Verehrter Herr Rathenau!
Sie erwiesen mir gesternWedekind notierte am 12.10.1906 ein Treffen mit Walther Rathenau in größerem Kreis im noblen Weinlokal F. W. Borchardt (Französische Straße 47/48): „Abends bei Borchardt Diner zu Ehren Archers. Harden Rathenau Graf Kessler Gordon Craig, Leo Greiner e.ct.“ [Tb 12.10.1906]. die Ehre mich zu fragen, wer bei
unserem etwaigen ZusammenseinDas Treffen fand am 19.10.1906 bei Walther Rathenau statt; zugegen waren Friedrich Dernburg, Maximilian Harden, Max Reinhardt, Harry Graf Kessler, Georg Reicke und Paul Cassirer, wie Wedekind notierte: „Abends bei Rathenau mit Dernburg Harden Reinhart Graf Keßler, Reike und Paul Cassirer.“ [Tb] zugegen sein sollte und ich dachte gerade in dem
Augenblick nicht an Ihre schöne Freundindie mit Walther Rathenau eng befreundete Lili Deutsch, wie aus der Antwort hervorgeht [vgl. Walther Rathenau an Wedekind, 14.10.1906]., nach deren Befinden ich Sie den
ganzen Abend fragen wollte.
Was Sie mir von Ihrer | Absicht, Berlin zu verlassenWalther Rathenau, der zum 1.7.1906 aus dem Direktorium der Berliner Handels-Gesellschaft ausgeschieden und in den Verwaltungsrat des Unternehmens gewechselt ist, überlegte, sich vollständig aus dem Geschäftsleben zurückzuziehen und sich auf einem preußischen Gut niederzulassen [vgl. Jaser/Picht/Schulin 2006, Bd. 1, S. 776; Hellige 1983, S. 480-482].
sagten, geht mir heute den ganzen Tag im Kopf herum. Ich hoffe nur das Eine:
Wenn Sie sich ganz Ihren künstlerischen und menschlichen Ideen widmen werden
wir indirekt gewiß, vielleicht aber auch persönlich hier in Berlin mehr von
Ihnen hören und sehen, als es Ihre | Lebensstellung bis jetzt ermöglichte,
ganz davon abgesehen, daß für Sie selber das Leben unvergleichlich reicher
würde. In dieser Zuversicht beglückwünsche ich Sie und sende Ihnen die
herzlichsten Grüße auch von meiner l. Frau.
Ihr ergebenster
Frank Wedekind.
Kurfürstenstraße 125. III r.
13.10.6.