Sehr geehrter Herr
Kraus!
Empfangen Sie meinen besten Dank für die Übersendung des HonorarsHinweis auf ein nicht überliefertes Begleitschreiben zur Geldsendung; erschlossenes Korrespondenzstück: Karl Kraus an Wedekind, 10.10.1904. ‒ Das Honorar vergütete vorab ein dann in der „Fackel“ mit Noten abgedrucktes Lied Wedekinds [vgl. Frank Wedekind: Das Lied vom armen Kind. In: Die Fackel, Jg. 6, Nr. 167, 26.10.1904, S. 15-17] mit 100 Mark, wie Wedekind am 12.10.1904 auch für sich notierte: „Von Kraus Fackel Wien Honorar erhalten M. 100“ [Tb]. M. 100, dessen Empfang ich Ihnen hiemit bestätige. InliegendDie Beilage, ein Korrekturbogen des Textes „Das Lied vom armen Kind“ (siehe oben), ist nicht überliefert [vgl. KSA 1/III, S. 530]. die Correcturim Erstdruck: Korrektur.. Die letzte Zeile des Gedichtes würde ich gesperrt druckenKarl Kraus hat die Korrektur ausführen lassen; die letzte Liedzeile – „So ist’s der Menschheit guter Brauch“ – ist in der „Fackel“ gesperrt gedruckt [vgl. Die Fackel, Jg. 6, Nr. 167, 26.10.1904, S. 17]. | lassen, da durch diese Moral dem Gedicht der Charakter des Bissigen etwas genommen wird.
Die vierWedekind war rund fünf Tage in Berlin (siehe unten). Er reiste dem Tagebuch zufolge am 21.9.1904 um 22.10 Uhr mit dem Nachtzug von München ab („Abends 10 Uhr 10 mit Langheinrich nach Berlin gefahren. [...] 9 Stunden“) und war nach der Abreise von Berlin am 26.9.1904 abends am 27.9.1904 morgens zurück („Ankunft in München“). Tage dieim Erstdruck: Tage, die. ich in BerlinFrank Wedekind trat am 23. und 25.9.1904 im Prolog der Berliner „Erdgeist“-Inszenierung am Neuen Theater (Direktion: Max Reinhardt) auf, in der Gertrud Eysoldt die Lulu spielte, besuchte Theatervorstellungen (am 24.9.1904 die Uraufführung der tragischen Komödie „Traumulus“ von Arno Holz und Oskar Jerschke im Lessingtheater, am 25.9.1904 „Des Pastors Rieke“ von Erich Schlaikjer im Kleinen Theater) sowie diverse Lokale und traf etliche Freunde und Bekannte in Berlin, darunter Gertrud Eysoldt (siehe unten), Otto Erich Hartleben, Max Langheinrich, Emil Lind, Carl Rößler und seinen Bruder Donald Wedekind, außerdem gleich am 22.9.1904 Walther Rathenau und Maximilian Harden: „Abends mit M Harden bei Dr. Ratenau diniert“ [Tb]; einem Brief Maximilian Hardens vom 23.9.1904 an eine unbekannte Person zufolge war dies die erste persönliche Begegnung: „Gestern lernte ich Wedekind kennen; einen höchst ungewöhnlichen Menschen, dessen Talent ich, nicht ohne manches Widerstreben, ungemein schätze. Als Menschen kann ich ihn freilich noch nicht durchblicken.“ [Katalog Antiquariat Herbst-Auktionen (Detmold): https://www.herbst-auktionen.de (zuletzt abgerufen 16.8.2023)] verbrachte warenim Erstdruck: verbrachte, waren. sehr amüsant. Ich hoffe darin ein günstiges Omen für den kommenden WinterWedekind überlegte, nach Berlin zu gehen. erblicken zu können. Mit Gertrud EysoldtWedekind hat Gertrud Eysoldt dem Tagebuch zufolge in Berlin täglich – nicht nur bei den gemeinsamen Proben und Auftritten im „Erdgeist“ im Neuen Theater – gesehen; am 22.9.1904 („Probe“), 23.9.1904 („Probe. Abends Prolog gesprochen“), 24.9.1904 („Ich diniere mit Gertrud Eisoldt im Kaiserkeller, fahre mit ihr durch den Thiergarten“), 25.9.1904 („Stehe um 2 Uhr auf gehe spazieren diniere mit Gertrud Eysold im Kaiserkeller. Abends Prolog“) und zum Abschied von seinem Gastspiel am 26.9.1904 („Abschied im Neuen Theater. Ich packe“)., die wieim Erstdruck: die, wie. mir scheint eineim Erstdruck: scheint, eine. wirkliche FreundinDie Schauspielerinnen Gertrud Eysoldt und Kete Parsenow waren Kolleginnen zunächst am Kleinen Theater (Schall und Rauch) in Berlin [vgl. Neuer Theater-Almanach 1903, S. 260], dann unter der Leitung von Max Reinhardt am Kleinen und Neuen Theater [vgl. Neuer Theater-Almanach 1904, S. 245f.] gewesen. Die freundschaftliche Verbindung zwischen ihnen klingt in späteren Zeugnissen an, so etwa in Kete Parsenows Brief vom 4.4.1910 aus Berlin an Karl Kraus: „Wohne von heute an Unter den Linden 43 in Frau Eysoldts Wohnung. Sie ist für längere Zeit abwesend“ [Pfäfflin 2011, S. 51]. | von Frl. Kätheim Erstdruck: K. (Kete Parsenows Vorname abgekürzt). – Kete Parsenow war eine Freundin von Karl Kraus, der sie im Frühjahr 1903 bei ihrem Gastspiel mit dem Ensemble des Berliner Kleinen und Neuen Theaters in Wien kennengelernt hatte und „verzückt“ war „durch die Erscheinung der jungen Schauspielerin“ [Pfäfflin 2011, S. 18]. P. ist, sprach ich auch viel U über Sie.
Mit bestem Gruß auf baldiges Wiedersehn
Ihr
FrWedekind.
11.X.04.