Kennung: 1993

Leipzig, 13. Juli 1907 (Samstag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Rathenau, Walther

Inhalt

HÔTEL HAUFFE, LEIPZIG


Telegr.-Adr. Hotel Hauffe Leipzig.
International Hotel-Telegraph-Code


Zweiggeschäft: Englischer Hof.
Baden-Baden.


Besitzer: OSCAR PETERS, HOFLIEFERANT.


CARLTON HÔTEL-FRANKFURT a.M.
Eröffnung Frühjahr 1907.


Leipzig, den ... 190...
Fernsprecher № 13322 und № 134.


Lieber verehrter Herr Doctor,

da es nicht dazu gekommen ist, daß wir uns noch einmal zusammenfanden, möchte ich Ihnen vor Ihrer AfrikareiseWalther Rathenau nahm vom 13.7.1907 bis 30.10.1907 an einer Reise in die Kolonien Deutsch-Ostafrika und Britisch-Ostafrika unter Leitung von Bernhard Dernburg, Staatssekretär im Kolonialministerium, teil, die ihn nach Daressalam, Sansibar, Mombasa, Nairobi, Port Florence, Mwanza, Tabora und Usambara führte [vgl. Tb Rathenau; vgl. Jaser/Picht/Schulin 2006, Bd. 1, S. 793]. doch noch meine besten Grüße senden. Unser letztes ZusammentreffenWedekind hat Walther Rathenau zuletzt am 26.6.1907 nach einem Besuch bei Lili Deutsch getroffen: „Dann mit Rathenau im Café des Westens.“ [Tb] hat mir auf mehrere Tage zu denken gegeben./,/ Ideenverbindungen, die mich aufs höchste überraschten und die sich in künstlerischer Form meines Erachtens äußerst dankbar erweisen müßten. | Was Harden betrifftAnspielung auf die Eulenburg-Affäre [vgl. Hellige 1983, S. 520-523], ausgelöst durch publizistische Angriffe Maximilian Hardens in seiner Wochenschrift „Die Zukunft“ seit Herbst 1906 auf einen Kreis um Wilhelm II. (die sogenannte ‚Kamarilla‘ um den Kaiser), insbesondere gegen Philipp Fürst zu Eulenburg und Kuno Graf von Moltke, durch Anspielungen auf homosexuelle Neigungen, um deren politischen Einfluss zu diskreditieren, eine Affäre, die eine Reihe Prozesse gegen den Publizisten nach sich zog und großes Aufsehen erregte. Maximilian Harden hatte sein Vorgehen verteidigt: „Was ich bekämpft habe, ist: die Einwirkung normwidriger (wenn auch ideeller) Männerfreundschaft. [...] Ich habe weder Beruf noch Neigung, die Triebe und Lüste Anderer zu bekritteln. Hier hat sichs um Politik gehandelt. Um Kaiser und Reich.“ [Die Zukunft, Jg. 15, Nr. 37, 15.6.1907, S. 374], so muß ich Ihrer Ansicht des Falles beistimmen, aber etwas wäre doch wohl noch zu erwägen. Bis heute hatten die Deutschen Ju/ou/rnalisten nur eine Wahl: Entweder das zu schreiben, was man bei ihnen bestellt, oder wenn sie eine eigene Ansicht vertraten, Zeit ihres Lebens die gekränkte Leberwurst und den Prediger in der Wüste zu spielen. Hardens Vorgehen stellt demgegenüber einen Ausdruck jurnalistischerSchreibversehen, statt: journalistischer. Macht dar, wie sie meines Wissens, das allerdings sehr lückenhaft sein kann, seit Luther nicht mehr vorgekommen ist.

Ein großes ästhätischesSchreibversehen, statt: ästhetisches. Vergnügen bereitete mir in der GoldkrisisWalther Rathenau argumentierte in seinem Essay für die Abschaffung des Goldstandards und eine flexiblere Notenpolitik der Reichsbank [vgl. R.: Die Goldkrisis. In: Die Zukunft, Jg. 15, Nr. 31, 4.5.1907, S. 187-192]. der Gegensatz zwischen der romanhaften Ausdrucksweise und der Nüchternheit des Gegenstandes. Außerdem hat das | Kulturhistorische darin doch wohl auch den größten Anspruch auf allgemeines Interesse.

Meine besten Wünsche begleiten Sie bei dem schönen Unternehmen, das vor Ihnen liegt. Ich bin auf der Fahrt nach Stuttgart Wedekind reiste am 8.7.1907 zunächst von München nach Leipzig, von dort am 15.7.1907 weiter nach Frankfurt am Main und von dort wiederum am 18.7.1907 nach Stuttgart [vgl. Tb].hier eingeregnet. Meine Frau ist auf einige Tage zu ihren Eltern nach Graz gefahrenTilly Wedekind fuhr am 9.7.1907 [vgl. Tb] nach Graz zu ihren Eltern., sonst würde sie mich jedenfalls bitten, Ihnen ihre Grüße auszurichten.

Ich wünsche Ihnen reichsten Ertrag.

Mit bestem Gruß
Ihr
Fr Wedekind.


13.7.7

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 3 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Liniertes Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 14 x 22 cm. Mit gedrucktem Briefkopf.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Auf Seite 1 oben links ist mit Tinte von fremder Hand (gezeichnet „G.“) das Eingangsdatum notiert (unterstrichen): „Eing. 15/7.“

Datum, Schreibort und Zustellweg

Der Brief traf dem auf ihm notierten Eingangsvermerk zufolge am 15.7.1907 in Berlin ein. Da Walther Rathenau an dem Tag nach Afrika abreiste, an dem Wedekind ihm schrieb (13.7.1907), ist unbekannt, wann der Brief ihn erreichte; während der Reise wurde ihm die Post nachgesandt [vgl. Hellige 1983, S. 535].

  • Schreibort

    Leipzig
    13. Juli 1907 (Samstag)
    Sicher

  • Absendeort

    Leipzig
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Berlin
    15. Juli 1907 (Montag)
    Ermittelt (sicher)

Erstdruck

Gesammelte Briefe. Zweiter Band

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Fritz Strich
Ort der Herausgabe:
München
Verlag:
Georg Müller
Jahrgang:
1924
Seitenangabe:
182-183
Briefnummer:
290
Kommentar:
Neuedition: Jaser/Picht/Schulin 2006, Bd. 1, S. 792 (Nr. 570).
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Deutsche Nationalbibliothek. Deutsches Exilarchiv 1933-1945

Adickesallee 1
60322 Frankfurt am Main

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Vorlass Vincent C. Frank-Steiner
Signatur des Dokuments:
EB 2007/128-B.05.02.0087
Standort:
Deutsche Nationalbibliothek. Deutsches Exilarchiv 1933-1945 (Frankfurt am Main)

Danksagung

Wir danken dem Deutschen Exilarchiv 1933-1945 der Deutschen Nationalbibliothek für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Walther Rathenau, 13.7.1907. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (03.12.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Cordula Greinert

Überarbeitet von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

13.10.2023 12:35