Dr. Wigger’s KurheimDer Brief ist auf Briefpapier des Sanatoriums Dr. Wigger’s Kurheim in Partenkirchen (Inhaber: Geheimrat Dr. Florian Wigger) geschrieben, einer Annonce zufolge eine Kuranstalt gehobenen Niveaus: „Geschützte Südlage, grosser Park, modernste Einrichtungen, jegl. Komfort. Lift. [...] 3 Aerzte“ [Jugend. Illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben, Nr. 5 (1910), S. 112]. Albert Steinrück besuchte dort seine kranke Ehefrau Elisabeth Steinrück (geb. Gussmann), logierte aber wie deren Schwager Arthur Schnitzler in dem auf gleicher Höhe gelegenen Hotel Haus Gibson. Arthur Schnitzler hielt am 20.8.1910 fest: „Ankunft Partenkirchen. Albert auf der Bahn. Mit ihm Sanatorium Wigger; zu Liesl. Besser als wir gefürchtet, fieberfrei.‒ Wohnen Pension Gibson.“ [Tb Schnitzler] Arthur Schnitzler sieht bis zu seiner Abreise am 26.8.1910 nach München Albert Steinrück in Partenkirchen täglich.
Sanatorium für Innen-, Nervenkranke
und Erholungsbedürftige aller Art
Partenkirchen
bayerisches Hochgebirge
Telephon Nr. 63
Partenkirchen, den 191
Lieber
Frank, vor Ende Oktober oder Anfang November dürften die ProbenDie Proben zur „Liebestrank“-Inszenierung am Münchner Residenztheater (Premiere: 17.11.1910) begannen wie von Albert Steinrück erwogen. Wedekind notierte am 2.11.1910: „Ich arrangiere im Residenztheater Liebestrank“, am 4. und 5. sowie am 8.11.1910: „Probe von Liebestrank“ [Tb]. von „Liebestrank“
kaum beginnen. Ich weiss nicht ob Du einen
bestimmten Termin abgemacht hast; jedenfalls halte ich die Zeit Oktober Anfang
November für die geeignetste. Etwas Bestimmtes kann ich Dir in den ersten Tagen
der nächsten Woche mitteilen. MontagDa Albert Steinrück am 26.8.1910 (Freitag) abends um 19.30 Uhr in München im Residenztheater in der Hauptrolle eines Ibsen-Stücks, bei dem er auch die Regie führte (Premiere war am 29.7.1910, zugleich die Eröffnung der Spielzeit), auf der Bühne stand [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 63, Nr. 398, 26.8.1910, General-Anzeiger, S. 2], im Publikum Arthur Schnitzler: „Residenztheater ‚Solneß‘. Albert spielt ihn“ [Tb Schnitzler, 26.8.1910], und er am 22.8.1910 (Montag) nachweislich in Partenkirchen war, dürfte er den Montag zuvor (15.8.1910) von Partenkirchen nach München gefahren sein, falls der im vorliegenden Brief geäußerte Plan, an jenem Montag in München zu sein, ausgeführt worden ist. komme ich in die Stadt und werde sofort Deine
Interessen bei Excellenzbei Albert Freiherr von Speidel, Generalintendant des Königlichen Hof- und Nationaltheaters in München [vgl. Neuer Theater-Almanach 1911, S. 567], zu dem das Residenztheater gehörte. vertreten. Wünschest Du, dass wir mit dem Stück schon
früher herauskommen ‒ vielleicht
Anfang Oktober? Ich bin überzeugt, dass die Intendanz all Deinen Wünschen gern
entgegen kommen wird. ‒ |
Von „Büchse d. Pandora“ gedenke ich in circa 10
Tagen die Arrangirprobe zu halten. Das Stück soll so Du ‒ und Gott will ‒ Mitte October im ResidenztheaterDie Münchner Inszenierung der „Büchse der Pandora“ unter der Regie von Albert Steinrück mit Wedekind in der Rolle des Jack war dann nicht im Residenztheater zu sehen, sondern als Aufführung des Neuen Vereins am 8.11.1910 im Künstlertheater (um 20 Uhr), insofern eine der „zensurfreien, geschlossenen Vorstellungen“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 63, Nr. 518, 5.11.1910, Vorabendblatt, S. 3], wie der Neue Verein die Vorstellung angekündigt hat. Der Spielort war schon länger klar: „Der Neue Verein leitet sein diesjähriges Programm durch zwei Aufführungen im Künstlertheater ein. [...] ‚Die Büchse der Pandora‘ von Wedekind unter der Regie von Herrn Steinrück [...]. Die Rollen beider Stücke liegen sämtlich in den Händen der besten Kräfte des hiesigen Hoftheaters.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 63, Nr. 481, 14.10.1910, Vorabendblatt, S. 2] Wedekind machte dazu im Tagebuch Notizen – am 2.11.1910 („Auf der Probebühne des Hoftheaters Probe von Pandora“), am 4.11.1910 („Um 3 Uhr Probe von Pandora im Künstlertheater“), am 5.11.1910 („Probe von Jack im Künstlertheater“), am 6.11.1910 („Generalprobe von Pandora“), am 8.11.1910 („B. d. Pandora im Künstlertheater. Ich spiele Jack. Nachher mit dem neuen Verein im Künstlerhaus“). erscheinen.
Die Rolle der GeschwitzDie Rolle der Gräfin Geschwitz bei der Aufführung der „Büchse der Pandora“ durch den Neuen Verein am 8.11.1910 im Künstlertheater spielte die Hofschauspielerin Luise Hohorst (Wedekind selbst spielte Jack): „Jack und Geschwitz gewannen Leben in Wedekinds und Fräulein Hohorsts Verkörperung.“ [Richard Elchinger: Die Büchse der Pandora. Tragödie von Frank Wedekind. Erste Aufführung im Künstlertheater durch den Neuen Verein am 8. November. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 63, Nr. 525, 10.11.1910, Vorabendblatt, S. 2] Das war auch angekündigt: „In Wedekinds Büchse der Pandora, die am 8. November im Künstlertheater auf Veranlassung des Neuen Vereins gegeben wird, spielt Fräulein Luise Hohorst, eine Schülerin von Fritz Basil, die Max Reinhardt für das Berliner Deutsche Theater verpflichtet hat, die Rolle der Gräfin Geschwitz.“ [Vom Neuen Verein. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 63, Nr. 515, 4.11.1910, Vorabendblatt, S. 3] möchte ich dich nochmals
bitten ‒ mit Frl. Hohorst zu
besetzen. Jedenfalls müßten wir sie
ausprobieren. Und ich hab so das bestimmte Gefühl (nach Allem was ich von der
Dame sah) dass da etwas ganz besonderes herausspringen wird. ‒
Schreibe mir bitte wie lange Du noch auf dem
LandeWedekind, der dem Tagebuch zufolge am 6.8.1910 von München abgereist und abends in Lenzburg in der Schweiz eingetroffen ist („Ankunft in Lenzburg“), wo seine Mutter lebte, blieb dort bis zum 2.9.1910 und war abends um 18 Uhr in München zurück („Abreise von Lenzburg. [...] Um 6 Uhr in München“). Er traf Albert Steinrück in München am 4.9.1910, danach am 8. und 9.9.1910 [vgl. Tb]. bleibst, damit ich Dich auf dem Laufenden halten kann. ‒ |
Meiner Frau die viele
Wochen sehr krank gewesen war, gehts jetzt wieder besser. Sie lässt Dir für d/D/eine
Grüssenicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Albert Steinrück, 7.8.1910. Wedekind dürfte die geplanten Münchner Inszenierungen des „Liebestrank“ und der „Büchse der Pandora“ angesprochen haben, zu denen Albert Steinrück sich im vorliegenden Brief äußert. danken und erwiedert dieselben herzlichst. ‒
Deiner Frau Gemahlin bitte meine allerbesten
Empfehlungen.
Mit herzlichstem Grusse
Dein Albert Steinrück.
ständige AdresseAlbert Steinrück, Münchner Hofschauspieler [vgl. Neuer Theater-Almanach 1911, S. 569], wohnte wie angegeben in der Gedonstraße 6 (2. Stock) [vgl. Adreßbuch für München 1910, Teil I, S. 592].: Gedonstr. 6.