Lieber Herr Halbe,
dem liebenswürdigen Entgegenkommen Herrn Rüderer’sJosef Ruederer, Zentralfigur der Nebenregierung (siehe unten) und Schriftsteller in München (Giselastraße 7) [vgl. Adreßbuch von München für das Jahr 1896, Teil I, S. 400], der Wedekind die Lesung seines Dramenfragments „Das Sonnenspectrum“ (siehe unten) ermöglicht hatte, wie Max Halbe sich erinnerte: „Natürlich war auch Ruederer an der Spitze der Seinen erschienen. Er liebte Wedekind durchaus nicht, hatte ihm aber – ob mit, ob ohne Hintergedanken – den Abend für die Vorlesung eingeräumt.“ [Halbe 1935, S. 159] danke ich es, daß ich Montag Abendam 1.6.1896, an dem Wedekind im Münchner Café Minerva aus dem Manuskript seines Dramenfragments „Das Sonnenspectrum. Ein Idyll aus dem modernen Leben“ [vgl. KSA 3/I, S. 669-708] las (siehe unten). in der N.R.im Café Minerva (Akademiestraße 9) [vgl. Adreßbuch von München für das Jahr 1896, Teil I, S. 316], in dem die Nebenregierung, jene 1892 von Josef Ruederer in Opposition zur Gesellschaft für modernes Leben um Michael Georg Conrad (und zum Literatenkreis um Paul Heyse) gegründete „Vereinigung Münchner Künstler, die sich regelmäßig im Café Minerva traf“ [KSA 3/II, S. 1450], literarische Abende veranstaltete, darunter Wedekinds Lesung vom 1.6.1896. „Im Sommer 96 las er der ‚Nebenregierung‘ [...] im Kafe Minerva sein ‚Sonnenspektrum‘ vor“ [Kutscher 2, S. 6]. Max Halbe erinnerte sich an die Lesung: „Unter den vielen bewegten Abenden der ‚Nebenregierung‘ wohl der bewegteste war jener, an dem Frank Wedekind uns sein ‚Sonnenspektrum‘ im ‚Kaffee Minerva‘, gegenüber der Akademie, vorlas oder, um es richtiger zu bezeichnen, an den Kopf schleuderte. Es wird im Frühjahr 1896 gewesen sein [...]. Sein Name, schon dazumal alle Geister des Widerspruchs entfesselnd, hatte den ganzen Heerbann der ‚Nebenregierung‘ auf den Plan gerufen. Dicht gedrängt saß die Gemeinde in dem engen Nebenzimmer des Boheme-Kaffees.“ [Halbe 1935, S. 158f.] Lovis Corinth, der Veranstaltungen der „Vereinigung die ‚Nebenregierung‘“ besuchte, erinnerte sich: „Im Café Minerva hielt einstmals Wedekind einen Leseabend über sein Theaterstück ‚Sonnenspektrum‘.“[Corinth 1926, S. 113] mein „Sonnenspectrum“ vorlesenBerichte über Wedekinds „Sonnenspectrum“-Lesung vom 1.6.1896 existieren von Max Halbe [vgl. Halbe 1935, S. 158-160], Eugene Spiro – „die ‘Nebenregierung’ […]. Ich erinnere mich besonders an einen Abend, als Wedekind sein eben vollendeten ‚Sonnenspektrum‘ dem Kreise vorlas“ [Eugene Spiro: Student in München, 1994-1897. In: Hans Lamm: Von Juden in München. Ein Gedenkbuch. München 1958, S. 117] – und Lovis Corinth, der sich an Wedekinds „Leseabend über sein Theaterstück ‚Sonnenspektrum‘“ erinnerte: „Wir lagen mehr auf der Erde, als daß wir gleich gesitteten Menschen auf Stühlen saßen und kriegten Lachkrämpfe. Er deklamierte das Stück mit einem fast unheimlichen, ernsthaften Pathos, so daß man nicht recht wußte, war es seinerseits, daß er sich einen Ulk mit uns machen wollte oder war es ihm doch heiliger Ernst. Als er gar noch ein sentimentales Lied aus einem Akt zu singen anfing, waren wir vollständig aus dem Häuschen [...]. Darauf fragte ihn Eckmann, ob er doch nicht die Karikatur zu weit getrieben hätte und Wedekind antwortete ihm darob mit ernsthaftester Leichenbittermiene: ‚Mein Werk ist eine Ode an die Schönheit!‘“ [Corinth 1926, S. 113f.] Dazu Max Halbe: „Ich sah Lovis Corinth halb unter dem Tisch liegen und beinahe vor Lachen bersten.“ [Halbe 1935, S. 160] werde. Darf ich Sie bitten, an der Vorlesung mit theilnehmenMax Halbe besuchte die Lesung (siehe oben) und nannte später weitere Teilnehmer: „Von bekannten Namen erinnere ich mich an Wilhelm Hegeler, Hans Olden, Karl Strathmann, Otto Eckmann, Lovis Corinth. Natürlich [...] auch Ruederer“ [Halbe 1935, S. 159]; einem brieflichen Bericht Wedekinds über die Lesung zufolge haben außerdem auch Max Bernstein und Julius Schaumberger teilgenommen [vgl. Wedekind an Otto von Grote, 6.6.1896], ferner Eugene Spiro [vgl. KSA 3/II, S. 1449]. zu wollen. Ich werde Ihnen sehr dankbar sein. Mit herzlichem Gruß Ihr ergebener
Frank Wedekind. |
FRANK WEDEKIND
Adalbertstrasse 34Wedekind war vom 21.3.1896 bis 23.8.1896 in der Wohnung Adalbertstraße 34 (Parterre) in München gemeldet [vgl. EWK/PMB Wedekind]..