München, 25.III.1911.
Sehr geehrter Herr Professor!
Empfangen Sie meinen aufrichtigen herzlichsten Dank für Ihre
freundlichen, ausführlichen Wortevgl. Franz Muncker an Wedekind, 25.3.1911. Wedekind hat den Brief als „Gutachten des Herrn Professor Franz Muncker“ im Beitrag „Aus dem Münchner Zensurbeirat“ in Erich Mühsams Zeitschrift „Kain“ veröffentlicht [vgl. Kain, Jg. 1, Nr. 6, September 1911, S. 93f.].. Ihren liebenswürdigen Rath, die Herren Dr.
Halbe, Prof. Dr. Sulger-Gebing und Prof. Dr. v. Du Moulin um ein GutachtenOb Wedekind alle drei genannten Mitglieder des Münchner Zensurbeirats um ein Gutachten gebeten hat, ist unklar; von Max Halbe ist kein Gutachten nachzuweisen (und Wedekind hat ihn vermutlich auch nicht gefragt), wohl aber von Emil Sulger-Gebing [vgl. Emil Sulger-Gebing an Wedekind, 3.4.1911], das Wedekind als „Gutachten des Herrn Professor Sulger-Gebing“ im Beitrag „Aus dem Münchner Zensurbeirat“ in Erich Mühsams Zeitschrift „Kain“ veröffentlichte [vgl. Kain, Jg. 1, Nr. 6, September 1911, S. 94f.], während Richard Du Moulin-Eckart kein Gutachten erstellte, obwohl Wedekind sich darum bemühte, wie sein Tagebuch vom 26.3.1911 („Ausflug nach Höllriegelkreut. Begegne Graf du Moulin und Kindern“), 3.4.1911 („Suche vergeblich den Grafen Du Moulin zu treffen“) und 4.4.1911 („Besuch beim Graf Du Moulin im Politechnikum“) zu erkennen gibt. zu
ersuchen, werde ich befolgen, obschon ich ziemlich sicher bin, daß Ihre
Aeußerungen genügen würden, um die kgl. Polizeidirektion gegenüber meinem
Einakter umzustimmenWedekind hat ein solches Schreiben über das Zensurverbot von „Totentanz“ entworfen, in dem er aus den Gutachten von Franz Muncker und Emil Sulger-Gebing zitiert [vgl. Wedekind an Polizeidirektion München, 25.6.1911], aber wohl nicht abgeschickt; in den Akten der Münchner Zensurbehörde ist es nicht dokumentiert [vgl. KSA 5/III, S. 810].. Leider muß ich Ihnen, geehrter Herr Professor, in Ihren
kritischen Aussetzungen vollkommen Recht geben. Das vorliegende Problem
künstlerisch zu verkörpern, zu gestalten, ist mir nicht gelungen. Das Stück ist
in der Kasuistikhier: spitzfindige Argumentation. stecken geblieben.
Darf ich Sie bitten, geehrter Herr Professor, den Ausdruck
meiner größten Hochschätzung entgegenzunehmen. Ihr ergebener
Frank Wedekind.