Lieber verehrter Herr Doktor!
Was Sie mir über „in allen Wassern gewaschen“ schriebenvgl. Walther Rathenau an Wedekind, 17.6.1910., hat
mich so beschämt, daß es mir schwer wird, den richtigen Ton zu finden. Sie
hatten mir bei der Arbeit geholfen, u. a. durch einen ausführlichen
AufsatzWalther Rathenau hatte Wedekind seinerzeit seinen Sammelband „Impressionen“ geschickt [vgl. Walther Rathenau an Wedekind, 25.9.1904], der den zuerst 1902 anonym veröffentlichten Essay „Physiologie der Geschäfte“ enthält [vgl. Walther Rathenau: Impressionen. Leipzig 1902, S. 165-206]; der Essay „widmet sich den Motiven wirtschaftlichen Handelns und den Bedingungen erfolgreicher geschäftlicher Tätigkeit“ [KSA 7/II, S. 791], er kommt für den Einakter „In allen Wassern gewaschen“ (1010) aber als Quelle im engeren Sinn „nicht in Betracht.“ [KSA 7/II, S. 791], den Sie mir im Jahr 1904 über die Rolle des Geldes im Weltbetrieb
schrieben, und den ich als ich an dem Einakter schrieb wieder genau durch|studierte.
Seit einigen TagenFrank, Tilly und Pamela Wedekind sind am 6.8.1910 von München über Lindau und Zürich nach Lenzburg gereist, wo sie noch abends eintrafen [vgl. Tb]. bin ich nun mit meiner Frau
und unserem Töchterchen in Lenzburg im Kanton Aargau, wo meine Mutter am Fuß
des Schloßberges ein kleines Gutdas Steinbrüchli in Lenzburg, Emilie Wedekinds Wohnhaus. bewohnt. Meine Schwester Erika ist gleichfalls
mit ihrer Tochtermit Eva Oschwald, der Tochter von Erika Wedekind und Walter Oschwald, die bereits in Lenzburg war, als Frank Wedekind mit seiner Familie in Lenzburg eintraf, wie er am 6.8.1910 notierte: „Mama und Eva holen uns vom Bahnhof ab.“ [Tb] hier. Kurz vor Ihrer Abreise von Berlin schrieben Sie mirvgl. Walther Rathenau an Wedekind, 28.7.1910.,
daß Sie hierherkämen, wie ich vermute, nach Baden oder Laufenburg. Wenn Sie an
Tagen, die die Geschäfte Ihnen frei lassen, einmal nach Lenzburg | kämen,
würden wir uns alle ungemein freuen. Vielleicht würde Sie auch das alte Schloßdas im 11. Jahrhundert erbaute und danach mehrfach umgebaute Schloss Lenzburg, wo die Familie Wedekind von 1872 bis 1893 gelebt hat, Frank Wedekind bis 1884, also im Alter von 8 bis 20 Jahren.
interessieren.
Augenblicklich haben wir ja zuverlässiges Wetter. Ich hoffe,
daß Ihnen die Reise trotz Ihrer Arbeit die notwendige Erholung bieten konnte.
Für die Winterarbeit ist das wohl wichtiger als wir oft annehmen.
Mit besten Empfehlungen von meiner Frau und mir und
herzlichem Gruß
Ihr ergebener
Frank Wedekind.
9.8.10.
Lenzburg (Ct. Aargau) Schweiz.