Herrn Dr. Max Halbe, München.
Lieber Max!
aus den Zeilennicht überliefert. Frank Wedekind notierte am 12.4.1909 den Empfang des Briefs an seine Frau: „Brief von Max Halbe an Tilly“ [Tb]. Max Halbe hat seinen Brief an Tilly Wedekind ebenfalls notiert (siehe unten)., die Du an
meine Frau richtest ersehe ich daß der ich den
VorfallFrank Wedekind notierte am 3.4.1909 einen Abend bei dem befreundeten Verlagsbuchhändler Fritz Schwartz (genannt Nero) in München (Richard Wagnerstraße 3) [vgl. Adreßbuch für München 1910, Teil III, S. 144], an dem etwas vorgefallen ist, auf das sich der vorliegende Brief bezieht: „Abendgesellschaft bei Schwarz. Max Halbes Handgreiflichkeiten.“ [Tb] Max Halbe war offenbar an diesem Abend ein Tischnachbar Tilly Wedekinds (sowie einer anderen Dame, der Gattin des Münchner Regierungsrats Ernst Soehlke), rutschte aus und hielt sich an ihr fest (wurde insofern ‚handgreiflich‘), ein Fauxpas, den er in seinen Erinnerungen übergeht, in denen gleichwohl die Rede ist von den „glänzenden Gastmählern [...] im Hause meines Freundes Fritz Schwartz“ [Halbe 1935, S. 344]. Er hat für den 3.4.1909 „Gesellschaft bei Schwartz“ [Tb Halbe, 4.4.1909] notiert, außerdem ausführlicher festgehalten: „Das Essen bei Schw. war sehr opulent. Sehr viel Litteratur war anwesend, Ganghofers, Bernsteins, Wedekinds usw. Außerdem viel Theater u. Hoftheater. Ich hatte eine Frau Regierungsrath Söhlke als Tischdame. Recht hübsch, charmante Polin, die leider hinkt. Die Stimmung wurde gegen Schluß sehr aufgekratzt. Ich hatte kleinen Zusammenstoß mit Wedekind in Erinnerung an sein einstiges Urtheil über ‚Treue‘. Es hat aber wohl nichts auf sich.“ [Tb Halbe, 5.4.1909] Frank Wedekind hat den Vorfall nochmals rekapituliert [vgl. Wedekind an Emil Meßthaler, 11.5.1909]., der mir zu meinen gestrigen ÄußerungenFrank Wedekind äußerte sich zu dem Vorfall vom 3.4.1909 (siehe oben), als er Max Halbe am 11.4.1909 begegnete: „Begegnung auf der Post mit Max Halbe“ [Tb]. Daraufhin schrieb Max Halbe an Tilly Wedekind (siehe oben) und notierte zu seiner Begegnung mit Frank Wedekind am 11.4.1909 (Sonntag) zunächst: „Sonnt. [...] Ich treffe Wedekind, der mich in irrsinniger Weise beschuldigt, weil ich seine Frau bei Schwarzens angefaßt hätte“ [Tb Halbe, 33.4.1909], dann: „Der Fall Wedekind also in ein neues Stadium getreten. Die Periode der Freundschaft u. Zuvorkommenheit ist wieder einmal gefallen. ‚Wenn Du wieder einmal mit meiner Frau zusammenkommst, rathe ich dir, deine Pfoten aus dem Spiel zu lassen!‘ Ich sagte nur: ‚Du kannst mir leid thun!‘ u. drehte ihm den Rücken, schrieb dann an seine Frau einen ganz offiziellen Entschuldigungsbrief in einer Form, die ihm zeigen mußte, daß ich mit ihm nichts mehr zu thun haben will. Das ekle treulose feige Raubthier hat sich wieder einmal gezeigt. Es läßt sich auf die Dauer nicht mit ihm leben!...“ [Tb Halbe, 14.4.1909] Anlaß gab, mißverstanden hatte.
Ich konnte das nicht ohne weiteres ver/ann/ehmen, da ich die Ehre habe, Deine
Frau Dr Halbe seit dreizehn Jahrenseit 1896. Wedekind dürfte in diesem Jahr Luise Halbe (geb. Heck), die Max Halbe am 15.1.1891 in Berlin geheiratet hatte, in München persönlich kennengerlernt haben und trug sich jedenfalls in ihr Gästebuch ein [vgl. Wedekind an Luise Halbe, 30.6.1896]. zu kenne, ohne meines Wissens
jemals an ihrer Seite ausgeglittenironische Anspielung auf den Vorfall vom 3.4.1909 (siehe oben). Max Halbe dürfte sich in seinem nicht überlieferten Brief an Tilly Wedekind (siehe oben) damit entschuldigt haben, er sei ausgerutscht und habe sich an ihr festhalten müssen, um nicht hinzufallen. zu sein. Ich zögre nun auch nicht, die
Ausdrücke die ich bei unserer gestrigen Begegnung brauchte
zurückzunehmen und das Verletzende, das in ihnen liegte mochte zu
bedauern.
Mit ergebemSchreibversehen, statt: ergebenem. Gruß
Dein Frank Wedekind.