FRANK WEDEKIND.
MÜNCHEN, den 4. März 1901.
Franz Josefstr. 42/II.
Sehr geehrter
Herr ReicherEmanuel Reicher in Berlin (Händelstraße 15), Leiter der Hochschule für dramatische Kunst (Lessingstraße 5) [Adreßbuch für Berlin 1901, Teil I, S. 1289] und Schauspieler am Deutschen Theater zu Berlin [vgl. Neuer Theater-Almanach 1901, S. 240].!
mehr als fünf Monate sind es jetzt herHinweis auf ein nicht überliefertes Schreiben; erschlossenes Korrespondenzstück: Emanuel Reicher an Wedekind, 1.10.1900., seit
Sie sich meiner nicht mehr erinnert haben. Das heißt, ich bin im Irrthum. Mein
Freund Reßner schrieb mirin einem nur als Fragment erhaltenen Brief (die Stelle über Emanuel Reicher ist nicht überliefert), in dem von den Möglichkeiten einer Aufführung des „Marquis von Keith“ (1901) in Berlin die Rede ist [vgl. Carl Rößler an Wedekind, 28.2.1901]. vor einigen Wochen, daß Sie in sehr freundlicher
Weise bei einer Begegnung das Gespräch auf mich gebracht haben und daß Sie
meinem Marquis von Keith Ihr für mich so werthvolles Interesse entgegen
bringen. Es war mir eine große Freude, Ihnen das Buch vorlegen zu könnenHinweis auf ein nicht überliefertes Begleitschreiben zur Buchsendung; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Emanuel Reicher, 29.10.1900. Die vordatierte Buchausgabe von Wedekinds Schauspiel „Marquis von Keith (Münchener Scenen)“ (1901) im Albert Langen Verlag in München lag im Herbst 1900 ausgeliefert vor [vgl. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Nr- 252, 29.10.1900, S. 8312]; das Stück war von April bis Juni 1900 unter dem Titel „Münchner Scenen. Nach dem Leben aufgezeichnet von Frank Wedekind“ in der Zeitschrift „Die Insel“ vorabgedruckt [vgl. KSA 4, S. 425].. Denn
wenn ich auch gemäß den von meinem Agentendie Theateragentur Felix Bloch Erben in Berlin (Dorotheenstraße 61) [vgl. Adreßbuch für Berlin 1901, Teil I, S. 131], die den Bühnenvertrieb des „Marquis von Keith“ (1901) hatte [vgl. Wedekind an Felix Bloch Erben, 19.1.1905]. für Berlin | abgeschlossenen
Verträgen von vorn herein auf die Hoffnung verzichten muß, daß Sie sich als
Künstler der Darstellung des Stückes annehmen möchten, so bin ich doch
glücklich, daß meine Production zur Kenntnis eines so hochstehenden Künstlers
gelangt, und daß ich gelegentlich den Vorzug haben werde, Ihr Urtheil darüber
zu vernehmen.
Wollen Sie mir
indessen erlauben, noch einmal auf mein StückEmanuel Reicher hatte brieflich (siehe oben) Interesse bekundet, Wedekinds Komödie „Die junge Welt“ (1897) in seiner 1899 gegründeten Hochschule für dramatische Kunst in Berlin zu spielen [vgl. Wedekind an Beate Heine, 29.12.1900], was nicht zustande kam. „Für Die junge Welt interessierte sich [...] Ende 1900 [...] Emanuel Reicher für seine dramatische Hochschule.“ [Kutscher 2, S. 113] „Die Junge Welt“ zurückzukommen. Sie
waren so freundlich, mir die Zusendung eines Exemplares mit Bezeichnung
derjenigen Reden in Aussicht zu stellen, die um wirken zu können einer/s/
klareren sinnfälligeren Ausdruckes bedürften. Ich bin mir vollkommen sicher,
Ihre werthe Anregung | nach dieser Richtung hin verstanden zu haben. Nur
widerstrebt es mir, auf eigene Faust hin und ohne die Stellen zu kennen, die
Sie dabei im Auge haben, dem Stück z/n/och einmal zu Leibe zu gehen.
Vielleicht hat
sich in den verflossenen sechs Monaten auch Ihr Urtheil über das Stück geändert
und Sie haben das Vertrauen verloren, das Sie auf in seine Wirksamkeit
setzten. Ich bin gewiß der letzte der die künstlerischen Opfer und
Mißhelligkeiten unterschätzt, die Ihnen aus dem Unternehmen erwachsen könnten,
ein Werk ins Lebens zu rufen, dessen Lebensfähigkeit sich noch in keiner Weise
erwiesen hat. Trotzdem werden Sie es begreifen, | wenn es mir widerstrebt, den
mir so werthvollen Connexpersönlicher Kontakt., den ich in so unverhofftenSchreibversehen, statt: unverhoffter. Weise zu dem ersten
Bühnenkünstler Deutschlands gewonnen hatte, mir ohne ein Wort des
aufrichtigsten Bedauerns zu verlieren, aus den Händen gleiten zu lassen.
Darf ich Sie
bitten, den Ausdruck größter Hochschätzung engegenzunehmenSchreibversehen, statt: entgegenzunehmen. von
Ihrem ergebensten
Frank Wedekind.