Kennung: 2275

München, 30. März 1904 (Mittwoch), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Remer, Paul

Inhalt

Dichter über Dichter

Herr Dr Paul RemerDr. phil. Paul Remer, Schriftsteller und Kritiker [vgl. Kürschners Deutscher Literatur-Kalender auf das Jahr 1904, Teil II, Sp. 1058] in Steglitz bei Berlin (Arndtstraße 34) [vgl. Berliner Adreßbuch 1904, Teil I, S. 1495]. in Berlin versendet an die deutschen Schriftsteller Einladungen zur MitarbeiterschaftEine Verlagsanzeige [vgl. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Jg. 71, Nr. 71, 26.3.1904, S. 2819] kündigt für Ende April 1904 die ersten acht Bände der von Paul Remer herausgegebenen Reihe „Die Dichtung“ (später mit dem Untertitel: „Eine Sammlung von Monographien“) an; sie stammen von Paul Ernst („Henrik Ibsen“, Band 1), Jakob Julius David („Anzengruber“, Band 2), Hugo von Hofmannsthal („Victor Hugo“, Band 3), Paul Remer („Detlev Liliencron“, Band 4), Julius Hart („Leo Tolstoj“, Band 5), Hans Bethge („Hölderlin“, Band 6), Hermann Hesse („Boccaccio“, Band 7), Paul Scheerbart („Cervantes“, Band 8); genannt sind außerdem exemplarisch zu demnächst erscheinenden 17 weiteren Bänden Otto Erich Hartleben („Goethe“), Fritz Lienhard („Schiller“), Franz Servaes („Shakespeare“), Gustav Falke („Eichendorff“), Wilhelm Holzamer („Heine“) und Anselma Heine („Maeterlinck“). Eine Werbung in einem der im Sommer 1904 herausgebrachten Bände nennt als erschienen noch Band 9 von Ricarda Huch („Gottfried Keller“) und kündigt ‒teils von der Anzeige abweichend, teils übereinstimmend ‒ als in Vorbereitung befindlich Bände folgender Autorinnen und Autoren an: Gabriele Reuter („Ebner-Eschenbach“), Timm Kröger („Klaus Groth“), Wilhelm Hegeler („Kleist“, „Heine“ und „Grillparzer“), Hedwig Lachmann („Oscar Wilde“), Gustav Kühl („Eduard Mörike“), Stefan Zweig („Paul Verlaine“), Franz Servaes („Theodor Fontane“ und „Shakespeare“), Leo Greiner („Lenau“), Wilhelm von Scholz („Hebbel“), Gustav Kühl („Richard Dehmel“), Paul Remer („Theodor Storm“), Hans Hoffmann („Wilhelm Raabe“), Otto Erich Hartleben („Goethe“), Anselma Heine („Maeterlinck“), Fritz Lienhard („Schiller“), Hans von Wolzogen („Richard Wagner“), Hans Bethge („Jens Peter Jacobsen“), Hedwig Bleuler-Waser („Ricarda Huch“), John Henry Mackay („Swinburne“), Gustav Falke („Eichendorff“), Carl Hauptmann („Turgenjew“), Rudolf Lothar („Alfred de Musset“), Richard Schaukal („E.T.A. Hoffmann“ und „Wilhelm Busch“), Hermann Hesse („Franz von Assisi“), Hermann Stehr („Gerhart Hauptmann“), Wilhelm Holzamer („Conrad Ferdinand Meyer“) und Willy Pastor („Novalis“); abschließend steht der Hinweis: „Die Sammlung wird fortgesetzt. Es sind einhundert Bände vorgesehen.“ [Hans Bethge: Hölderlin. 2. Tsd. Berlin, Leipzig o.J. (= Die Dichtung. Bd. 6), S. (2-3)] an seiner Sammlung von Monographien, die unter dem Gesamttitel „Die Dichtungerscheinen wird bei Schuster und Löffler in Berlin erscheinen wird und die das Motto trägt: Hier schreiben Dichter über DichterDiese Charakterisierung der Reihe ist auch in einer Besprechung der ersten neun Bände als Zitat aufgegriffen: „Die Dichtung, die umfangreiche Monographiensammlung mit der Devise: ‚Hier schreiben Dichter über Dichter‘, ist nach sorgsamer Vorbereitung der unternehmungsfreudigen Verlagsanstalt Schuster & Loeffler (Berlin und Leipzig) mit ihren ersten Bänden ans Licht getreten. Paul Remer hat für die dargestellten Dichter die darstellenden Dichter gewonnen, und es ist somit eine Sammlung zu erwarten, die nach den schönen vorliegenden Proben eines großen und verdienten Erfolges sicher sein muß. Die vornehme Ausstattung, der hübsche Buchschmuck von Heinrich Vogeler (Worpswede), das handliche Format der Bände, der elegante Druck, die musterhaften Lichtdrucke und die vielen anderen Abbildungen, Faksimiles ec. vervollständigen den künstlerischen Wert der ‚Dichtung‘. [...] Der Dichter sieht und fühlt natürlich anders als der Literaturhistoriker und seine Fähigkeit zum Mitleben des Schaffensganges zeitigt tiefere und wertvollere Betrachtungen, als die analysierende Feder der reinen Kritik. Und wodurch diese Dichterkritiker vornehmlich fesseln, das ist die sprachliche Seite ihrer Monographien. [...] Jeder Band zählt durchschnittlich 90 Seiten Text und etwa 7 bis 8 zum Teil seltene Bilder und Faksimiles von Briefen und Manuskripten der Dichter.“ [Vom Büchertisch. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 57, Nr. 314, 8.7.1904, Vorabendblatt, S. 4]. Unter Herr Remer erhielt unter anderem folgende Antwort. |


Dichter über Dichter

Herrn Paul Remer, Berlin Sehr geehrter Herr Doctor

Sie beehren mich mit einer Einladung zur Mitarbeiterschaftnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Paul Remer an Wedekind, 1.3.1904. an Ihrem Sammelwerk „Die Dichtung“, das Sie unter dem Wahlspruch „hier schreiben Dichter über Dichter“ heraus geben. Leider kann ich nicht umhin, folgende Schlußfolgerungvon der Zeile darunter („folgende Schlußfolgerung zu knüpfen“) an diese Stelle umgestellt. an diesen Ihren Wahlspruch zu knüpfen: Ich habe Sie geben mir, solange in Ihrem Sammelwerk über michEin Band über Wedekind ist in Paul Remers Reihe „Die Dichtung“ nicht erschienen. Wedekind hat für diese Reihe keinen Band geschrieben. noch nicht geschrieben worden ist, keinen Ursache genügenden Grund mich für einen Dichter zu halten, und daher„daher kann ich mir“ ist umgestellt aus „kann ich mir daher“ (erste Textschicht: „werde mir daher“). werde kann ich mir auch den Vorzug nicht anmaßen, in Ihrem Werk über einen Dichter schreiben zu dürfen. Denn wenn an Ihrem Werk auch noch andere Leute als nur Dichter mitarbeiten, dann könnte der unbefangene Leser auf den naheliegenden Gedanken kommen daß in Ihrem Werk auch noch über andere Leute als nur über Dichter geschrieben wird und dadurch von Mißtrauen Argwohn gegen Ihr Unternehmen erfüllt werden.

In vorzüglicher Hochschätzung
FW.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 1 Blatt, davon 2 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Bleistift.
Schriftträger:
Liniertes Papier. Notizbuchblatt. 11 x 16,5 cm.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Der im Notizbuch [Nb 27, Blatt 42r-v] überlieferte Briefentwurf beginnt nach drei Zeilen Text in anderem Zusammenhang mit dem Entwurf eines Vorspanns für einen offenen Brief [Blatt 42r], dem der eigentliche Briefentwurf folgt [Blatt 42v]. Der vermutlich auf der Grundlage des Briefentwurfs formulierte abgesandte Brief ist nicht überliefert, ein Abdruck als offener Brief ist nicht nachweisbar.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Der 30.3.1904 ist als Ankerdatum gesetzt. Einen Anhaltspunkt für die Datierung gibt das Notizbuch, in dem der Briefentwurf steht [Nb 27]; es enthält Datumseinträge, die vom 15.3.1904 bis zum 2.5.1904 reichen. Der Briefentwurf gilt als „im Zeitraum April/Mai 1904 entstanden“ [KSA 5/III, S. 233], wobei aber März 1904 in die Datierungsüberlegungen miteinzubeziehen ist. Einen weiteren Anhaltspunkt für eine Datierung bietet eine Verlagsanzeige „Die Dichtung“ über die von „Paul Remer herausgegebenen Dichter-Monographien“ [Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Jg. 71, Nr. 71, 26.3.1904, S. 2819], welche die ersten acht Bände der vom Verlag Schuster & Löffler (Berlin und Leipzig) herausgebrachten Reihe für Ende April 1904 und weitere 17 Bände für demnächst ankündigt, außerdem auf einen Prospekt aufmerksam macht, der die ersten 33 Bände aufzähle und Zeitungen beigelegt sei. Die Einladungsbriefe des Herausgebers an die diversen Autoren und Autorinnen (der Einladungsbrief an Wedekind ist nicht überliefert) dürften deutlich vor einer solchen Ankündigung versandt worden sein, auch wenn nicht alle ihn gleichzeitig erhalten und ihn wohl auch nicht alle gleichzeitig beantwortet haben (Korrespondenz des Herausgebers mit anderen Autoren und Autorinnen zu dem Projekt ist unveröffentlicht; sie datiert zwischen Anfang Februar und Anfang April 1904). Während zum Beispiel Hermann Hesse am 16.2.1904 Paul Remer sein Manuskript für „Die Dichtung“ („Boccaccio“ erschien als Band 7) für April versprochen hat [vgl. Joseph Milek: Hermann Hesse. Bibliographie. Bd. 1. Berkeley 1977, S. 161], datiert die von Margarethe Hauptmann für Gerhart Hauptmann geschriebene Absage an Paul Remer, eine Monographie für „Die Dichtung“ zu schreiben, vom 1.4.1904 [Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Handschriftenabteilung, Autogr. I/852].

  • Schreibort

    München
    30. März 1904 (Mittwoch)
    Ermittelt (unsicher)

  • Absendeort

    München
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Steglitz bei Berlin
    Datum unbekannt

Erstdruck

Gesammelte Briefe. Zweiter Band

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Fritz Strich
Ort der Herausgabe:
München
Verlag:
Georg Müller
Jahrgang:
1924
Seitenangabe:
116
Briefnummer:
223
Kommentar:
Im Erstdruck ist der Brief ohne den fingierten redaktionellen Vorspann für einen offenen Brief veröffentlicht, als „Entwurf“ gekennzeichnet und datiert auf „München, etwa Frühjahr 1904.“ Im Erstdruck ist ein falscher Adressat angegeben: „An Paul Renner.“ – Der fingierte redaktionelle Vorspann für einen offenen Brief liegt mit dem nachfolgenden Briefentwurf (ohne Hinweis auf den Erstdruck) unter dem Titel „Dichter über Dichter“ gedruckt vor: KSA 5/II, S. 209f.
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
L 3501/27
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Paul Remer, 30.3.1904. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

10.06.2024 18:45