W. R.
Verehrter Herr Wedekind,
Ihre Aufzeichnungendas von Wedekind sogenannte „Reinhardt-Tagebuch“, das er als Briefbeilage verschickt hat [vgl. Wedekind an Walther Rathenau, 17.10.1908], um seine Auseinandersetzungen mit Max Reinhardt um die Auflösung seiner Verträge mit dem Deutschen Theater zu Berlin zu dokumentieren. enthüllten mir zu meinem grossen
Bedauern, dass ernste Differenzen zwischen Ihnen und dem Deutschen Theater
bestehen. Ich habe seit der Begründung nicht mehr Gelegenheit gehabt, mich mit
diesem Institut zu befassen. Mein Schwager AndreaeFritz Andreae war mit der jüngeren Schwester von Walther Rathenau, Edith Rathenau, verheiratet; ihm hatte Wedekind ebenfalls ein Exemplar des „Reinhardt-Tagebuch“ (siehe oben) gesandt [vgl. Wedekind an Fritz Andreae, 17.10.1908]. dagegen gehört der
Verwaltung an, und ihn habe ich gebeten, sich der Sache anzunehmen.
Ich hoffe sehr auf die Freude, Sie und Ihre
verehrte Gemahlin diesen Winter zu sehen, obwohl ich nicht weiss, was Sie über
Ihr Domizil beschlossen haben. Ich denke, | im nächsten Monat ein paar
Tage in München zu sein: werde ich Sie noch antreffen? Sie haben mir Ihre
münchner AdresseWedekind hatte in München gerade eine neue Wohnung (Prinzregentenstraße 50, 3. Stock) bezogen, wie er im Tagebuch festhielt – so am 1.10.1908 („Besichtigung der Wohnung Bad. [...] Mit Anna Pamela in der Wohnung“), 5.10.1908 („Tilly ab 8 Uhr in der Wohnung [...] Das Eßzimmer ist gesäubert Bibliothek aufgestellt“), 6.10.1908 („Tilly ab 8 Uhr in der Wohnung Bestelle zwei Schränke. [...] Mein Zimmer ist gesäubert“), 7.10.1908 („Die Teppiche werden gebracht. Tillys Zimmer ist gesäubert“), 8.10.1908 („Mein Schlafzimmer ist gesäubert“), 9.10.1908 („Packe meine Koffer und fahre in die Wohnung“). Wedekind hatte zuvor in Berlin gewohnt (Kurfürstenstraße 125, 3. Stock); er reiste am 21.9.1908 von Berlin ab nach Dresden und von dort am 30.9.1908 nach München [vgl. Tb], wo er zunächst eine Pension bezog, wie er am 30.9.1908 notierte: „Abends Ankunft in Pension Fernsemer“ [Tb]; das war die von Konstantine Fernsemer geführte Pension Fernsemer (Ohmstraße 1) [vgl. Adreßbuch für München 1908, Teil II, S. 362]. nicht gegeben; ich versuche es diesmal mit der Kurfürstenstraße.
Für Ihr neuestes Werk danke ich IhnenHinweis auf ein nicht überliefertes Begleitschreiben zur übersandten Buchausgabe von „Oaha“; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Walther Rathenau, 17.9.1908. aufs herzlichste. Es
hat mich doppelt gefesselt, nachdem Sie mir manches aus diesem seltsamen Kreisedie Redakteure des „Simplicissimus“ und dessen Verleger Albert Langen. Wedekinds Schauspiel „Oaha“ fiktionalisierte die Verhältnisse in der Redaktion der Münchner Zeitschrift „Simplicissimus“ [vgl. KSA 8, S. 565], in der Wedekind satirische Gedichte veröffentlicht hatte, welche 1898 die Majestätsbeleidigungsaffäre provozierten, die Konfiskation und seine Flucht in die Schweiz, deren Vorgeschichte das Stück verarbeitet [vgl. KSA 8, S. 395-397].
erzählt hatten.
Auf baldiges Wiedersehen! Ich grüsse Sie freundschaftlich
und in aufrichtiger Ergebenheit
Ihr
Walther Rathenau.
19.10.08.