Sehr geehrter Herr Doctor,
Obschon ich mit den „Impressionen“ noch nicht ganz zu Ende
bin, kann ich nicht mehr länger warten, Ihnen meinen herzlichen Dank für das
geistvolle BuchWalther Rathenau hatte Wedekind seinen Prosaband „Impressionen“ (1902) gesandt [vgl. Walther Rathenau an Wedekind, 25.9.1904]. auszusprechen. Die Talmudischen Geschichten„Talmudische Geschichten“ (Erstdruck teilweise 1899 in der „Zukunft“ unter dem Pseudonym W. Hartenau) ist in den „Impressionen“ abgedruckt [vgl. Walther Rathenau: Impressionen. Leipzig 1902, S. 101-120]. finde ich
entzückend, die von der Thamar und dem Tod„Der Engel des Todes“ (Erstdruck 1899) ist in den „Impressionen“ abgedruckt [vgl. Walther Rathenau: Impressionen. Leipzig 1902, S. 111-114]. ein herrliches Symbol. „Höre Israel„Höre, Israel!“ (Erstdruck 1897 in der „Zukunft“ unter dem Pseudonym W. Hartenau), das berühmte und umstrittene Plädoyer für jüdische Assimilation, um antisemitischen Diskriminierungen entgegenzuwirken, ist in den „Impressionen“ abgedruckt [vgl. Walther Rathenau: Impressionen. Leipzig 1902, S. 1-20].“
hat mich im höchsten Grad gefesselt, zumal da es Dinge behandelt, über die ich
auch schon nachgedachtWedekinds Überlegungen zu jüdischem Selbstverständnis haben sich beispielsweise 1897 in der Erzählung „Rabbi Esra“ [KSA 5/I, S. 214-218; vgl. KSA 5/I, S. 756-763] niedergeschlagen. zu haben glaube und über die ich Ihnen meine Ansichten
gerne gelegentlich vorlegen | möchte, da es sich hier doch wohl um
Kulturgeschichte im allerweitesten Sinn handelt. Daß mir die Resurrection Co.„Die Resurrection Co.“ (Erstdruck 1898 unter dem Pseudonym W. Hartenau) ist in den „Impressionen“ abgedruckt [vgl. Walther Rathenau: Impressionen. Leipzig 1902, S. 121-136].
und die Schönste Stadt der Welt„Die schönste Stadt der Welt“ (Erstdruck des Berlin-Essays 1899) ist in den „Impressionen“ abgedruckt [vgl. Walther Rathenau: Impressionen. Leipzig 1902, S. 137-163]. sehr gefallen haben, brauche ich Ihnen nicht zu
sagen. Jetzt bin ich höchst gespannt auf den Aufsatz Phi/y/siologie der
Geschäfte„Physiologie der Geschäfte“ (Erstdruck des Essays 1901 anonym in der „Zukunft“) ist in den „Impressionen“ abgedruckt [vgl. Walther Rathenau: Impressionen. Leipzig 1902, S. 165-206]., von dem ich mir Antworten auf Fragen verspreche, die mir von jeher
am Herzen gelegen haben. – Sie haben jedenfalls von berufene/st/er Seite
uneingeschränkte Anerkennungen die Menge über die „Impressionen“ gehört und
gelesen; vielleicht mag es Sie aber doch interessieren, daß mir an Ihren Worten
vor allem | eine große ruhige Vornehmheit auffällt, der die Gedrungenheit
des Inhaltes eigentlich im Wege stehen müßte.
Es erübrigt mir noch, geehrter Herr Doctor, für die
Liebenswürdigkeit, mit der Sie mich in Ihrem Hause empfangenWedekind, der sich vom 22. bis 26.9.1904 zu einem Gastspiel in Berlin aufgehalten hat, war am 22.9.1904 in Begleitung von Maximilian Harden zu Gast bei Walther Rathenau (Viktoriastraße 3, 2. Stock) [vgl. Adreßbuch für Berlin 1905, Teil I, S. 1643]: „Abends mit M Harden bei Dr. Ratenau diniert.“ [Tb] haben, Ihnen
meinen aufrichtigen Dank auszusprechen. Die Stunden, die ich mit Ihnen und
Herrn Harden in Berlin verbringen durfte, sind die anregenstenSchreibversehen, statt: anregendsten., die ich
seit langer Zeit erlebt habe und Sie werden es meinem Interesse für Menschen
von großen Horizonten und geistiger | Eigenart gerne glauben, daß ich mich
danach zurücksehne.
Mit ergebensten Grüßen
Ihr
Frank Wedekind.
München 6. Oktober 04Wedekind notierte am 6.10.1904: „Briefe an Rathenau [...] Harden“ [Tb]..
Franz Josefstraße 42.