Kennung: 2141

Darmstadt, 17. August 1889 (Samstag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Emilie (Mati)

Adressat*in

  • Wedekind, Frank

Inhalt

Darmstadt d. 17. August.


Mein geliebter Franklin!

Am letzten Montag erhielt ich deinen lieben Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Frank Wedekind an Emilie (Mati) Wedekind, 11.8.1889.. Ich habe denselben 1, 2, 3 ja 4 m/M/al durchgelesen und immer sah ich mehr daraus wie gut Du gegen mich bist. Nun weiß ich auch weßhalb ich so früh von zu Hause fortkam. Mama hat es mir nie gesagt. Daß Doda zu Dir kommen darf freut mich sehr. Du hast sehr recht wenn du sagst wir 3 verstünden uns am besten, aber als Doda an Weihnachten sagte ich wäre nichts rechtes geworden verstand ich ihn nicht ganz. Jetzt begreife ich es sehr gut. Ich bin hier so weich und so willenlos geworden. Alle Energie habe ich hier in diesem | Hause verloren. Es würde mir unendlich schaden wenn ich noch länger hier bliebe. Denke dir ein Mädchen hier in der Pension hat es schon so weit gebracht daß ich mir eingebildet habe Heimweh zu haben. In meinem Jammer nun habe bin ich so willenlos und so weich geworden daß ich die großartigsten Jammerbriefe nach Hause geschrieben habe. Ich habe Mama versprochen ihr beis/z/ustehen solange ich zu Hause wäre. Jetzt bereue ich meine Jammerei; aber auf eine andere Weise wäre ich nicht von hier fort gekommen. und das ist unbedingt notwendig. Hier kann ich eh nicht mehr bleiben denn sonst gehe ich noch unter in meinem zu mädchenhaften Wesen. Frl. Widersdie Pensionsvorsteherinnen Charlotte und Sophie Wider. sind nicht im geringsten daran schuld. Sie warvermutlich Schreibversehen, statt: waren. immer sehr gut mit mir, aber einige Mädchen | hier besonders eines hat mich so mit ihren Netzen umgarnt daß ich ganz lahm und weich an Geist geworden bin. Wenn Du mich hier sehen würdest so würdest Du sagen: Das ist nicht mehr mein altes Mati. Ich hoffe daß ich die alte Energie zu Hause wieder erlange. Wenn ich zu Hause bin werde ich Dir alles noch mehr erklären und ich hoffe daß Du mir dann die Thorheiten die ich begangen habe z/v/erzeihen kannst. Du mußt auch immer bedenken daß ich noch keinen ausgebildeten Geist habe und daß Ihr mir noch immer ein wenig beistehen müßt. Ich könnte mir nicht denken daß wir unser schönes Schloß lassen können. Ich war noch nicht zu Hause seit es zu einem Wirtshaus gewordenNach dem Tod von Friedrich Wilhelm Wedekind am 11.10.1888 betrieb seine Witwe „auf Schloss Lenzburg eine Pension für Feriengäste, um zusätzlich Einkünfte für sich und die Familie zu erzielen, solange das Schloss noch nicht verkauft war.“ [Vinçon 2021, Bd. 2, S. 136] Emilie Wedekind hatte bei der Gemeinde Lenzburg die Bewilligung einer Sommerwirtschaft auf Schloss Lenzburg beantragt, die am 28.12.1888 genehmigt wurde [vgl. ebd.]. ist und so habe ich es nun nur noch in der alten Erinnerung. Wie schön war es wenn wir da oben spielten. Ach wie viele schöne Erinnerungen knüt/p/fen sich daran. | Am liebsten möchte ich es gar nicht mehr sehen. Was würde Papa sagen wenn er es sähe und wenn er mich die KelnerinSchreibversehen, statt: Kellnerin. machen sähe. Ich glaube es/r/ würde sich es uns nie verzeihen daß wir es zugelassen haben. ‒ Wenn ich nach Hause komme werde ich Mamm/a/ im Hause beistehen und helfen aber in die Wirtschaft bringen sie mich mit 20 Pferden nicht. Mieze läßt sich das alles gefallen weil sie jetzt noch die erste Rolle in Lenzburg spielt. Aber wie bald wird sie sie nicht mehr spielen und dann, was ist sie dann? Nicht war lieber Bebi Ihr kommt am selben Tage oder wenigstens nicht viel später nach Hause als ich. Es würde mich unendlich freuen Euch beide bei meinem Kommen gleich dort zu finden. Ich komme am 1. September Abends zwischen 8 9 ‒ und 9 Uhr in Wildegg anWildegg liegt etwa vier Kilometer von Lenzburg entfernt.. Mit Gruß und Kuß an Doda und dich dein treues
Mati.


[Seite 4 am linken Rand um 90 Grad gedreht:]

Ich hoffe wir können uns gegenseitig zu Hause recht aussprechen. Schreibt mir beide recht, recht bald. ‒‒‒

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Rautiertes Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 14 x 22 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Wedekind hat unmittelbar unter der Datumszeile das Jahr („89“) mit Bleistift handschriftlich ergänzt.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Der lediglich mit Tag und Monat datierte Brief ist Wedekinds Notiz unter der Datumszeile zufolge (und durch textexterne Indizien in Verbindung mit dem Schreibort) im Jahr 1889 geschrieben worden.

Der Empfangsort ist durch das Tagebuch belegt.

  • Schreibort

    Darmstadt
    17. August 1889 (Samstag)
    Sicher

  • Absendeort

    Darmstadt
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    München
    Datum unbekannt

Erstdruck

Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 308
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Emilie (Mati) Wedekind an Frank Wedekind, 17.8.1889. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (03.12.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

27.09.2021 18:45