BERLIN N.W. 40.
ALEXANDER UFER 3Büroadresse des Deutschen Theaters zu Berlin (Alexander Ufer 3, 2. Stock; ab 1.7.1904: Schumannstraße 13a), dessen Geschäftsführer Paul Lindau war [vgl. Berliner Adreßbuch 1904, Teil I, S. 298], zugleich die Privatadresse von Dr. phil. Paul Lindau, Direktor des Deutschen Theaters [vgl. Berliner Adreßbuch 1904, Teil I, S. 1105]..
30. November 1903.
Lieber und verehrter Freund!
Haben Sie über Ihren „Liebestrank“ schon
verfügtWedekinds Schwank „Der Liebestrank“ (1899) war bereits am 1.7.1898 durch das Ensemble des Ibsen-Theaters unter Leitung von Carl Heine im Leipziger Kristallpalast uraufgeführt worden. Seit 1902 gab es mehrere Anläufe, das Stück in Berlin aufzuführen, was erst Victor Barnowsky am 6.10.1910 am dortigen Kleinen Theater realisierte [vgl. KSA 2, S. 1072-1075]. und würden Sie mir, wenn das nicht der Fall sein sollte, die
Möglichkeit bieten, Ihr Werk zu lesen? Ich wäre Ihnen dankbar.
Von Max Halbe habe ich gleichzeitig
erfahren, daß Sie nicht unbedenklich erkranktDie Berliner Presse hatte berichtet: „Aus München wird uns geschrieben: Frank Wedekind liegt seit drei Tagen an Lungenentzündung nicht unbedenklich krank darnieder.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 32, Nr. 573, 11.11.1903, Abend-Ausgabe, S. (2)] Sie meldete dann: „Frank Wedekind, der, wie wir berichteten, an einer schweren Lungenentzündung erkrankt war, befindet sich wieder auf dem Wege der Besserung.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 32, Nr. 585, 17.11.1903, Morgen-Ausgabe, S. (3)] Max Halbe hatte Paul Lindau während seines Aufenthalts in Berlin am 22.11.1903 – „Abends mit Lindau“ [Tb Halbe] – und 26.11.1903 – „mit Lindau“ [Tb Halbe] – getroffen und dürfte ihm von der Erkrankung Wedekinds berichtet haben, den er an seinem Abreisetag von München noch gesehen hat, wie er am 19.11.1903 notierte: „Besuche vor der Abfahrt noch Wedek., der aufgestanden.“ [Tb Halbe] gewesen, aber jetzt Gott sei Dank
wieder rüstiger Rekonvalescent seien. Von Herzen wünsche ich, daß Sie mir recht
bald Ihre völlige Gesundung melden können. – Sie werden jetzt mehr als
gewöhnlich in der Stube hocken müssen und auch wohl mehr Zeit als gewöhnlich
zum Lesen finden. Wenn diese Voraussetzung zutrifft, finden Sie wohl die
bewußten 1½ Stunden, | um mein letztes, ich will nicht sagen mein
jüngstes Schauspiel kennen zu lernen. Sollte Stollberg das
Stück aufführenPaul Lindaus Stück „... so ich dir!“ (1903), in Hamburg (Uraufführung am 16.10.1903 am Deutschen Schauspielhaus), Stuttgart (Premiere am 5.11.1903 am Hoftheater) und Frankfurt am Main bereits aufgeführt, ist an den Vereinigten Theatern Theater am Gärtnerplatz und Münchner Schauspielhaus (Direktion: Georg Stollberg) [vgl. Neuer Theater-Almanach 1904, S. 441] nicht inszeniert worden., so würde das ein ganz passabler Vorwand sein, um Ihnen in
München die Hand zu drücken. Fragen Sie ihn doch gelegentlich, was er davon
denkt, aber nicht so, als ob ich auf Umwegen ein wünschenswertes Ziel erreichen
möchte. Das Hoftheater ist natürlich ausgeschlossenDas Münchner Hoftheater (Intendant: Ernst von Possart) [vgl. Neuer Theater-Almanach 1904, S. 436] hatte das kürzlich noch laufende Schauspiel „Die Erste“ [vgl. Allgemeine Zeitung, Jg. 106, Nr. 310, 8.11.1903, Morgenblatt, S. 4] von Paul Lindau im Residenztheater inszeniert, das eine schlechte Kritik hatte: „Daß die Hofbühne just in der Fremdensaison sich für dieses ihrer so gänzlich unwürdige Produkt einsetzte, kann nur bedauert werden.“ [Hanns v. Gumppenberg: Residenztheater. Zum ersten Male: Die Erste, Schauspiel in vier Akten von Paul Lindau. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 56, Nr. 381, 18.8.1903, Vorabendblatt, S. 1].
Und nun nochmals gute Besserung, lieber Herr Wedekind
und herzliche Grüße von
Ihrem aufrichtig ergebenen
Paul Lindau
1 BuchBeilage war Paul Lindaus 1903 im Bühnenverlag Felix Bloch Erben in Berlin veröffentlichtes Schauspiel „... so ich dir!“ [vgl. Neuer Theater-Almanach 1905, S. 88]..