Köln,
15.IV.05.
Verehrter Herr Wedekind!
Dürfen wir uns auf ein baldiges WiedersehnErst Mitte März 1905, als er auf Einladung der Literarischen Gesellschaft Köln e.V. zu einem Vortrag nach Köln reiste, hatte Wedekind das Ehepaar Walter und Marie Laué besucht: „Abreise nach Köln. Abends bei Walther Laué zu Gast“ [Tb 16.3.1905; vgl. auch Wedekinds Korrespondenz mit Walter Laué und mit Johannes Fastenrath]. mit Ihnen freuen? Direktor Martersteig hat mir fest
versprochen, Ihnen zu
schreiben, doch kenne ich ihn noch nicht so genau, um
überzeugt zu sein, daß man sich darauf verlassen kannMax Martersteig, der zum 1.1.1905 die Direktion der Vereinigten Stadttheater in Köln übernommen hatte, hatte Wedekind bereits geschrieben [vgl. Martersteig an Wedekind, 28.3.1905].. –
Ich bitte Sie herzlichst: | kommen Sie her und gönnen Sie
uns den Genuss, Sie als Held
Ihres geistreichen Dramas auf der Bühne zu sehnDie von Martersteig unterstützte Idee, Wedekinds Drama „Hidalla“, das Ende Mai 1904 erschienen und am 18.2.1905 im Münchner Schauspielhaus mit Wedekind in der Hauptrolle des Rudolf Launhart uraufgeführt worden war, in der Woche nach Ostern 1905 (23. u. 24. April 1905) auch auf die Kölner Bühne zu bringen, kam nicht zustande. Stattdessen hatte Wedekind am 24.4.1905 ein Konzert in Berlin und anschließend ein Gastspiel in Nürnberg, wo er am 25.4.1905 als Rudolf Launhart in „Hidalla“, am 26.4.1905 als Dr. Schön in „Lulu“ und am 27.4.1905 als Kammersänger Gerardo in „Kammersänger“ auftrat [vgl. Tb 24.-27.4.1905].! Walter unterstützt meine Bitte auf das Lebhafteste
– ich bat ihn, mich an Sie schreiben zu lassen, denn ich muss Ihnen unbedingt
sagen, dass Sie eine viel zu gute und hohe Meinung von mir haben. Ihr lieber Briefnicht überliefert; vgl. erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Walter Laué, 12.4.1905. an Walter
hat mich sehr glücklich gemacht, aber ich möchte | gerade vor Ihnen nicht
besser scheinen als ich bin. Ich verdiene Ihren schönen Ausspruch nicht. Um mit
Walter auf gleichen Höhen wandeln zu können muss man ein aussergewöhnlich
begabtes Menschenkind sein; man muss vor allem tiefstes Verständniss für jede
kleinste Regung seiner Seele empfinden – und da bin ich absolut
unzufrieden mit mir. Ich denke mir so herrlich, das Bewusstsein, eine
vollkommene | Gattin zu sein – ach wer das hat, der ist glücklich! –
Hoffentlich kommen Sie bald! Dann müssen wir aber mehr von Ihnen haben
als das letzte Mal und keine
ProbeWedekind fuhr noch in der Nacht zum 18.3.1905 mit dem Zug zurück nach München, wo er morgens eine Probe und am Abend die zwölfte Aufführung von „Hidalla“ hatte: „Umbesetzungsprobe von Hidalla. [...] 12. Hidalla“ [Tb 18.3.1905]. darf uns wieder dazwischen kommen!
Walter schickt Ihnen herzliche Grüsse!
Ihre getreue
Marie Laué.