vorliegende Bildpostkarte warb. und mir
Dein Hirzel.