Lieber Bertl! Zu meinem großen Bedauern muß ich
dich darum bitten, deine Schwester MarthaWedekind hat in der hier zur Debatte stehenden Angelegenheit bereits an seine Schwägerin geschrieben [vgl. Wedekind an Martha Newes, 23.10.1916], die als Schauspielerin am Deutschen Landestheater in Prag engagiert war [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1917, S. 530], aber häufig München besuchte, wo ihre Schwester Tilly Wedekind lebte. darum ersuchen zu wollen, daß Sie mir
nicht auf Schritt und Tritt ihre Liebhaber Geliebten in den Weg schickt. Deine Schwester kann tun und lassen was S/s/ie will, das geht mich
nichts an, solange ich nicht darunter zu leiden habe. Ich kann aber
in kein Theater mehrHans Carl Müller, der Freund und spätere Gatte von Wedekinds Schwägerin Martha Newes, war als Schauspieler an den Münchner Kammerspielen engagiert [vgl. Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1917, S. 604]. Wedekind dürfte ihm dort am 21.10.1916 im Zusammenhang mit der „Marquis von Keith Vorstellung“ [Tb] begegnet sein ‒ das war die im Theaterprogramm angezeigte „Abend-Vorstellung Gastspiel Frank und Tilly Wedekind. Der Marquis von Keith“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 69, Nr. 537, 21.10.1916, General-Anzeiger, S. 2] mit Wedekind in der Titelrolle und seiner Frau in der Rolle der Anna um 19.30 Uhr (Ende: 22.30 Uhr). Ob er ihn aktuell am 26.10.1926 im Publikum der Münchner Kleinbühne Bonbonniere bei der geschlossenen „Vorstellung von Tod und Teufel“ [Tb], bei der Frank und Tilly Wedekind wiederum zusammen spielten, wahrgenommen und den vorliegenden Briefentwurf im Anschluss daran geschrieben hat, ist unklar. kommen ohne einen Liebhaber Geliebten deiner Schwester darin
vorzufinden. Wie du weißt spiele ich in meinen Stücken mit meiner Frau
zusammen. Dabei aber regelmäßig auch noch mit irgend einem illegitimen SchwagerMartha Newes heiratete Hans Carl Müller im Jahr darauf am 26.7.1917. meiner | Frau zusammenspielen zu
sollen das ist eine Familien-Schmiere die ich nicht länger ertrage. Deine
beiden SchwesternMartha Newes und Tilly Wedekind. sind dank ihrer Erziehung leider vollkommen außerstande einzusehen,
daß mir solche Verhältnisse ekelhaft und unerträglich sind.
Wenn du irgendwelchen Wert darauf legst, daß
deine Schwester auch meine Frau bleibt, dann
bitte ich dich das Deinige dafür zu thun, daß ich von den Liebhabern Geliebten deiner Schwester Martha
in Zukunft ungeschoren bleibe.
Mit besten Grüßen
bißweilen noch dein Schwager
FrW.