Lieber Freund,
es ist mir eine große Freude,
Dir und Deiner geehrten Frau Gemahlin mein/zum/ neuen Jahrhundert meine herzlichsten
Glückwünsche zum Tausendjährigen Reich schicken zu können. Es werden noch
Andere auf diese Zusammenstellung verfallen; aber die Nachricht von dem
durschschla|gendenSchreibversehen, statt: durchschlagenden. ErfolgMax Halbes historisches Drama „Das tausendjährige Reich“ (1900) war am 28.12.1899 am Königlichen Residenztheater in München unter der Regie von Jocza Savits uraufgeführt [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 52, Nr. 596, 28.12.1899, Vorabendblatt, S. 3] und von der Kritik gelobt worden: „In uns Allen, die wir uns an den zarten Gebilden der modernen Dichtung erfreuen, lebt bewußt oder unbewußt die Sehnsucht nach der großen Kunst. [...] Auch Max Halbe, dessen ‚Tausendjähriges Reich‘ am Donnerstag im Residenztheater seine Feuerprobe bestand, kann sich noch nicht rühmen, das große Kunstproblem unserer Zeit gelöst zu haben. Aber einen gewaltigen Schritt vorwärts hat er mit seinem neuesten Werke gethan. [...] Freuen wir uns [...], daß wir diesen neuen Halbe besitzen, und daß es das Münchner Hoftheater war, das ihn uns bescheerte. Ueber die vortreffliche Inszenirung, Regie und Darstellung des Dramas, die unserer Hofbühne zur größten Ehre gereicht, werde ich morgen ausführlicher berichten.“ [Edgar Steiger: Das tausendjährige Reich. Drama in vier Aufzügen von Max Halbe. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 52, Nr. 600, 30.12.1899, Vorabendblatt, S. 2]. und die hohe Anerkennung die man dabei dem
poetischen Gehalt Deiner Dichtung zollt erwecken in mir geradezu das
Gefühl persönlicher Genugthuung. Ich freue mich sehr darauf, das Stück auf der
Bühne zu sehen.
Mit den herzlichsten Grüßen
bin ich dein getreuer
Wedekind.
Festung KönigsteinWedekind saß vom 21.9.1899 bis 3.2.1900 wegen Majestätsbeleidigung in der Festung Königstein bei Dresden ein.
30. Dec.
99.